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Christina19

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.10.2024

Kolonialisierung, Sklaverei und starke Frauen

La Louisiane
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Als die „La Baleine“ Frankreich im Jahr 1720 in Richtung Louisiane verlässt, befinden sich 90 Frauen an Bord. Sie wurden unter den Bewohnern und Gefangenen einer psychiatrischen Anstalt in Paris ausgewählt, ...

Als die „La Baleine“ Frankreich im Jahr 1720 in Richtung Louisiane verlässt, befinden sich 90 Frauen an Bord. Sie wurden unter den Bewohnern und Gefangenen einer psychiatrischen Anstalt in Paris ausgewählt, um den Aufbau einer französischen Kolonie in Amerika zu unterstützen. Unter ihnen sind Charlotte, Étiennette, Pétronille und Geneviève. Während die Siedler versuchen, die Wildnis in dem fremden Land zu zähmen, bauen sich ihre Frauen auf dem neuen Kontinent unter widrigen Bedingungen ein neues Leben auf.

„La Louisiane“ ist mit all den Themen, die darin anklingen, ein sehr vielschichtiger Roman. Er berichtet von der Kolonialisierung und der damit einhergehenden Ungerechtigkeit, die die indigene Bevölkerung Nordamerikas erfahren hat. Neben der Besetzung und Aneignung großer Landflächen, die die Ureinwohner hinnehmen mussten, fanden sie sich auch mehrfach in gewaltsamen Auseinandersetzungen wieder. „La Louisiane“ gewährt außerdem einen Einblick in die Anfänge der Sklaverei und die Bedingungen, unter denen die afrikanischstämmigen Menschen arbeiten mussten. Vor allem aber berichtet Julia Malye von Frauen, ihren Aufgaben und ihrer Stellung in einer männlich geprägten Welt. Sie schreibt darüber, wie sie sich den Gegebenheiten ihrer Zeit oft unterordnen mussten, sich teils aber auch dagegen auflehnten, sich kleine und größere Freiheiten erkämpften, Homosexualität erkundeten und sich und ihre Familie selbst durchbrachten. Julia Malye erzählt von starken Persönlichkeiten im 18. Jahrhundert, die wir auf über 500 Seiten näher kennenlernen:
Die Französinnen Charlotte, Étiennette, Pétronille und Geneviève waren aus teils fragwürdigen Gründen in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht und wurden von dort gegen ihren Willen nach Louisiane verschifft. In drei Abschnitten lässt uns die Autorin in ihrem Roman an den Leben dieser Frauen teilhaben. Jeder Leseabschnitt ist dabei wiederum in mehrere Kapitel gegliedert, in denen jeweils eine der Frauen im Mittelpunkt steht. Durch diesen stetigen Wechsel der Perspektive ist man nah dran am Leben aller Protagonistinnen. Ich mochte das sehr gerne, zumal es das Lesen abwechslungsreich machte. Die Kapitel bringen außerdem fortlaufend Zeitsprünge mit sich. Manchmal sind es einige Monate, manchmal mehrere Jahre, die zwischen ihnen liegen. Dadurch ist es möglich, Charlotte, Étiennette, Pétronille und Geneviève über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Während der insgesamt 15 Jahre, die in der Geschichte beschrieben werden, ändert sich das Leben der Frauen grundlegend. Dem ersten Drittel des Buches konnte ich leicht folgen, doch vor allem im zweiten und dritten Abschnitt gibt es zahlreiche unvorhergesehene Ereignisse sowie viele Nebenfiguren. Dadurch hatte ich ab und an Mühe, den Überblick über die Geschehnisse und Zusammenhänge zu behalten.
Während die Hauptfiguren von der Autorin erdacht sind, liegen der Geschichte doch auch einige wahre Begebenheiten zugrunde. Die Anstalt „La Salpêtrière“ beispielsweise gab es tatsächlich und sie existiert bis heute als Krankenhaus in Paris. Die Überführung einiger Frauen auf einen fremden Kontinent ist ebenso wahr wie einige der Ereignisse, die in Louisiane geschildert werden. Diese Tatsache macht das Schicksal der (wenn auch fiktiven) Frauen noch ergreifender!
Empfehlenswert für Liebhaber historischer Romane.

Veröffentlicht am 14.09.2024

Eine Geschichte, auf der eine ungemeine Schwere liegt

Alte Sorten
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Nachdem Sally aus der Klinik geflohen ist, trifft sie auf einem Feldweg auf Liss. Die Frau auf dem Traktor scheint ein wenig eigenwillig zu sein, stellt aber glücklicherweise keine Fragen. Sie bietet Sally ...

Nachdem Sally aus der Klinik geflohen ist, trifft sie auf einem Feldweg auf Liss. Die Frau auf dem Traktor scheint ein wenig eigenwillig zu sein, stellt aber glücklicherweise keine Fragen. Sie bietet Sally ein Bett an – und die bleibt, nicht nur für diese eine Nacht. Sally beginnt, Liss auf dem großen Hof zu helfen. Zum ersten Mal fühlt sie sich bei einem anderen Menschen wohl. Die beiden Frauen freunden sich allmählich an und geben einander Halt.

Mit Sally und Liss hat Ewald Arenz zwei Figuren erschaffen, die eine bewegte Vergangenheit haben. In Rückblenden lernt man beide besser kennen und erfährt über die Gründe, weshalb die Frauen heute die sind, die sie nun einmal sind. So setzt sich mit Fortschreiten des Buches das Gesamtbild wie ein Puzzle Stück für Stück zusammen.
Sally habe ich als junge Frau kennengelernt, die sich von Niemandem verstanden fühlt und daher einen regelrechten Hass auf ihre Mitmenschen, deren Blicke und Fragen, aber auch auf Regeln und Vorschriften entwickelt hat. Entsprechend ist sie schnell genervt und tritt in meinen Augen teilweise sehr respektlos auf. Die mitunter beleidigende Art passt gut zu der Figur und dem, was sie bislang erlebt hat. Dennoch habe ich für ein solches Auftreten nur bedingt Verständnis, weshalb mir Sally nicht unbedingt sympathisch war.
Liss scheint zunächst eine sehr eigenwillige Person zu sein und erst allmählich erfährt man, was dazu geführt hat, dass sie am Rande der Dorfgemeinschaft steht. Anfangs fand ich ihre Art und ihr Verhalten sehr ungewöhnlich. Je mehr ich über sie erfahren habe, desto klarer und greifbarer wurde ihr Charakter für mich.
Beide Frauen haben also jeweils ihr Päckchen zu tragen und so liegt über der Geschichte, wie ich finde, eine gewisse Schwere. Die negative Grundstimmung wurde für mich einzig dadurch aufgehellt, dass sich Sally und Liss von Beginn an gut ergänzten und wie eine Einheit zusammenarbeiten. So entsteht ein zartes Band, aus dem allmählich ein tieferes Vertrauen erwächst. Die Verbundenheit zwischen Sally und Liss sorgt damit für einen Lichtblick und ein versöhnliches Ende.

Veröffentlicht am 23.06.2024

Die sich wandelnde Beziehung von Geschwistern

Cascadia
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Sam und Elena sind auf der Insel San Juan im Nordwesten der USA in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Zusammen mit ihrer schwerkranken Mutter wohnen sie noch heute in dem kleinen, sanierungsbedürftigen ...

Sam und Elena sind auf der Insel San Juan im Nordwesten der USA in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Zusammen mit ihrer schwerkranken Mutter wohnen sie noch heute in dem kleinen, sanierungsbedürftigen Haus, das einst ihre Großmutter gekauft hatte. Obwohl beide arbeiten gehen, haben sie in den vergangenen Jahren immer größere Schulden für die Arztbesuche und Medikamente ihrer Mutter angehäuft. Die Schwestern träumen von einer besseren Zukunft und so entsteht der Plan, nach dem Tod der Mutter das Haus zu verkaufen und anderswo neu anzufangen. Als eines Tages ein Bär die Insel betritt, ändert sich Sams und Elenas Leben jedoch drastisch...

Julia Phillips erzählt in „Cascadia“ von dem Band zwischen Geschwistern. Dazu erschafft sie mit Sam und Elena zwei Figuren, die sich zunächst recht ähnlich scheinen, im Laufe der Geschichte jedoch kaum gegensätzlicher handeln könnten. Dem Schreibstil der Autorin lässt sich gut folgen, dennoch hatte ich Schwierigkeiten, die Gedanken und das Verhalten insbesondere von Elena gegenüber dem Bären nachzuvollziehen. Hier war die Figur für mich einfach zu realitätsfern gezeichnet, sodass sie mir immer ein wenig fremd blieb. Gleiches gilt für die eine oder andere Textstelle zu Sam, die im Laufe ihres Lebens einige Eigenheiten entwickelt hat. Für den Verlauf der Handlung war das Verhalten der beiden Protagonistinnen jedoch essenziell: Anfangs wirken die Schwestern unzertrennlich. Sie teilen innige Erinnerungen an ihre gemeinsamen Erlebnisse in Kindertagen. Sam und Elena verstehen sich augenscheinlich gut, halten in schweren Zeiten zusammen und ziehen an einem Strang. Erst der Bär offenbart Differenzen zwischen den Schwestern. Es wird deutlich, dass vor allem Elena mit zunehmendem Alter begonnen hat, ein eigenständiges Leben zu führen und sich von Sam abzugrenzen, während diese sich wiederum an die Vergangenheit klammert.
Julia Phillips macht mit ihrem Buch darauf aufmerksam, wie stark sich die Beziehung zwischen Geschwistern mit dem Erwachsenwerden wandeln kann. Während in der Kindheit gemeinsame Erlebnisse und womöglich auch ähnliche Interessen zusammenschweißen, emanzipieren sich Brüder und Schwestern später und verfolgen ihren individuellen Lebensweg.

Veröffentlicht am 27.05.2024

Ein unerwartetes Spiel mit den Genres

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
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Als die Transsibirische Eisenbahn nach einer längeren Pause im Jahr 1899 wieder zur Durchquerung des Ödlands aufbricht, ahnen die Passagiere noch nicht, welch außergewöhnliche Reise vor ihnen liegt. Unter ...

Als die Transsibirische Eisenbahn nach einer längeren Pause im Jahr 1899 wieder zur Durchquerung des Ödlands aufbricht, ahnen die Passagiere noch nicht, welch außergewöhnliche Reise vor ihnen liegt. Unter ihnen sind Maria, die nicht die ist, die sie vorgibt zu sein, Dr. Grey, der als Wissenschaftler die Besonderheiten des Ödlands erforscht und dafür jegliche Gefahren in Kauf nimmt, sowie Weiwei, die im Zug geboren wurde und ihn seither ihr Zuhause nennt. Alle Passagiere treten die Fahrt aus unterschiedlichen Gründen an, werden den Zug jedoch nicht so verlassen, wie sie sich das vorgestellt haben…

Nachdem ich den Klappentext, der vom Verlag veröffentlicht wurde, gelesen hatte, konnte ich nicht so recht erkennen, in welche Richtung sich dieser Roman entwickeln wird. Auch während des Lesens habe ich mich stetig gefragt, wohin uns die Autorin mit ihrer Geschichte führt. Vor allem in der ersten Hälfte des Buches werden viele Dinge nur angedeutet, sodass manche Zusammenhänge lange im Argen bleiben. Das wiederum sorgte aber dafür, dass meine Neugier und Spannung auf einem hohen Niveau gehalten wurden und ich immer weitergelesen habe. Ab der Mitte der Geschichte verdichtet sich das Erzählte und nimmt zunehmend an Tempo auf, sodass es bis zum Schluss fesselt.
Inhaltlich war mir vorab nicht klar, worauf ich mich einlasse. Handelt es sich um einen Fantasyroman oder doch eher einen historisch angelegten Krimi? Die Autorin spielt während der gesamten Geschichte geschickt mit den Genres, sodass ich das Buch auch nach dem Lesen nicht eindeutig zuordnen kann. Das „Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland“ spielt in der Vergangenheit, enthält unwirkliche und magische Elemente, die jedoch als überzeichnete Symbole gedeutet werden könnten, sodass der Roman für mich fast ein wenig den Charakter einer Parabel erhält.
Während des gesamten Romans, dessen Genre mich so sehr in die Irre geführt hat, habe ich nach dem tieferen Sinn der Geschichte gesucht. Mit ein wenig Abstand kann ich nun sagen, dass ich diese für ein Zusammenspiel halte aus Kritik an der Gesellschaft, der Industrialisierung und Kommerzialisierung, mächtigen Konzernen sowie als Mahnung hinsichtlich der mit alldem zusammenhängenden Umweltzerstörung. Das „Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland“ kann als Aufbruch in ein neues Zeitalter verstanden werden, in dem die Welt nicht mehr durch einen skrupellosen Machtapparat und dessen finanzielle Interessen bestimmt wird, sondern in dem man in Einklang mit der Natur lebt und diese schützt.

Veröffentlicht am 24.05.2024

Guter Ansatz mit verbesserungswürdiger Umsetzung

So bist du - Wähle das, was zu dir passt
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„So bist du“ ist ein Buch, das sich an junge Kinder richtet. Es besteht aus Hartpappe und ist daher recht stabil. Auf insgesamt 30 Seiten verteilen sich kurze Texte und eine großflächige Bebilderung. Die ...

„So bist du“ ist ein Buch, das sich an junge Kinder richtet. Es besteht aus Hartpappe und ist daher recht stabil. Auf insgesamt 30 Seiten verteilen sich kurze Texte und eine großflächige Bebilderung. Die Texte erzählen von mehreren Tieren, die unterschiedliche Situationen durchleben. Dabei widmet sich jeweils eine Doppelseite einem Thema, sodass es entgegen meiner Erwartung keine fortlaufende Geschichte gibt.
Kinder werden beim Vorlesen dazu eingeladen, mitzumachen und Entscheidungen zu treffen. Beispielsweise soll der schönste Luftballon benannt oder ein Spielzeug ausgewählt werden. Die Auswahl der angesprochenen Themen gefällt mir gut, da sie aus der Lebenswelt der Kinder stammen. Neben den bereits genannten Beispielen finden sich hier auch noch Inhalte zur Ernährung, zu Kleidung und Gefühlen usw. Das Buch versucht dazu anzuregen, über sich selbst nachzudenken und sich dadurch besser kennenzulernen. Ich persönlich empfinde viele Fragen allerdings als sehr oberflächlich und würde mir wünschen, dass nach tiefergreifenden Erklärungen oder Begründungen gefragt wird. Denkbar ist für mich z.B. Folgendes: Warum möchtest du gerne mit diesem Spielzeug spielen? Weshalb fühlst du dich gerade glücklich/traurig/wütend? Auch wenn sich das Buch ausdrücklich an Leser ab 2 Jahren richtet, glaube ich, dass einige Kinder auch in diesem Alter durchaus schon in der Lage sind, bereits über die Gründe für ihre Entscheidungen/ihr Handeln nachzudenken.
Etwas kritisch sehe ich außerdem die Zusammenfassung auf der letzten Doppelseite. Hier beantworten alle Tiere die gestellten Fragen. Nils mag beispielsweise Apfelsaft, während Kasimir zuerst mit der Murmelbahn spielen möchte. Für manche Kinder mag das ganz unterhaltsam sein, allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass das bei einigen zur Folge hat, dass sie die Fragen beim zweiten Lesen nicht mehr für sich beantworten, sondern mit dem, was sie sich über das jeweilige Tier gemerkt haben und ihnen nun als die „erwünschte“ bzw. „richtige“ Antwort erscheint. Damit wäre der eigentliche Sinn des Buches verfehlt.
Hinsichtlich der Gestaltung lässt sich festhalten, dass alle Seiten farbenfroh umgesetzt wurden, wobei die Illustrationen Geschmackssache sind.