"eins, zwei, drei, das dritte von links"
Kärntner WiegenliedWie wir es von Autorin Andrea Nagele gewöhnt, balanciert sie mit ihren fesselnden Geschichten immer hart an der Grenze der Realität. Oft ist dem Leser nicht klar, was nun echt und was nur im Kopf eines ...
Wie wir es von Autorin Andrea Nagele gewöhnt, balanciert sie mit ihren fesselnden Geschichten immer hart an der Grenze der Realität. Oft ist dem Leser nicht klar, was nun echt und was nur im Kopf eines der Protagonisten vorgeht, oder eben nicht.
Auch dieser, der nunmehr dritte Fall für Simon Rosner ist so eine undurchsichtige Geschichte.
Doch von Beginn an:
Rosners Freundin Alice erwartet ein Baby und wird wegen Schwangerschaftskomplikationen in eine Klagenfurter Privatklinik eingeliefert. Sie soll sich schon und vor allem „nicht aufregen“. Doch genau das fällt ihr schwer. Einerseits weil sie Rosner als Mann hat und andererseits, weil Helene, eine frischgebackene Mutter fest davon überzeugt ist, dass ihr Baby Max gegen ein anderes Babay, das Helene Moritz nennt, und stillt, ausgetauscht wurde.
Helene hat, wie wir erfahren, eine traumatische Jugend hinter sich und zählt, wenn sie das Säuglingszimmer betritt, ziemlich zwanghaft „Eins, zwei drei. Das dritte von links.“. Und genau dies wird ihr zum Verhängnis. Niemand, außer Alice, glaubt ihr, dass Max verschwunden ist. Und die einzige, die es vielleicht ganz sicher sagen könnte, die Säuglingsschwester Janisha ist wegen eines Todesfalls in der Familie nicht im Dienst.
Nachdem der Krankenhauspsychiater Dr. Friede eine akute Psychose festgestellt hat, wird Helene mit dem Baby in die psychiatrische Abteilung überstellt.
Dann überschlagen sich die Ereignisse. Rosner, der ohnehin eine Einbruchserie aufklären sollte und Angst um Alice hat, willigt ih zuliebe ein, ein paar Nachforschungen anzustellen.
Als er dann Sven, Maxens Vater, von dem er sich einige Antworten auf seine Fragen erwartet, tot auffindet, beginnt er, noch immer widerwillig, Helenes Geschichte zu glauben.
Meine Meinung:
Wie immer verschwimmen bei Andrea Nagele die Grenzen zwischen normal und nicht ganz normal (oder wie meine Oma immer gesagt hat “Normalsein ist die leichteste Form von Schwachsinn“).
Manchmal ist der Leser geneigt, Helene doch als überspannt zu bezeichnen. Trotz der Überzeugung, nicht Max sondern ein anderes Kind im Arm zu haben, stillt sie Moritz. Sie stellt Unterschiede beim Saugen der beiden Babys fest. Von Max ist sie kräftige Züge gewohnt, Moritz nuckelt nur ein bisschen und schläft erschöpft ein. Trotz oder wegen dieser detaillierten Beobachtungen, wird sie nicht ernst genommen und Dr. Friede ist viel zu sehr von sich eingenommen, als dass er seine einmal gefasste Meinung revidiert.
Der wirkliche Junkie ist Sven, der Helenes Tabletten für sich haben will.
Die eine oder andere Nebenfigur, wie z.B. Helenes Mutter oder der Jugendfreund Frankie, der sich als Psychiater der Klinik entpuppt, verhalten sich mitunter undurchsichtig.
Auch Rosner hat es diesmal gar nicht leicht. Als Ex-Alkoholiker ist er beständig in Gefahr rückfällig zu werden, wenn ihn die Vergangenheit holt oder der Job nervt. Seine manchmal unbeholfen wirkende Liebe zu Alice und dem ungeborenen Baby, gibt ihm Kraft und hält ihn aufrecht. Immerhin hat er ja schon einmal ein Kind verloren.
Eigentlich geht er Helenes Geschichte ja nur nach, weil er Alice nicht aufregen will und so verschwimmt auch hier eine Grenze. Nämlich die zwischen privat und dienstlich.
Meisterhaft versteht es die Autorin, die seelischen Abgründe, die sich hier auftun, ihren Lesern nahezubringen.
Fazit:
Nach „Tod am Wörthersee“ und „Tod in den Karawanken“ ist der Autorin mit dem dritten Fall um Chefinspektor Rosner ein sehr
berührender Krimi gelungen. Fesselnd bis zu letzten Seite und mit einem doch überraschenden Ende, hat mich das Buch überzeugt. Gerne gebe ich 5 Sterne.