Schwache Umsetzung einer interessanten Thematik
FreiheitsgeldEs kommt höchst selten vor, dass ich negative Rezensionen schreibe – immerhin weiß ich nur zu gut, was es heißt, sein ganzes Herzblut in ein Buchprojekt zu stecken. Doch bei „Freiheitsgeld“ komme ich nicht ...
Es kommt höchst selten vor, dass ich negative Rezensionen schreibe – immerhin weiß ich nur zu gut, was es heißt, sein ganzes Herzblut in ein Buchprojekt zu stecken. Doch bei „Freiheitsgeld“ komme ich nicht umhin, meine ehrliche Meinung zu kommunizieren; denn ich kann die guten Bewertungen, die einen weiteren, „typischen Eschbach“ in den Himmel loben, nicht ganz nachvollziehen.
Warum hat mir „Freiheitsgeld“ nicht gefallen?
Das hat mehrere Gründe und ich möchte zuerst erläutern, welche Aspekte in Herrn Eschbachs Werk durchaus Potenzial gehabt hätten: Wir werden in das Jahr 2064 mitgenommen, in dem die Menschen von einem bedingungslosen Grundeinkommen leben (hier „Freiheitsgeld“ genannt). Viele Arbeiten werden von Robotern übernommen, daher steht es den Bürger/innen frei, eine andere Tätigkeit zu übernehmen oder sich im Privaten künstlerisch auszudrücken. Im Verlauf der Handlung kommen immer wieder neue Erkenntnisse ans Licht, welche die Sinnhaftigkeit des „Freiheitsgeldes“ infrage stellen. Natürlich dürfen auch die üblichen Morde nicht fehlen, welche die Handlung erst ins Rollen bringen.
Theoretisch hätte daraus ein interessantes und spannendes Werk werden können. Das bedingungslose Grundeinkommen bietet genügend Gesprächsstoff und auch die von Herrn Eschbach dargestellte, zukünftige Welt ist durchaus realistisch aufgebaut. Ebenso ist sein Schreibstil gewohnt flüssig, wenn mir persönlich auch viele Erklärungen zu dialoglastig waren. Allerdings gibt es da mehrere Haken:
- Die Spannung baut sich erst sehr spät auf, weil anhand verschiedener Paarkonstellationen in das Jahr 2064 eingeführt werden soll. Im Endeffekt stellt sich heraus, dass sowohl das Geplänkel zwischen den Paaren als auch die Morde eher nebensächlich waren. Das hat mich wirklich verärgert, weil ich mich durch 250 Seiten quälen musste, die mir am Ende überflüssig vorgekommen sind.
- Leider wurden die Charaktere in meinen Augen sehr klischeehaft gezeichnet und schaffen es kaum, Sympathien aufzubauen. Da hätten wir das typische Heimchen am Herd (Lina), den ambitionierten Versorger der Familie (Valentin) und eine zu anfangs taff wirkende Frau, die sich irgendwann in ihrer Fixiertheit auf Kinder verliert (Franka). Ich könnte mit dieser Aufzählung fortfahren, werde aber jede/m dazu raten, sich selbst ein Bild zu machen.
- Innerhalb der Handlung werden viele Fragen aufgeworfen, die entweder in einem langen Dialog aufgearbeitet werden (was mir dann doch zu einfach ist), oder gar keine Erwähnung mehr finden. Immer wieder werden Handlungsstränge angeschnitten, die meinem Empfinden nach im Sand verlaufen und nichts zur Haupthandlung beitragen. Auf der anderen Seite waren viele Wendungen vorhersehbar, was ich von Herrn Eschbach so gar nicht kannte.
Die eingestreuten Themen zur Überwachung der Bürger*innen und dem Aufarbeiten der Klimakatastrophen fand ich durchaus interessant. Ich verstehe auch, was Herr Eschbach mit seinem Werk bezweckt – viele Aspekte verfolgen einen nach dem Lesen länger, sodass sich jede/r eigene Gedanken dazu machen kann. Doch die Umsetzung hat mich wirklich enttäuscht. Leider konnte ich dem „neuen Eschbach“ nicht das gewünschte Lesevergnügen abgewinnen und werde mich daher eher wieder älteren Werken des Autors zuwenden.