eine bittere enttäuschung
Schlafende SonneEine Ausstellung. Bilder der schlafenden Sonne. Ein Physikprofessor reist zur Eröffnung an, seine Schülerin und Geliebte stellt aus.
Radikal gekürzt hätte dieser Roman eventuell interessant sein können. ...
Eine Ausstellung. Bilder der schlafenden Sonne. Ein Physikprofessor reist zur Eröffnung an, seine Schülerin und Geliebte stellt aus.
Radikal gekürzt hätte dieser Roman eventuell interessant sein können. Ich sage, eventuell, denn ich habe nicht sehr weit reingelesen, ca. 50 Seiten reichen für einen Leseeindruck. Mag sein, dass den Leser später noch Wesentliches erwartet, ich bezweifle es aber.
Über die Sonne gibt es sicherlich viel zu sagen, was man aber sehr schnell in jedem besseren Lexikon oder Sachbuch nachschlagen kann. Viel unkomplizierter! Die Liebe zur Wissenschaft vermag dieser Roman auch nicht zu wecken!
Form: Der Satzbau ist so komplizert, vollgestopft mit zeilenlangen vorgeschobenen Attributen und in Klammern gesetzte Einschübe, dass es schwer fällt, irgend etwas zu den handelnden Personen herauszufinden. Alle diese Einschübe sind todlangweilig, too much information, nichtssagend, nur Worte, Geschwätz, und das bisschen Gesagte, das übrig bleibt ist nicht minder belanglos. Aber ja, ich habe einige Einzelheiten zu Jonas, des Professors Eltern und seiner Schwester und zu seinen ersten Lieben gelesen und auch zum ersten Sex. Leute, aber das ist nicht interessant genug für 600 Seiten mühsamer Text.
Man kann zur besseren Lesbarkeit diese Einschübe einfach weglassen, dann kommt ein bischen Satzsinn heraus. So habe ich es oft gemacht und ich hätte mich weiter durchgequält, wenn der Inhalt in irgendeiner Weise fesselnd und weniger assoziativ wäre.
Wenn dies ein Buch für Hochintellektuelle ist, dann …äh, sehen diese Hochintellektuellen des Kaisers neue Kleider nicht richtig: denn da ist NICHTS. Experimentelles Schreiben. Ja, experimentell nervtötend.
Und davon soll es eine Fortsetzung geben? Wer mag einen solchen Roman lesen? Wer ihn gar kaufen? Es ist ja kein eigentlicher Roman, es ist eine Ansammlung von Worten, eine Ansammlung, die sehr gut auch ein Computer hätte fertigen können. Oder es schreibt jemand, der partout keine Leser haben möchte. Zu gerne hätte ich eine Rezension von Marcel Reich-Ranicki dazu gelesen! Manchmal fehlt er halt schon sehr, der Kritiker aller Kritiker. Ich kann mir nicht vorstellten, dass er den vorliegenden Roman gelobt hätte und er hätte eine weit bessere Kritik dazu geschrieben als ich, die ich keine weitere Lebenszeit auf die restlichen Seiten ver(sch)wende. Sicher hätte er sich getraut zu sagen, dass die neuen Kleider dieser Literatur nicht so prächtig sind, wie der Kaiser glaubt!
Fazit: Mögen die Liebhaber von Thomas Lehrs Literatur unter sich bleiben, speziell diejenigen, die "Schlafende Sonne" auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises gesetzt haben. Ein momentaner geistiger Ausfall? Es könnten dieselben sein, die auch Ulysses von James Joyce rühmen, ich gehöre nicht dazu. Auch in der hochintellektuellen Literatur muss ein Minimum an Lesefreude übrig bleiben. Was hier fehlt.