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Veröffentlicht am 25.04.2022

Rundum gelungener Saga-Auftakt

Die Radioschwestern
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Den Klängen aus dem Rundfunkgerät lauschen – 1927 war dies eine ganz neue, eine faszinierende Welt, die über den Äther direkt ins Wohnzimmer kam. Nicht nur Nachrichten, auch Musik und Hörspiele waren ganz ...

Den Klängen aus dem Rundfunkgerät lauschen – 1927 war dies eine ganz neue, eine faszinierende Welt, die über den Äther direkt ins Wohnzimmer kam. Nicht nur Nachrichten, auch Musik und Hörspiele waren ganz nah. Interessante Reportagen wechselten sich ab mit Sportereignissen - die Hörer waren live dabei.
Der erste Teil rund um „Die Radioschwestern – Klänge einer neuen Zeit“ bildet den Auftakt zur Trilogie rund um dieses großartige Medium.

Schon das Cover ist so reizvoll, da konnte ich als absoluter Radio-Freak nicht widerstehen. Die drei Hauptdarstellerinnen Inge, Gesa und Margot – was sie wohl gerade hören? Sie arbeiten beim Südwestdeutschen Rundfunk und sie alle haben ihre Träume. Ob es Inge gelingen wird, ihre Sangeskarriere voranzutreiben? Margot, die sich als Cellistin etablieren will, werden genug Steine in den Weg gelegt – ist die Zeit schon reif für eine Frau inmitten eines männerdominierten Rundfunkorchesters? Und Gesa, die dritte im Bunde, will nichts lieber als Hörspielsprecherin sein. Drei starke Frauen – Freundinnen, die sich gegenseitig stützen. Ich begleite sie durch dieses wundervolle Buch.

Eva Wagendorfer erzählt von den Anfängen des Rundfunks, sehr informativ und kurzweilig. Die Geschichte um die Freundinnen verwebt sie geschickt mit der des Radios, lässt tief hinter die Kulissen blicken. Ein Hörspiel damals war live - mit allem Drum und Dran. Hier wird z. B. ein Krimi in acht Teilen vorbereitet und nach langen Proben gesendet, jeder einzelne der Charaktere hat seine ganz individuelle Note, auch die Geräusche müssen passen – es muss echt und glaubhaft sein. Die Hörer daheim lauschen gebannt dem Geschehen und genau so gespannt verfolge ich diese lesend.

Die Radionachrichten am Anfang eines jeden Kapitels haben das gewisse Etwas. Sie berichten von Frauen, die herausragten – heute noch bekannte Namen wie etwa eine Episode um Käthe Kollwitz oder auch mittlerweile unbekannte Persönlichkeiten, die ihrer Zeit weit voraus waren.

Unbedingt erwähnenswert ist das sehr informative Glossar am Ende, das schon für sich alleine die Lektüre wert ist. Herausgreifen möchte ich Fritz Pfleumer, der den ersten magnetisierbaren Tonträger entwickelt hat sowie die Erfinder Ludwig Blattner und Curt Stille. Zur Mosler´schen Schwimm- und Badeanstalt möchte ich direkt aufbrechen, auch im Palmengarten zu Frankfurt unbedingt flanieren. Ach was, man muss es selber lesen. „Die Radioschwestern“ sind ein Zeitzeugnis, vermitteln Aufbruchstimmung, den unbedingten Willen, das Medium Radio voranzutreiben. Es war ein Erfolg – wir wissen es heute.

Es ist ein sowohl interessanter als auch aufschlussreicher Blick zurück, als das Radio die „Klänge einer neuen Zeit“ vermittelte. Vor dem gut recherchierten historischen Hintergrund bin ich gerne mit den sympathischen jungen Frauen ein Stück ihres Weges gegangen und empfehle das rundum gelungene, sehr unterhaltsame Buch gerne weiter.

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Veröffentlicht am 20.09.2021

Grandios!

Die vier Winde
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Elsa ist geprägt von ihrem lieblosen Elternhaus, das ihr jegliche Freiheit auf ein normales Leben verwehrt. In Raf trifft sie einen, der sie mitreißt, sie vermeintlich verwerfliche Dinge tun lässt. Schwanger ...

Elsa ist geprägt von ihrem lieblosen Elternhaus, das ihr jegliche Freiheit auf ein normales Leben verwehrt. In Raf trifft sie einen, der sie mitreißt, sie vermeintlich verwerfliche Dinge tun lässt. Schwanger wird sie verstoßen, findet in Rafs Elternhaus eine Zuflucht und schließlich eine neue, eine richtige Heimat. Zum ersten Mal hat sie das Gefühl, akzeptiert und geliebt zu werden.

In Texas besitzen sie Land, als inmitten der Weltwirtschaftskrise Staubstürme in den Great Plains über sie hinweg ziehen und langjährige Dürren folgen. Viele zieht es nach Kalifornien ins scheinbar gelobte Land. Auch Elsa Martinelli macht sich mit ihren Kindern Loreda und Anthony mit dem alten Truck auf den Weg - in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Denn spätestens als dem Jungen eine Staublunge ihn das Atmen zur Qual werden lässt, kann Elsa diesen Trip nicht länger hinauszögern. Ein Aufbruch in eine neue Welt, in eine vielleicht verheißungsvollere Zukunft. „Ich wollte hier alt werden, den Weizen wieder wachsen sehen und eines Tages hier begraben werden.“ Ein wehmütiges Bekenntnis, das Elsa ihrer Tochter anvertraut.

„Sei mutig. Oder tu wenigsten so, auch das wird dir helfen.“ Elsas Großvater hat ihr das als 14jährige gesagt. An ihn und seine liebevolle, fürsorgliche Art, erinnert sie sich immer wieder und sie zieht daraus Stärke.

Mit allen vier Winden wurden sie hierhergetrieben aus allen Teilen des Landes. Ob der amerikanische Traum hier, am westlichen Rand Amerikas, für sie je Wirklichkeit werden wird? Und was erwartet sie hier? Ganze Scharen von Hobos (Wanderarbeiter) sind unterwegs auf der Suche nach Arbeit. Die Okies werden sie genannt. Es sind all jene, die aus Texas, Oklahoma, Kansas mit großen Erwartungen kommen. Sie werden verachtet, ausgegrenzt, müssen ihr Dasein am Rande der Gesellschaft fristen ohne Aussicht auf Besserung. Die Plantagenbesitzer beuten sie aus, gewähren ihnen keinerlei Rechte, die Politiker sind auf Seiten der Eigner.

Eingebettet in den Rahmen des historischen Hintergrundes stehen die fiktiven Charaktere und deren Geschichte für all jene, die es in den 1930er Jahren auf der Suche nach einem besseren Leben in den Westen zog. Ein Roman über die Entbehrungen der Great Depression. Über die große Umweltkatastrophe, den Zusammenbruch der Wirtschaft und die darauf folgende Massenarbeitslosigkeit.

„Die vier Winde“ gehört zu den Büchern, die ich nicht weglegen konnte. Zu sehr war ich gefangen, musste ich weitergehen mit Elsa, Loreda, Anthony und denen, die sie liebten, um auf ein besseres, würdigeres Leben zu hoffen. Ihre Geschichte hat mich so sehr berührt, hat mich ob der Vorurteile den Arbeitssuchenden, den Verzweifelten gegenüber zuweilen wütend gemacht.

Kristin Hannah ist eine erstklassige Erzählerin, sie bringt ihren Lesern Geschichte gut verpackt, sehr anschaulich und dazu äußerst unterhaltsam näher. „Die vier Winde“ – ein Leseereignis der ganz besonderen Art. Absolut empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 28.06.2024

Warmherzig

Graceland – Die Geschichte eines Sommers
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„Die Geschichte eines Sommers“ ist so viel mehr als „nur“ eine Reise nach „Graceland“. Diese tausend Meilen von El Paso bis hin nach Memphis sind voller Leben und so ganz anders, als ich es erwartet habe. ...

„Die Geschichte eines Sommers“ ist so viel mehr als „nur“ eine Reise nach „Graceland“. Diese tausend Meilen von El Paso bis hin nach Memphis sind voller Leben und so ganz anders, als ich es erwartet habe. Loralynn ist siebzig und noch immer hat sie sich ihren großen Traum, einmal Elvis ganz nahe zu sein, nicht erfüllt. Jetzt endlich will sie es wagen, ihre Tochter Grace soll sie begleiten. Nun, die beiden sind schon in Kontakt, monatliche Pflichtanrufe und alle zwei Jahre ein Besuch bei der Mutter müssen genügen. Da Grace Ehe am Ende scheint, braucht sie einen Ortswechsel, die Reise kommt ihr ganz gelegen.

Alles beginnt so, wie ich es erwartet habe. Loralynn ist nicht nur ein Elvis-Fan durch und durch, sie lebt ihre Leidenschaft direkt und zeigt dies auch nach außen hin. Ihre Klamotten sind schrill, momentan trägt sie Schwarz, Priscilla lässt schön grüßen. Die ersten Seiten lesen sich amüsant, Loralynn ist im Gegensatz zu ihrer direkt bieder erscheinenden Tochter eine exzentrische Persönlichkeit. „Lass dich einfach treiben, Grace. Ausnahmsweise mal“ ist nicht das Schlechteste, was Loralynn ihrer Tochter rät. Und so machen sie Station bei Madame Arabella, einer Hellseherin, besuchen eine Elvis-Show irgendwo auf dem Weg nach Graceland, Line Dance und Karaoke sind willkommene Abwechslungen, sie machen Zwischenstation in Odessa bei Mamas alter Freundin Dottie und ihren Sohn Wyatt. Und dann reist ein unsichtbarer Geselle mit, der sie immer wieder zum Innehalten zwingt.

So ein Mutter-Tochter-Ding, wie man es sich vorstellt, ist „Graceland“ allemal. Die beiden grundverschiedenen Charaktere sind dabei, sich einander wieder anzunähern und dazu gehört auch, sich der Vergangenheit zu stellen. Der locker-flockige, zuweilen schnoddrige Ton ändert sich, wenngleich er nie ganz verschwindet, er wird tiefgründiger, ohne an Leichtigkeit zu verlieren. Es ist eine warmherzige, eine humorvolle Geschichte voller Leben und witzigen Dialogen mit schon auch bedrückenden Momenten, die trotzdem lehrt, nie aufzugeben. Kristen Mei Chase Debütroman macht Mut, diese Reise ist Versöhnung und Neuanfang zugleich, begleitet von Elvis und seinen Songs.

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Veröffentlicht am 26.06.2024

Anna Ogilvy – eine Mörderin?

Anna O.
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Was für ein Szenario! Anna Ogilvy hat seit vier Jahren ihre Augen nicht mehr geöffnet. Sie liegt da und nichts scheint ihren Schlaf zu stören. Harriet, ihre Krankenpflegerin, versorgt die Schlafende rund ...

Was für ein Szenario! Anna Ogilvy hat seit vier Jahren ihre Augen nicht mehr geöffnet. Sie liegt da und nichts scheint ihren Schlaf zu stören. Harriet, ihre Krankenpflegerin, versorgt die Schlafende rund um die Uhr. Davor ist Schreckliches passiert. Anna wurde blutverschmiert, mit einem Küchenmesser in der Hand, neben den Leichen ihrer Freunde aufgefunden. Schon da war sie nicht mehr ansprechbar und ist seitdem aus ihrem Tiefschlaf nicht mehr erwacht.

Der Experte für Schlafmedizin, Dr. Benedict Prince, hat schon vieles gesehen. Patienten, die im Schlaf das Haus verlassen, sogar Auto fahren, sind ihm nichts Neues und man möchte es nicht glauben, manche töten sogar. Was diese Personen geträumt haben, wissen sie beim Aufwachen meist nicht. Auch nicht, was sie während ihres Schlafwandelns getan haben. Nun wird Ben in die Schlafklinik The Abbey gerufen, um sich der gerade hier eingelieferten Anna Ogilvy anzunehmen. Neben der Frage nach Annas Schuld macht Ben sich daran, sie aufzuwecken. Ob ihm dies gelingen wird? Neben Ben sind es noch etliche Personen, die ihn und seine Nachforschungen um Anna interessiert beobachten.

Zunächst ist es die Person Ben, die immer wieder zu Wort kommt. Allerdings waren mir diese Passagen zu steril, nicht recht greifbar. Private Momente mit seinem Kind und seiner Ex-Frau, die als Kommissarin damals direkt vor Ort war, wechseln sich ab mit seinem Klinikalltag, in dem er mit der schlafenden Anna arbeitet mit dem Ziel, sie wach zu bekommen. Dabei ist u. a. von einem Resignationssyndrom die Rede, einer Krankheit, bei der sich die Betroffenen nach einem traumatischen Erlebnis in sich selbst zurückziehen und so sich der schwer auszuhaltenden Belastung entziehen.

Die Erzählperspektiven wechseln, man erfährt mehr vom Leben der Anna O. und deren Umfeld inklusive der Tat. Parallelen zu einer früheren, ähnlichen Tat, werden sichtbar - dem Sally-Turner-Fall, der durch alle Medien ging. Sally Turner hat – exakt zwanzig Jahre vor Annas Tat – schlafwandelnd ihre Stiefkinder erstochen.

Es ist eine ganze Menge an Stoff, der hier verarbeitet wird. Das doch etwas schwierige Hineinfinden ins Buch war vor allem Bens teils irrationalem Verhalten geschuldet, seinem Charakter musste ich mich annähern, ihn mir erst „erlesen“. Seine Herangehensweise an Anna O. habe ich mit Spannung verfolgt, dann jedoch kam er mir wieder unnahbar, ja fremd, vor. Nicht nur er hat seine ganz besondere Art, auch die anderen Charaktere sind facettenreich ausgearbeitet. Die Erzählweise ist fesselnd, dann wieder finden sich viel zu lange, sich wiederholende Passagen, welche die Story zäh dahinfließen lassen. Das Ende zeichnet sich ab, ist jedoch für mich zu gewollt, zu aufgesetzt.

„Anna O.“ ist ein Buch mit Höhen und Tiefen, es thematisiert ein spannendes Phänomen, die schon erwähnten Längen haben dem Lesefluss geschadet.

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Veröffentlicht am 26.06.2024

Neuanfang

Die Zeit der Zikaden
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„Die eine Naturgewalt, vor der hat uns keiner gewarnt, und dabei ist es die natürlichste, die, die ausnahmslos alle betrifft. Sie heißt einfach – Altern.“

So lese ich es gleich mal. Altern – darum geht ...

„Die eine Naturgewalt, vor der hat uns keiner gewarnt, und dabei ist es die natürlichste, die, die ausnahmslos alle betrifft. Sie heißt einfach – Altern.“

So lese ich es gleich mal. Altern – darum geht es. Es geht um Alex, die ihren Ruhestand damit beginnt, dass sie allen Ballast abwirft. Ihre Wohnung tauscht sie gegen ein Tinyhouse auf Rädern ein, all das Angesammelte verkauft oder verschenkt sie. Und um Johann geht es auch, dem das geerbte Steinhaus in Ligurien gerade recht kommt, um aus seinem bisherigen Leben auszubrechen. Auf der Hochzeit von Johanns Sohn begegnen sich die beiden, erzählen sich ihre Zukunftspläne und wie es manchmal so kommt, landet Alex mitsamt ihrem schmalen Tinyhouse in Johanns weitläufigem Grundstück in Ligurien. Jeder hat hier sozusagen seinen eigenen Rückzugsort, beide Eingangstüren zu ihrem Heim liegen auf gleicher Höhe. Alex und Johann nähern sich einander an. Er beginnt, sie zu malen. Sie, die schon als Lehrerin eine Theater AG geleitet hat, sieht ihre Chance, sich auch hier in dieser Richtung etwas aufzubauen. Dazwischen liegen viele Momente voller Leben und Neugier.

Moritz Heger schreibt auch hier über das Leben. Schon „Aus der Mitte des Sees“ hat er tiefe Empfindungen und ehrliche Gedanken zugelassen, seine Protagonisten dort waren jünger als hier. Und doch sind es auch hier zwei Menschen, die einen Neuanfang wagen. Sich noch einmal spüren wollen, sich der Fülle des Lebens mit allen Sinnen annähern.

„Die Zeit der Zikaden“ wird in zwei Teilen erzählt, wobei der erste so einiges aus deren beider Leben berichtet und die Hälfte des Buches einnimmt. Davon hätte ich nicht unbedingt so viel gebraucht, eine kürzere Charakterisierung dessen wäre mir zugunsten des zweiten Teiles lieber gewesen. Dieser zweite Teil dann ist mit „Ankern“ überschrieben. Hier geht es um Alex und Johann, um ihre Pläne, um ihre Träume, um Freundschaft und Liebe und es geht auch darum, dass man nie zu alt ist, Altes loszulassen zugunsten von Neuem, von Unbekanntem, das man einfach zulassen sollte. „Je älter ich werde, umso mehr denke ich: Letztendlich kommt es immer aufs Hier und Jetzt an.“ Man ist nie zu alt, um neugierig zu sein und es zu bleiben, um sich auszuprobieren.

Moritz Heger schreibt sehr klug über das Alter und über das, was einen nach einem arbeitsreichen Leben noch alles erwartet. Alex und Johann bin ich gerne gefolgt, in Ligurien waren sie mir jedoch sehr viel näher, ihre Vorleben hatte für mich jedoch unnötige Längen.

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