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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.11.2020

Realistisch, aktuell, informativ, spannend - ein Krimi mit "Alles drin" sozusagen

Kreuzberg Blues
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Schon lange hatte ich vor, endlich mal einen Dengler-Krimi zu lesen, kenne bis jetzt aber nur ein paar Verfilmungen, so dass Dengler und Olga beim Lesen vor meinem inneren Auge wie Ronald Zehrfeld und ...

Schon lange hatte ich vor, endlich mal einen Dengler-Krimi zu lesen, kenne bis jetzt aber nur ein paar Verfilmungen, so dass Dengler und Olga beim Lesen vor meinem inneren Auge wie Ronald Zehrfeld und Birgit Minichmaier aussahen. Im Frühjahr hatte ich dank Vorablesen den Krimi "Der freie Hund" gelesen, den Schorlau zusammen mit einem Co-Autor verfasst hat. Auch das ein spannender politischer Krimi, aber verglichen mit Kreuzberg Blues doch eher zahm.
Hier wird richtig harter Tobak geboten, es geht um Miethaie verschiedener Ausprägung und deren äußerst fragwürdige Geschäftspraktiken.
Dengler und Olga kommen nach Berlin, um einer Freundin von Olga zu helfen, die von Immobilienspekulanten aus ihrer günstigen Kreuzberger Mietwohnung hinausgeekelt werden soll. 3 Firmen spielen sich dabei gegenseitig in die Hände: die Deutsche Eigentum, Kröger Immobilien und Blackhill - unschwer zu erkennen die Anspielung auf die Deutsche Wohnen und BlackRock. Da wird nicht davor zurückgeschreckt, aggressiv gezüchtete Ratten im Hausflur auszusetzen oder im Winter die Fenster auszubauen. Erschreckend realistisch wird die Lage auf dem Wohnungsmarkt dargestellt. Und dass er so nah an der Realität ist. macht diesen Politkrimi so spannend. Dengler und Olga ermitteln teils zusammen, teils separat jeder auf seine eigene Art. Spannung entsteht dadurch, dass mehrere parallel stattfindende Ereignisse abwechselnd geschildert werden und Schrecken, weil sich einem die skrupellosen Strategien dieser Spekulanten allmählich immer mehr erschließen. Und dann noch eine geheimnisvolle Organisation von Verfassungsschützern und Mitarbeitern des Innenministeriums, die sich selbst scherzhaft als Zentralkomite bezeichnen, unauffällig im Hintergrund arbeiten, um ihre deutschnationalen Ziele voranzubringen. Ob das eine reale Grundlage hat, weiß ich zwar nicht, wundern würde es mich jedoch nicht.
Ein realistischer Krimi am Puls der Zeit, spannend und zum Nachdenken anregend - äußerst lesenswert!

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Veröffentlicht am 15.07.2024

Ein unterhaltsamer Coming of Age-Roman aus Irland

Die Sache mit Rachel
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Cork, Irland, 2010 zur Zeit der Finanzkrise: Rachel, 20jährige Tochter aus gutem (verarmten) Hause, muss sich ihr Studium selbst finanzieren, denn die elterliche Zahnarztpraxis läuft zu Zeiten der Rezession ...

Cork, Irland, 2010 zur Zeit der Finanzkrise: Rachel, 20jährige Tochter aus gutem (verarmten) Hause, muss sich ihr Studium selbst finanzieren, denn die elterliche Zahnarztpraxis läuft zu Zeiten der Rezession gar nicht mehr gut.
Sie lernt den versteckt-schwulen James Devlin kennen, die beiden verstehen sich bombig, erkennen sich als Seelenverwandte, werden beste Freunde und teilen sich eine heruntergekommene, billige Wohnung. Rachel schwärmt für ihren Literaturpofessor, und da sie und James in einem Buchladen jobben, beschließen sie, eine Lesung für Professor Byrne mit seinem neusten Buch (einem wissenschaftlichen Werk) zu organisieren, damit Rachel ihm näher kommen kann. Aber alles kommt ganz anders...doch immerhin bittet der seine Frau Deenie, die als Verlagslektorin arbeitet, Rachel als Praktikantin mit Niedrigstlohn einzustellen, denn diese hofft dadurch ihrem Berufsziel ("Irgendwas mit Büchern") etwas näher zu kommen und dann taucht ein weiterer Protagonist auf, James Carey wird Rachels Boyfriend und große Liebe. Zwischen diesen 5 Persone spielen sich größere Dramen ab. Der Roman spielt auf 2 Zeitebenen, 2010 und 2022. In dieser Zeit verändert sich Rachel und wird allmählich erwachsen.
Der Schreibstil liest sich flüssig und unterhaltsam, ist dabei aber nicht seicht. Typisch irische Probleme werden angesprochen, wie die Wirtschaftskrise, die verklemmte Haltung gegenüber Homosexualität bis in die heutige Zeit und die Illegalität von Abtreibungen bis in die Zehner Jahre. Die Sprache ist deutlich deftiger und frecher als in den "Frauen- und Liebesromanen" der Marken Harlequin et.al. und es hat mir Spaß gemacht, Rachels Entwicklug und ihren Gedankengängen zu folgen, auch wenn ich nicht alle ihre Handlungsweisen nachvollziehen konnte. Eine interessante und fesselnde Lektüre!

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Veröffentlicht am 26.06.2024

Krimi um eine dysfunktionale Familie

Toskanisches Verhängnis
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Ich kenne die ersten beiden Bände der Serie noch nicht, bin aber problemlos in die Geschichte dieses Krimis hineingekommen. Hauptfigur ist der New Yorker Ex-Cop Nico Doyle, der sich nach dem Tod seiner ...

Ich kenne die ersten beiden Bände der Serie noch nicht, bin aber problemlos in die Geschichte dieses Krimis hineingekommen. Hauptfigur ist der New Yorker Ex-Cop Nico Doyle, der sich nach dem Tod seiner italienisch-amerikanischen Ehefrau in deren Heimatort in der Toskana niedergelassen hat. Dort arbeitet er inzwischen als Koch in der Trattoria der Cousine seiner Frau, hilft aber auch öfter mal ehrenamtlich seinem Freund, dem Carabinieri-Maresciallo Perillo bei der Aufklärung von kniffligen Mordfällen.
In den neuesten Fall ist eine englische Lady verwickelt, weshalb Nicos Dienste auch als Dolmetscher gefragt sind. Diese Miss Barron weilte auf dem Landsitz von Nora Salviati, die sie dann eines Nachts tot auf ihrem Klavier liegend auffand und die Polizei verständigte. Der Fall ist ziemlich kompliziert, es gibt jede Menge Verdächtige mit teils unklaren Motiven (die Töchter des Mordopfers, deren Partner, alle Mitglieder einer befreundeten Familie, Miss Barron), die Ermittlungen der Polizisten führen immer wieder in andere Richtungen und leider auch meistens ins Leere.
Das wird spannend, humorvoll und unterhaltsam geschildert, außerdem spielt auch das Privatleben von Nico eine Rolle. Dadurch gewinnt man Einblicke in das Dorfleben, seine Beziehungen, seine Arbeit und damit verbunden auch viel Lokalkolorit, speziell hinsichtlich von Essen und Wein. Also genau das Richtige für Fans von Cosies und Regionalkrimis.

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Veröffentlicht am 25.04.2024

Eine Designer-Handtasche als Mordmotiv

Der blaue Salamander
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Auf Capri - und wirklich nur dort, auf einem kleinen vorgelagerten Felsen - gibt es eine blaue Eidechse, deren Hautfarbe sich an den blauen Farbton ihrer Umgebung angepaßt hat und die fälschlicherweise ...

Auf Capri - und wirklich nur dort, auf einem kleinen vorgelagerten Felsen - gibt es eine blaue Eidechse, deren Hautfarbe sich an den blauen Farbton ihrer Umgebung angepaßt hat und die fälschlicherweise als "blauer Salamander" bezeichnet wird. Und aus deren Leder wurde einst eine blaue Designer-Handtasche gefertigt, von der es nur ein oder zwei Exemplare gibt - eins gehört einer reichen alten Dame auf Capri, einer ehemaligen Schauspielerin, und eins möglicherweise einer anderen, weltberühmten Schauspielerin ... Die einheimische Modemacherin Rosalinda interessierte sich sehr für diese Tasche. Musste sie deshalb sterben?
Ich habe schon einige Bände dieser Krimireihe gelesen, nicht alle, aber das macht nichts, man kommt in die abgeschlossenen Geschichten hervorragend hinein, auch ohne Vorkenntnisse. Das sympathische Ermittlerteam - der einheimische Enrico Rizzi und die zugezogene, aus Norditalien strafversetzte Antonia Cirillo - bringen ihre unterschiedlichen Qualitäten ein, um den Fall aufzuklären. Natürlich wird den "Dorfpolizisten" die Ermittlung wieder entzogen, zuständig sind in einem Mordfall die Kollegen der Kripo Neapel. Denen fehlt es aber leider an genaueren Kenntnissen der lokalen Gegebenheiten und Menschen, denn in Capri kennt jeder jeden, und Agente Rizzi geht mit viel Empathie an den Fall heran. Er ist entsetzt, dass der Straßenkehrer Salvatore, der die Tote gefunden hat, des Mordes verdächtigt wird. Rizzi findet, dass die neapolitanischen Kollegen es sicht etwas zu leicht machen. Cirillo ist etwas offener für Ermittlungen in alle Richtungen. Im Endeffekt ergänzen sich die beiden sehr gut und klären den Mord schließlich auf.
Ein relativ ruhig verlaufender Krimi, der aber trotzdem spannend ist und mit einer unerwarteten Wendung aufwartet. Es gibt viel Lokalkolorit, nicht nur auf Capri, sondern auch bei Ausflügen der Ermittler nach Neapel, wo sie auf die Lösung des Rätsels stoßen. Man erfährt einiges über die Mode-, bzw. Handtaschenindustrie, und ein paar wohldosierte Neuigkeiten aus dem Privatleben von Cirillo und Rizzi, wobei aber immer der Fall im Vordergrund bleibt. Gewürzt wird das Ganze durch ausdrucksvolle Natur- und Ortsbeschreibungen, wie es sich für einen Regionalkrimi gehört. Eine runde Sache, ein Krimi, den ich gern gelesen habe und der mich gut unterhalten hat. Auch optisch - wie immer bei Diogenes - sehr schön gestaltet. Eine ideale Urlaubslektüre!

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Veröffentlicht am 26.03.2024

Aufstieg und Falleiner plagiierenden Bestsellerautorin

Yellowface
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In dieser Satire zum Thema kulturelle Aneignung geht es um die beiden Studienfreundinnen June (Juniper) Hayward und Athena Liu. Beide sind Schriftstellerinnen, allerdings unterschiedlich erfolgreich. Athena, ...

In dieser Satire zum Thema kulturelle Aneignung geht es um die beiden Studienfreundinnen June (Juniper) Hayward und Athena Liu. Beide sind Schriftstellerinnen, allerdings unterschiedlich erfolgreich. Athena, chinesisch-stämmige Amerikanerin ist ein junger Shooting Star der Literarurszene, während Junes Debutroman ein Rohrkrepierer war. Die beiden feiern Athenas Netflix-Vertrag, trinken viel, backen sich irgendwann Pancakes - und Athena verschluckt sich daran und erstickt. In dieser schrecklichen und emotionalen Situation lässt sich June dazu hinreißen, Athenas gerade fertiggestelltes, neuestes Manuskript an sich zu nehmen!
Und dann bearbeitet sie es und gibt es schließlich als ihr eigenes Werk aus. Das Problem ist nur, dass es sich um ein sehr chinesisches Thema handelt, und jeder sich wundert, warum eine junge, weiße Amerikanerin einen Roman über die Ausbeutung chinesischer Zwangsarbeiter während des
ersten Weltkriegs schreibt!
Nichtsdestotrotz wird das Buch ein großer Erfolg und June, die sich auf Betreiben ihres Verlags hin nun Juniper Song nennt, ist plötzlich reich und berühmt, eine einflussreiche Persönlichkeit. Sie kann ihr Glück kaum fassen und verfolgt eifrig, wie sie in den sozialen Medien ein Star wird. Was sie getan hat, redet sie sich vor sich selber schön (sehr viel im Roman stammt doch von ihr und außerdem wäre der doch sonst gar nicht veröffentlicht worden, sie hat Athena einen Gefallen getan, etc.) Sie liest jede einzelne User-Rezension und reagiert sehr empfindlich darauf, wenn sie weniger als 5 Sterne bekommt. Und dann schlägt plötzlich die Stimmung um, es kommen Gerüchte auf, dass sie das Buch gar nicht verfasst habe, man wirft ihr kulturelle Aneignung vor, kritisiert ihren Stil als kolonialistisch und rassistisch.
Diese Geschichte zeigt sehr gut diesen Stimmungswandel ihr gegenüber, nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch bei den Verlagsmitarbeitern, die anfangs noch zu ihr halten, dann aber doch auch von der allgemeinen Stimmungsmache beeinflusst werden, und man selbst als Leser ändert beim Lesen auch ständig seinen Standpunkt.
Man erfährt sehr viel über das moderne Verlagswesen, von der Meinungsmache und dem Einfluss der sozialen Medien und die Autorin schafft es, relevante gesellschaftliche Themen anzusprechen und dabei trotzdem gut zu unterhalten.
Im Mittelteil hätten für meinen Geschmack ein paar Kürzungen gut getan, aber insgesamt eine informative, interessante und amüsante Lektüre.

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