Ein echter Kinderbuchschatz mit absolut hinreißenden Figuren
Himbeereis am Fluss„Wenn jemand einen hat, um den er sich kümmern muss, der kleiner und ängstlicher ist, dann ist irgendwie nicht mehr so viel Platz da, um selbst Angst zu haben. Deshalb habe ich mir auch jüngere Geschwister ...
„Wenn jemand einen hat, um den er sich kümmern muss, der kleiner und ängstlicher ist, dann ist irgendwie nicht mehr so viel Platz da, um selbst Angst zu haben. Deshalb habe ich mir auch jüngere Geschwister gewünscht, als ich klein war.“
Ida und Oskar sind Geschwister. Sie leben in einem norwegischen Dorf in einem alten, renovierungsbedürftigem, aber gemütlichen Haus hoch oben auf einem Hügel. Ida muss sich oft um den jüngeren Oskar kümmern, der viele lustige, tolle Ideen hat, sie aber häufig nicht ganz bis zum Schluss durchdenkt. Und dann macht ihr noch ein weiteres großes Problem zu schaffen: Mamas Bruder Onkel Øyvind ist ziemlich krank und alle sind deswegen traurig. Ob Oskar da auch etwas einfällt?
Die Geschichte wird aus Idas Sicht in der ersten Person erzählt. Ida schildert, was nach außen hin passiert, lässt die Leser aber auch an ihren Gedanken dazu teilhaben. Die Geschichte ist wunderbar leicht, lebendig, direkt und bildhaft formuliert, Wortwahl und Satzbau wirken authentisch. Das Buch lässt sich angenehm und flüssig vorlesen. Es ist in elf Kapitel, einzelne Geschichten, unterteilt, die meist in sich abgeschlossen sind. Die Titel der Kapitel sind originell und witzig und machen neugierig.
Auf jeder Seite ist eine bunte, passende Zeichnung abgedruckt, die eine Szene aus der Handlung gut erkennbar in Szene setzt und Interesse weckt. Die Illustrationen der Kinder sehen meist sehr niedlich aus, die Gesichtsausdrücke der Personen sind dabei gut getroffen. Das Buch ist zum Selberlesen und Vorlesen geeignet, richtet sich an Kinder ab sieben Jahren.
Ida und Oskar sind ganz wunderbare, sympathische, liebenswerte Kinder. Ida ist acht Jahre alt, verfügt über ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und weiß genau, was richtig und falsch ist. Sie nimmt Rücksicht auf andere, macht sich oft Sorgen um Oskar und alles andere, denkt viel nach, übernimmt bereitwillig Verantwortung und hadert damit, dass sie älter und größer wird. Immer wieder ist sie hin- und hergerissen, im Zwiespalt, und fragt sich, ob das, was sie tut und fühlt auch angemessen ist. Oskar ist ein echter Sonnenschein. Er sprüht nur so vor Ideen, ist spontan und direkt. Manchmal hat er aber auch Angst und Ida muss ihn beschützen. Ida und Oskar werden sehr einfühlsam und realistisch beschrieben. Sie verbindet eine ganz besondere Geschwisterbeziehung. Und dann sind da noch Mama und Papa, die sehr menschlich und nahbar rüberkommen. Sie sind wie alle Eltern nicht perfekt, kümmern sich aber stets liebevoll um ihre Kinder und geben ihr Bestes. Idas Freunde Arvid und Naia-Maj mit ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten wirken ebenso realistisch.
Mit Oskar wird es nie langweilig, durch ihn wird Idas Leben viel bunter. Er verursacht mit seiner herrlich unbeschwerten Art allerlei Chaos, macht aber auch vieles leichter und erträglicher. Ida muss traurige Erfahrungen durchleben, mit Verlust und Veränderung, dem Großwerden umgehen. Oskar dabei an der Seite zu haben, ist ein großes Glück. Freilich gibt es auch zwischen Ida und Oskar die üblichen Geschwisterkonflikte, die hier auf ganz wunderbar einfühlsame, sensible Weise dargestellt werden. Immer wieder ist es Oskar, der am Ende alles zum Guten wendet und das meist nie so, wie man es erwartet
Maria Parr erzählt mit viel Humor und Herz mitten aus dem Leben, sie hat ein Händchen für Figuren, die einfach nur absolut hinreißend sind und die man sofort gernhaben muss. „Himbeereis am Fluss“ ist ein bezaubernder Kinderbuchschatz, der beim gemeinsamen Lesen bestimmt Anlass für viele spannende Gespräche gibt. Wir haben uns in Ida und Oskar, die uns so bekannt vorkommen, uns so nahe sind, sofort verliebt und wünschen uns, sie noch länger begleiten zu können.