Cover-Bild Acqua alta
(4)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
23,00
inkl. MwSt
  • Verlag: mareverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 208
  • Ersterscheinung: 20.02.2024
  • ISBN: 9783866487086
Isabelle Autissier

Acqua alta

Kirsten Gleinig (Übersetzer)

2021: Venedig ist von den Wassermassen eines letzten Acqua alta verschlungen worden. Guido Malegatti, einer der Überlebenden, fährt mit dem Boot durch die Ruinen, auf der Suche nach Frau und Tochter. Zwei Jahre zuvor: Angesichts des drohenden Meeresspiegelanstiegs bahnt sich der Konflikt innerhalb der Familie an. Guido als Wirtschaftsrat schwört auf den Tourismus und die Segnungen der Technik. Seine Frau Maria Alba schwelgt in der vergangenen Pracht einer Stadt am Rande des Zusammenbruchs. Und ihre 17-jährige Tochter Léa wird in dem Versuch, die geliebte Stadt zu retten, zur Gegnerin ihres Vaters.
Isabelle Autissier entwirft das so dramatische wie realistische Szenario vom Untergang Venedigs. Mitreißend zeichnet sie der Perspektive dreier Familienmitglieder nach, wie es zur Katastrophe kommt, und stellt uns alle vor die Frage: Wie würde ich mich verhalten?

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.06.2024

Vom Ende der Serenissima

0

Venedig - für mich ein Sehnsuchtsort, an den ich immer wieder gern zurückkehre. Der Untergang dieser verletzlichen und wundervollen Stadt voller Geschichte und Geschichten ist ein Albtraum. In „Acqua Alta“ ...

Venedig - für mich ein Sehnsuchtsort, an den ich immer wieder gern zurückkehre. Der Untergang dieser verletzlichen und wundervollen Stadt voller Geschichte und Geschichten ist ein Albtraum. In „Acqua Alta“ wird er zur Realität. Die Stadt bricht unter dem Druck einer Flutwelle zusammen. Es bleiben Trümmer, Staub und die Erinnerung an das, was einmal die schönste und auch mächtigste Stadt der Welt war. Auf jeder Seite weht dem Leser die Liebe zur Stadt, die Verzweiflung ob des drohenden Untergangs und die Wut darüber, sehenden Auges ins Unglück zu rennen, entgegen. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Guido, Maria Alba und Léa. Eine Familie, die der Kampf um das Überleben Venedigs auseinander reißt. Guido, der aus einfachen Verhältnissen stammt und es bis ins Wirtschaftsministerium der Stadt gebracht hat, geht es um Geld, Macht und Wählerstimmen - vor allem vom Festland. Die Stadt muss immer weiter ausgepresst, „die Ströme“ maximiert werden. Seine Frau Maria Alba, Nachfahrin einiger Dogen, verliert sich in dem Traumgebilde vergangener Zeiten. Léa schließt sich Aktivisten an, um die Stadt zu retten. Klar und in toller Sprache entsteht das Bild einer zerrissenen Familie vor der Kulisse einer Stadt am Abgrund. Alles spitzt sich auf eine Katastrophe zu. Als Guido durch die Trümmer der zerstörten Stadt irrt, sehe ich mich im Geiste mit ihm verschütteten Plätzen und Palazzi nachspüren. Die Trauer und Wut überträgt sich auf den Leser. Doch Guidos Verzweiflung hält nicht lange an, schnell kommt ihm der Gedanke wie selbst aus dem Resten der Lagunenstadt noch Profit zu schlagen ist. Das macht mich wütend und entsetzt mich. Ein sehr gut recherchierter und geschriebener Roman über Venedig, der zum Nachdenken über den Ausverkauf dieses so besonderen Ortes anregt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.03.2024

Wahrgewordener Albtraum

0

Mit den Romanen der ehemaligen Weltumseglerin und Vorsitzenden des WWF Frankreich, der 1956 geborenen Französin Isabelle Autissier, reist man weit: nach Südgeorgien mit "Herz auf Eis", an die äußersten ...

Mit den Romanen der ehemaligen Weltumseglerin und Vorsitzenden des WWF Frankreich, der 1956 geborenen Französin Isabelle Autissier, reist man weit: nach Südgeorgien mit "Herz auf Eis", an die äußersten Grenzen Sibiriens mit "Klara vergessen" und nun mit "Acqua Alta" nach Venedig. Allerdings liegt die Lagunenstadt schon monatelang in Trümmern, als der Roman 2021 einsetzt:

"Der Nebel steht den Ruinen gut. Er säumt die Risse im Gestein, aus dem nutzlos gewordene Stahlträger hervorragen. Er verschleiert die Trostlosigkeit eines eingestürzten Erkers, eines klaffenden Daches, einer Fassade, aus der die leeren Fenster wie tote Augen starren." (S. 5)

Das unglückliche Zusammentreffen von Hochwasser und Sturm hat zu dem geführt, was viele aufgrund von Bauboom, Massentourismus und Klimawandel längst prophezeiten: dem Untergang der jahrhundertealten Welterbestadt.

Familie Malegatti
Durch die menschenleeren Kanäle steuert ein einsamer Mann sein Boot: Guido Malegatti, Visionär und Macher aus kleinbäuerlichen Verhältnissen an der Küste, dessen Stern in den letzten Jahrzehnten in Venedig kometenhaft aufging: erfolgreicher Bauunternehmer, Heirat mit einer stillen, ganz dem alten Venedig verbundenen Frau aus verarmtem Hochadel und als Krönung gewählter Abgeordneter und Wirtschaftsrat. Wie durch ein Wunder hat er schwerverletzt das Inferno auf seiner Terrasse im dritten Stock überlebt, während die Leiche seiner Frau Maria Alba nie gefunden wurde. Sein Glaube an Fortschritt, Wachstum und Technik war grenzenlos:

"Ich glaube nicht an die Geschichten von der untergehenden Stadt oder der sterbenden Lagune, und selbst wenn es so kommen sollte, dann wird man Lösungen finden. Wir sind schließlich auch auf den Mond geflogen, da machen uns doch wohl ein paar Zentimeter Wasser keine Angst." (S. 185)

Als Stachel in Guidos Fleisch entpuppte sich im Jahr vor der Katastrophe zunehmend seine 17-jährige Tochter Léa. Von der Mutter mit ihrer tiefen Liebe zu Venedig infiziert, erkannte sie während ihres Architekturstudiums schlagartig die Fragilität der Stadt und die Verursacher ihrer Bedrohung. Während ihr Vater auf eine weitere Zunahme der Touristenströme setzte und unbegrenztes Vertrauen in das 2020 eröffnete milliardenschwere Flutschutzsystem MO.S.E. hatte, wurde bei ihr aus anfänglichem Entsetzen Wut, die Studentin aus gutem Hause mutierte zur militanten Aktivistin.

Ein belletristisches Sachbuch
Faszinierend an "Acqua Alta" ist für mich die Mischung aus Sachbuch und Roman, die der wie immer herausragenden Erzählerin Isabelle Autissier vorzüglich gelingt, auch wenn dies unweigerlich zu einem Kompromiss bei der Tiefe und Kompexität der Charaktere führt. Poetische Teile über die Schönheit Venedigs wechseln sich ab mit Daten und Fakten zur Lage der Stadt, im Hintergrund schwingt die Corona-Epidemie mit. Neben Venedig und der Lagune sind – wie immer in ihren Romanen – das Meer und Menschen in Ausnahmesituationen zentral, hier drei antagonistische Mitglieder einer Familie und ihre unvereinbaren Standpunkte.

Nicht nur Venedig
Auch wenn es in "Acqua Alta" vordergründig „nur“ um Venedig geht, steht die Stadt doch symbolisch für die Entwicklung des Klimas, die Umweltzerstörung, das Wegschauen und die Arroganz menschlichen Ehrgeizes weltweit. Dies faktenbasiert und ruhig ins Bewusstsein zu rücken, um im besten Fall ein Nachdenken über eigenes Verhalten zu erreichen, schafft diese fesselnde, gut geschriebene und trotz des vorweggenommenen Endes spannende Dystopie, die nah an der Realität und trotzdem hoffentlich Fiktion bleibt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.06.2024

Der Untergang Venedigs

0

Der Roman „Acqua Alta“ zu deutsch „Hochwasser“ nimmt eine mögliche Zukunft Venedigs schon auf den ersten Seiten vorweg. Eine Flutwelle zerstört die Stelzenstadt , und daran kann auch das gigantisch große ...

Der Roman „Acqua Alta“ zu deutsch „Hochwasser“ nimmt eine mögliche Zukunft Venedigs schon auf den ersten Seiten vorweg. Eine Flutwelle zerstört die Stelzenstadt , und daran kann auch das gigantisch große und teure Sturmflutsperrwerk M.O.S.E nichts mehr ändern. Dieses ambitionierte Bauwerk gibt es wirklich und auch die Proteste seiner Gegner, wie z.b den Umweltschutzverbänden, die das Stellwerk für wenig umweltverträglich und veraltet halten. All das ist Thema in dem Buch der französischen Autorin Isabelle Autissier. Der Roman hat also durchaus auch Züge eines Sachbuchs und es war spannend und interessant immer wieder selbst nachzurecherchieren, um dann wieder zum Roman zurückzukehren.

Wir begleiten die Familie Malegatti kurz vor Beginn der Pandemie, wo die Geschichte ihren Anfang nimmt. Vater Guido ist Wirtschaftsrat der Stadt, der den Tourismus weiter ankurbeln möchte und der fest an die Segnungen der Technik glaubt, Mutter Maria Alba, verarmtes venezianisches Adelsgeschlecht, lebt immer ein bisschen in der Pracht der Vergangenheit und Tochter Léa, 17 Jahre jung und rebellisch nimmt eine radikale Gegenposition zu ihrem Vater ein und möchte sich auf ihre Weise für ihre Stadt einsetzen.

Der Konflikt, insbesondere zwischen Vater und Tochter spitzt sich immer weiter zu, bis es zur unvermeidlichen Katastrophe kommt.

Das Buch war sprachlich schon eine Freude zu lesen, sehr atmosphärisch und sehr klug ausformuliert aber auch inhaltlich werden viele Denkanstöße gegeben.

Ohne Zweifel es könnte genauso kommen, wie in dem Roman beschrieben und dass, nicht in einer fernen Zukunft, sondern vielleicht schon bei einem der nächsten Hochwasser, die mit dem Klimawandel wohl immer häufiger und heftiger ausfallen werden. Insofern hinterlässt das Buch große Trauer und Desillusionierung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.02.2024

Der Untergang Venedigs im Namen des Profits?

0

Mit einem düsteren Ereignis greift Autissier der Zukunft voraus – 2021 ist Venedig von einer Flutwelle zerstört worden.
Guido Malegatti hat das Unglück schwer verletzt überlebt und fährt Monate später ...

Mit einem düsteren Ereignis greift Autissier der Zukunft voraus – 2021 ist Venedig von einer Flutwelle zerstört worden.
Guido Malegatti hat das Unglück schwer verletzt überlebt und fährt Monate später mit einem Boot durch die zerstörte, menschenleere Stadt, vorbei an eingestürzten Palazzi, zertrümmerten Gondeln, die Seitenkanäle verstopfen, und einem Haufen Schrott, der einst der stolze Dogenpalast war. Er ist auf der Suche nach seiner Tochter, die seit dem Unglück verschwunden ist.
Zwei Jahre zuvor. Die Familie Malegatti liebt Venedig, jeder auf seine Weise. Guido, Sohn armer Bauern, hat es aus eigener Kraft geschafft, er ist erfolgreicher Bauunternehmer und Wirtschaftsrat im Stadtrat, hat Macht, Einfluss und Geld. Um die Brücken, Denkmäler und Kanäle instandzuhalten, will er noch mehr Touristen anlocken, noch mehr Mietwohnungen in Airbnbs umwandeln. Seine Frau Maria Alba entstammt der venezianischen Aristokratie, Venedig ist ihre einzige wahre Liebe und sie scheint teilnahmslos in der glanzvollen Vergangenheit verhaftet, ohne sich für die Nöte der Stadt zu interessieren. Ganz anders ihre Tochter Léa. Während des Architekturstudiums erkennt die Fragilität ihrer Stadt, die jedes Jahr um mehrere Millimeter sinkt. Sie erkennt aber auch, dass falsche politische Entscheidungen und fragwürdige Baumaßnahmen den Untergang beschleunigen. Als Umweltaktivistin macht sie auf die Probleme aufmerksam, will etwas verändern und überwirft sich mit ihrem Vater.

Autissier zeigt uns anhand vieler Fakten, wie schlimm es tatsächlich um die altersschwache, stolze Serenissima steht. Die Malgattis sind hier nur stellvertretend für die typischen Positionen, die wir Menschen im fortschreitenden Klimawandel einnehmen. Dass ihre Figuren dadurch sehr stereotyp geraten und Klischees bedienen, ist sicher der Kürze des Romans geschuldet.

Problematisch hingegen fand ich das Frauenbild, das sie zeichnet, ohne es zu reflektieren. Ich haderte auch immer wieder mit dem angestaubten auktorialen Erzähler. Was das Buch aber absolut lesenswert macht, sind die erschreckenden Fakten. Dieses einmalige sensible Ökosystem der Lagune, das Jahrhunderte lang funktionierte und nun in rasender Geschwindigkeit zerstört wird. Ob nun durch das umstrittene Flutsperrwerk MO.S.E., die verheerenden Folgen der Kreuzfahrtschiffe oder der schädliche Massentourismus und das damit anwachsende Müllproblem. Das alles beschleunigt den unausweichlichen Untergang Venedigs. Berechnungen von Wissenschaftlern zeigen, dass bereits Ende des Jahrhunderts die Stadt unter Wasser stehen wird. Das fühlt sich an, wie einem Menschen beim Sterben zuzuschauen.

Manche Bücher müssen literarisch nicht perfekt sein, können aber eine unvergessliche, berührende Wirkung haben – wenn man bereit ist, der Wahrheit endlich ins Auge zu blicken. Acqua Alta ist so ein Buch. Es schockiert, rüttelt wach, macht traurig, wütend und nachdenklich. Auch wenn sich Autissier jeder Wertung enthält, kommt man als Leser nicht umhin, mit sich zu ringen, will man anteilnahmslos zusehen, weiterhin Teil des schädlichen Massentourismus sein oder Teil der Lösung werden.
Ich habe viel recherchiert und einige Dokus dazu angeschaut. Mir war nicht bewusst, wie es um Venedig steht. Und es macht mich traurig, wie wir Menschen sehenden Auges die Stadt systematisch und wider besseren Wissens zerstören, statt sie für zukünftige Generationen zu bewahren.
Und das nächste Acqua Alta wird kommen – sehr bald sogar.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere