Kriegstraumata
Die Frühstücksfrauen - Ein Geheimnis in PommernGleich vorweg: Das Cover ist zwar schön, passt jedoch inhaltlich nicht wirklich zu dieser Geschichte, die kein leichter Wohlfühlroman ist. Es geht nämlich um die Flucht vor der roten Armee aus Pommern ...
Gleich vorweg: Das Cover ist zwar schön, passt jedoch inhaltlich nicht wirklich zu dieser Geschichte, die kein leichter Wohlfühlroman ist. Es geht nämlich um die Flucht vor der roten Armee aus Pommern und wie diese Traumata an die nächsten Generationen weitergegeben wird. Ein Thema, welches mich oft beschäftigt. Meine Eltern sind zwar nicht aus Pommern und die Familie meines Vaters musste nicht flüchten, die meiner Mutter wurde jedoch aus Mähren (ehemalige Tschechoslowakei) vertrieben. Meine Eltern erlebten den zweiten Weltkrieg als junge Erwachsene bzw. Teenager mit. Und ich bin mir sicher, dass ihre Verhaltensweisen sehr durch den Krieg geprägt wurden und diese Traumata auf eine Weise an die nächste und übernächste Generation weitergegeben wird.
Aber genug gequassselt. Worum geht es genau in "Die Frühstücksfrauen"?
Die titelgebenden Frühstücksfrauen sind eine Runde junger Mütter, die sich vor einigen Jahren kennengelernt haben und Freundinnen geworden sind. Dabei hat jede von ihnen einen anderen Background. Für den Inhalt des Romans sind diese monatlichen Treffen jedoch nur ein Randthema, denn es geht hier um sehr viel mehr!
In "Ein Geheimnis in Pommern" lernen wir Marlene kennen. Ihr Mann hat sie vor noch nicht allzu langer Zeit wegen einer anderen Frau verlassen. Die gemeinsame Tochter, die fünfjährige Paola, lebt bei der nun alleinerziehenden Marlene, deren Mutter Editha an beginnender Demenz leidet. Diese verliert sich immer mehr in Kindheitserinnerungen und ist eine verbitterte alte Frau, die im Pflegeheim lebt. Das Verhältnis zwischen ihr und Marlene war nie wirklich gut. Die Vergangenheit wurde nie aufgearbeitet und Editha war Marlene gegenüber nie liebevoll. Umso überraschter ist Marlene, als ihre Mutter von ihr möchte, dass sie eine Schatulle aus ihrem ehemaligen Elternhaus in Pommern, dem heutigen Polen, holt. Marlene hält die Idee für abwegig, denn in den letzten siebzig Jahren ist kaum ein Stein auf den anderen geblieben. Steht das ehemalige Elternhaus überhaupt noch? Was würden die momentanen Besitzer wohl sagen, wenn sie dort plötzlich auftaucht und nach einer Schatulle sucht, die sicher nicht mehr vorhanden ist?
Trotzdem macht sich Marlene auf in die alte Heimt ihrer Mutter, von der sie so überhaupt keine Ahnung hat. Gemeinsam mit der toughen Alix, eine der Frühstücksfrauen, beginnen sie ihre Reise ins Ungewisse....
Neben den Ereignissen in der Gegenwart, reisen wir auch in die Vergangenheit. In den Kapiteln, die mit "Editha" gekenntzeichnet sind, erleben wir die Geschichte aus der Sicht des damals erst achtjährige Mädchens und ihrer Familie während den Kriegsjahren. Sind die ersten Jahre am Land in Hinterpommern noch relativ ruhig gewesen, ändert sich das sehr schnell, als die deutsche Wehrmacht den Rückzug antritt und die rote Armee einfällt. Die Bewohner der Region müssen Hals über Kopf fliehen und alles zurücklassen. Die Erlebnisse der Flucht sind sehr bewegend geschildert und haben mich tief berührt.
Es ist nicht die erste Geschichte, die ich lese, die von der Flucht vor der roten Armee erzählt. Immer wieder bin ich entsetzt über die Strapazen und die Grausamkeit, die Willkür und die Verzweiflung der Menschen.
Marlene kommt der Vergangenheit ihrer Mutter nach und nach auf die Spur. Ihre Reise in der Gegenwart und ihre Recherche in Polen war mir jedoch ein bisschen zu leicht und zu unglaubwürdig. Hier lief mir vieles zu glatt, was wohl auch an der Straffung des Inhaltes liegt.
Als Protagonistin entwickelt sich Marlene hingegen von einer unsicheren und von Selbstzweifeln geplagten Frau zu einem stärkeren und selbstbewussteren Menschen. Zusätzlich erfährt sie endlich etwas über ihre Wurzeln und kann ihre Mutter und deren Sprachlosigkeit, wie auch ihre strenge Art, ein bisschen besser verstehen.
Der Schreibstil ist flüssig, fesselnd und emotional. Eva Seifert erzählt bildhaft und mitreißend.
Obwohl an manchen Stellen die Handlung etwas zu glatt läuft, tut das der Geschichte keinen Abbruch. Wie fast immer bei Romanen auf zwei Zeitebenen, habe ich auch hier den Vergangenheitsstrang lieber gelesen.
Fazit:
Ein bewegender Roman auf zwei Zeitebenen, dessen Titel und Cover eine leichte und vorallem andere Geschichte vortäuschen. In den Frühstücksfrauen geht es jedoch um Vertreibung und Flucht der Kriegskinder und der (nicht vorhandene) Aufarbeitung der Vergangenheit, sowie die Traumata der nächsten Generation(en). Mich hat der Roman - trotz der kleinen Kritikpunkte - sehr bewegt und empfehle ihn gerne weiter!