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Veröffentlicht am 01.12.2024

Aufwühlendes Sinnbild einer hassgetriebenen Digitalgesellschaft

Was wir nicht kommen sahen
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Jede zweite Person schränkt ihre Internetnutzung wegen digitalen Hasses ein. Diese von Katharina Seck im Nachwort von „Was wir nicht kommen sahen“ zitierte Umfrage verarbeitet auf drastische Weise einen ...

Jede zweite Person schränkt ihre Internetnutzung wegen digitalen Hasses ein. Diese von Katharina Seck im Nachwort von „Was wir nicht kommen sahen“ zitierte Umfrage verarbeitet auf drastische Weise einen – im Extremfall tödlichen – Missstand in unserer Gesellschaft in Romanform.

Die 18-jährige Ada bekommt jenen Hass, der sich vor allem gegen junge Frauen richtet, als Streamerin mit voller Härte zu spüren. Bis in den Selbstmord treibt sie eine digitale Hetzkampagne gegen ihre Person. Wie konnte es soweit kommen? Was hat man als Eltern übersehen? Diese Frage treibt Adas Jennys Mutter an, die sich auf Spurensuche begibt – in die tiefsten, unvorstellbaren Abgründe von Twitch, Instagram und Co.

Emotional packend schildert Katharina Seck die Ereignisse aus Adas, Jennys und der Perspektive des anonymen Mobs im Internet. Auf unvergleichbare, erschütternde Weise gelingt es ihr, die Gefühlswelt der Protagonisten und Protagonistinnen offenzulegen. Das ist als Leserin oft nicht leicht zu verkraften und zehrt an den Grenzen der emotionalen Belastbarkeit.

Umso wichtiger ist allerdings der ungeschönte Blick auf die harte Realität und was diese aus jenen macht, die ihr zum Opfer fallen. Noch immer sind es vorrangig (junge) Frauen, auf die sich jene Hetzkampagnen und der digital verbreitete Hass entladen, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt. Diesen Umstand arbeitet Seck in ihrem Roman wunderbar heraus – bis es wehtut und die Fassungslosigkeit der Wut weicht. Wut auf ein System mit patriarchalen Strukturen, das Täter begünstigt und in dem das „Nein“ aus dem Mund einer Frau wenig wert ist. Wut auf Behörden, Politik und Institutionen, die einem digitalen, rechtsfreien Raum, in dem Hass und Diskriminierung ungezügelt gedeihen und sich verbreiten können, weiter nichts an Regulatorien entgegensetzen. Gerade jene Wut kann und sollte der Anstoß für Initiativen und erste, wenn auch kleine Schritte zur Veränderung sein, die es so dringend braucht.

Gerade die Authentizität der Figuren, die sich in „Was wir nicht kommen sahen“, in all ihrer Verletzlichkeit präsentieren, macht es leicht, mitzufühlen und in ihrem Sinne auf eine Veränderung zu hoffen und für eine solche aufzustehen. In unser aller Sinn.

Fazit:
Seck ist mit „Was wir nicht kommen sahen“ ein kleines Meisterwerk gelungen, das die Gefahren der sozialen Medien und einer gespaltenen, auf Wut und Hass programmierten Gesellschaft eindringlich, hochemotional und ohne Umschweife zeigt. Eine Pflichtlektüre für alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten. Jugendliche, Eltern, Lehrer und – vor allem – politische Entscheidungsträger, die an den Hebeln der gesetzlichen Veränderung sitzen.

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  • Thema
Veröffentlicht am 17.11.2024

Feministischer True Crime mit gesellschaftskritischem Anspruch

Bright Young Women
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Als von Medien idolisierter „All American Sexkiller“ hat es der US-amerikanische Serienmörder und Sexualstraftäter Ted Bundy zu traurigem Ruhm gebracht. Unvergessen blieben seine grausamen Morde an mindestens ...

Als von Medien idolisierter „All American Sexkiller“ hat es der US-amerikanische Serienmörder und Sexualstraftäter Ted Bundy zu traurigem Ruhm gebracht. Unvergessen blieben seine grausamen Morde an mindestens 30 jungen Mädchen und Frauen zwischen 1974 und 1978. In Vergessenheit gerieten allerdings die Opfer selbst.

Die New-York-Times-Bestseller-Autorin und ehemalige leitende Redakteurin der Frauenzeitschrift Cosmopolitan, Jessica Knoll, geht in ihrem True-Crime-Thriller „Bright Young Women” einen wertvollen Schritt weiter und stellt die Opfer und die Überlebenden in den Mittelpunkt und gibt ihnen eine Stimme, die ihnen von der täter- und sensationsgetriebenen Berichterstattung der Presse weitgehend verwehrt geblieben ist.

Gegen männerdominierte Windmühlen müssen die Protagonistinnen kämpfen, die nicht mehr als Gerechtigkeit für die Opfer eines brutalen Serienmörders wollen, der ihnen ihre beste Freundin und ihre Partnerin genommen hat.

Wahlweise schreien oder weinen will man etwa mit Pamela, die ihre beste Freundin verloren und die Nacht überlebt hat, als der bestialische Serienmörder in das Wohnhaus ihrer Studentinnenverbindung eingedrungen ist. Beklemmend und mit einer meisterhaften emotionalen Tiefe, die mitten ins Herz trifft, schildert Knoll ihren Kampf um Gerechtigkeit.

Gleichzeitig schafft es die Autorin gefühlt mühelos und „nebenbei“ auf die prekäre Situation von Frauen in der Erzählzeit aufmerksam zu machen, die männlichen Tätern einen Vorteil verschafft und Frauen in eine ständige Opferrolle drängt – nicht nur bei der Polizei und vor Gericht, sondern auch im Alltag. Traurig, wie wenig sich noch heute für Frauen in den festgefahrenen patriarchalen, gefährlichen Strukturen geändert hat.

Fazit
„Bright Young Women“ liefert True Crime gepaart mit Gesellschaftskritik. Ein Thriller, der weit über reine Spannung hinausgeht, weiblichen Opfern eine so notwendige Stimme gibt und in seinen Themen um Gleichberechtigung, Justizversagen und der ständigen Suche nach Sensation und fehlgeleiteter Idolisierung traurigerweise aktueller denn je ist. Dieses Buch lässt einen von der ersten bis zur letzten Seite berührt, wütend und fassungslos zurück. Ein wahres, seltenes Meisterwerk.

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  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 28.07.2024

Aufrüttelnde Pflichtlektüre einer lebensgefährlichen Flucht

Die Glücksfrauen - Die Kraft der Bücher
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Die Trilogie „Die Glücksfrauen“ beleuchtet das Schicksal der drei Freundinnen und Exilantinnen Luise, Maria und Anni während des zweiten Weltkriegs. Teil zwei widmet sich der bewegenden Geschichte von ...

Die Trilogie „Die Glücksfrauen“ beleuchtet das Schicksal der drei Freundinnen und Exilantinnen Luise, Maria und Anni während des zweiten Weltkriegs. Teil zwei widmet sich der bewegenden Geschichte von Maria, ihrem Mann Jakob und den gemeinsamen Kindern Noah und Tabea. Um 1939 werden die Zustände in Deutschland für Juden und Jüdinnen immer unerträglicher und die jüdischen Buchhändler müssen der Wahrheit, dass es für sie keine Zukunft mehr in ihrer Heimat gibt, schweren Herzens ins Auge sehen. Die Familie wagt nach langem Zögern die gefährliche Flucht bis nach Brasilien.

Die Geschichte wird über zwei Zeitebenen erzählt. Neben den packenden Erzählungen aus Marias Zeit führt ein weiterer Erzählstrang in die Gegenwart zu Sandra und June, den Enkelinnen von Maria und Luise. Um ihr Erbe antreten zu können, müssen die beiden Annis Nachfahren ausfindig machen und reisen dafür Marias beschwerliche und von Gefahren gezeichnete Fluchtroute quer durch Europa nach.

Vom ersten Wort an schafft es Anna Claire in ihrem historischen Roman, einen in den Bann von Marias Gesichte zu ziehen. Ihr unmittelbarer, berührender Schreibstil katapultiert die Leserin mitten in Marias Gedanken. Bei jeder Ungerechtigkeit und Grausamkeit, die Maria und ihren Lieben widerfährt, zerreißt es einem das Herz, als ob man diese am eigenen Leib erfahren würde.

Man fiebert auf jeder Seite mit Maria mit. Werden sie und ihre Familie die lebensgefährliche Flucht überleben? Werden sie endlich ankommen und sich ein neues Leben aufbauen können? Umso fassungsloser lassen einen die Gräuel zurück, die Maria auch noch über sich ergehen lassen muss, als sie Deutschland bereits verlassen hat – wie auch zahlreiche andere geflüchtete Juden und Jüdinnen.

Trotz der fesselnden Erzählung fällt es ob der bedrückenden, aufwühlenden Thematik oftmals schwer weiterzulesen. Man will sich nicht weiter ausmalen, wie viel Juden und Jüdinnen in dieser Zeit noch über sich ergehen lassen mussten, kann es nicht mehr ertragen. Da kommen die Passagen rund um Sandra und June für eine Verschnaufpause mehr als recht.

Dennoch kann der Erzählstrang aus der Gegenwart nicht mit jenem aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges mithalten. Stellenweise zu aufgesetzt und oberflächlich wirkt das Verhalten von Sandra und June sowie deren persönliche Entwicklung. Zu glatt verläuft etwa die Liebesgeschichte, die sich zwischen Sandra und einem Bestsellerautor entspinnt.

Fazit:
Und doch kann ein leicht schwächelnder Erzählstrang dem Roman in seiner Gesamtheit nichts anhaben. „Die Glücksfrauen – die Kraft der Bücher“ bietet ein berührendes, aufwühlendes Leseerlebnis, das man nicht missen will. Es fühlt sich an, als ob man die beschwerliche Reise gemeinsam mit den Protagonisten und Protagonistinnen angetreten wäre – und man will den Weg mit ihnen definitiv auch im dritten Band der Trilogie weitergehen. Schließlich sind noch einige Fragen zum Verbleib von Marias Familie offengeblieben.

Auch die Thematik könnte – leider – nicht aktueller sein. Wie konnte eine Gesellschaft solche Gräuel zulassen? Wie kann sie es heute zulassen, dass sich Antisemitismus und Rassismus einen Weg in die gesellschaftliche Mitte bahnen? Fragen wie diese schwirren einem nach der Lektüre der Glücksfrauen unaufhörlich im Kopf. Da will man das Buch zur Pflichtlektüre für jeden einzelnen Menschen auf dem Planeten erklären.

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  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 23.06.2024

Packender, raffinierter Rachethriller

Ihr raffiniertes Spiel
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Ein raffiniertes Verwirrspiel, rasante Wendungen und eine packende Hintergrundthematik: Das sind die spannungsgeladenen Zutaten von Ruth Mancinis erstem Thriller „Ihr raffiniertes Spiel“. Eine Frau stürzt ...

Ein raffiniertes Verwirrspiel, rasante Wendungen und eine packende Hintergrundthematik: Das sind die spannungsgeladenen Zutaten von Ruth Mancinis erstem Thriller „Ihr raffiniertes Spiel“. Eine Frau stürzt von der Dachterrasse eines Firmengebäudes. Was zuerst nach einem tragischen Selbstmord aussieht, entwickelt sich schnell zu einem undurchsichtigen Fall für die Londoner Polizei. Mit Tate Kinsella, einer Aushilfe jener Bank, die sich im Gebäudekomplex eigemietet hat, scheint auch eilig die perfekte Schuldige festgenommen. Tate hat die Frau schließlich gekannt und scheint sich auch kurz vor ihrem Tod allein mit ihr am Tatort aufgehalten zu haben – und ein schlüssiges Motiv fördern die Ermittler obendrauf zutage. Doch nichts ist, wie es scheint. Das muss auch Tates Anwältin bald erkennen.

„Ihr raffiniertes Spiel“ zieht einen von der ersten Seite an in den Bann und lässt das Buch durch einen raffinierten Plottwist nach dem anderen lange nicht aus der Hand legen. Glaubt man endlich zu wissen, was wirklich passiert ist, wird man zwei Seiten später eines Besseren belehrt. Das Leseerlebnis gleicht der Fahrt in einer Achterbahn mitten im Geschehen statt nur unbeteiligt daneben.

Groß ist die Enttäuschung dann im ersten Moment, als die rasante Fahrt jäh zu Ende scheint und doch eigentlich alles klar ist. Doch die Ernüchterung währt nicht lange. Im zweiten Teil des Thrillers treten die Motive der Hauptprotagonistinnen zutage – inklusive einer schockierenden Hintergrundstory, die die wahren, aufwühlenden Beweggründe hinter den Handlungen zeigt. Konnte man mit Tate davor lange nicht warm werden, ändert sich das nun schlagartig. Der Nebel, der ihre Persönlichkeit und ihre Motive lange umgab, lichtet sich nun verlässlich und gibt tief bewegende Einblicke in eine verletzte und gleichzeitig so starke Seele.

Fazit:
„Ihr raffiniertes Spiel“ kommt ohne viel Blut aus und überzeugt dennoch wohl auch viele hartgesottene Thriller-Fans. Die rasanten Wendungen und das Hinterherhechten nach der Wahrheit bieten ein spannendes Leseerlebnis, an dem man seine wahre Freude hat und die Welt dieses Buchs nicht so schnell wieder verlassen will. Auch wenn die Rasanz zum Ende hin abnimmt, binden einen die tiefgreifenden Einblicke in die Seelen der Protagonistinnen weiter an den Lesestoff. Alles in allem eine klare Leseempfehlung

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  • Spannung
Veröffentlicht am 22.09.2024

Spannendes Thema, schleppende Umsetzung

Die Abschaffung des Todes
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Was, wenn wir dem Tod von der Schippe springen könnten? Diesem elementaren Thema widmet sich Andreas Eschbach in seinem neuesten Werk „Die Abschaffung des Todes“. Ein Silicon-Valley-Start-up bietet steinreichen ...

Was, wenn wir dem Tod von der Schippe springen könnten? Diesem elementaren Thema widmet sich Andreas Eschbach in seinem neuesten Werk „Die Abschaffung des Todes“. Ein Silicon-Valley-Start-up bietet steinreichen Investoren das ewige Leben an. Eine jener Investorinnen beauftragt den Journalisten James Windover, das Projekt genauer unter die Lupe zu nehmen. Windover stößt nach und nach auf Ungereimtheiten und Verstrickungen, die ihn um sein Leben bangen lassen.

Klingt nach einem spannenden Thriller-Stoff, mit dessen Genrelabel der Verlag Bastei Lübbe die „Abschaffung des Todes“ auch versehen hat – aus meiner Sicht leider nicht zum Vorteil des Buchs. Die Erwartungen, die ich als leidenschaftliche Thriller-Leserin in den Stoff gesetzt habe, wurden nicht erfüllt.

Eschbach hat umfassend zum Thema Neurologie recherchiert. Das hat sich erst interessant gelesen und hat mir einige neue Perspektiven und Denkanstöße geliefert. Nach und nach hatte ich allerdings das Gefühl, dass der Autor jede einzelne Information, die er gesammelt hat, unbedingt unterbringen wollte. Das Ergebnis war eine ausgebremste Handlung und der Verlust von Spannung. Eschbachs sonst lebendiger Schreibstil konnte das auch nicht wettmachen.

Schade, dass nicht auf einige, für die Handlung unerhebliche Fakten verzichtet wurde. Das hätte dem an sich interessanten Thema mit den elementaren Fragen unseres Lebens den Platz eingeräumt, den es verdient hätte.

Fazit
Eine treffendere Genrebezeichnung, hin zu einem Wissenschaftsroman mit philosophischem Anstrich, hätte der „Abschaffung des Todes“ gutgetan und nicht erfüllten Genreerwartungen vorgebeugt. Außerdem hätte der Umfang aus meiner Sicht gut um die Hälfte der umfänglichen, über 600 Seiten gekürzt werden können. Das hätte die Spannungselemente, mit dem Eschbachs Werk durchaus aufwarten konnte, nicht nur punktuell erscheinen lassen. Die Thematik des Buchs hätte viel – leider über weite Strecken verschenktes – Potenzial geboten.

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