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Veröffentlicht am 29.06.2024

Wofür kein Platz ist in unserer Leistungsgesellschaft

Potenziell furchtbare Tage
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Wir alle leben in ihr: einer (post)-kapitalistischen Welt, voller Leistungsdruck. Eine Welt, welche für uns Menschen nicht gut ist. Bianca Jankovska hat sich diesem Themenkomplex in ihrem Buch "Potentiell ...

Wir alle leben in ihr: einer (post)-kapitalistischen Welt, voller Leistungsdruck. Eine Welt, welche für uns Menschen nicht gut ist. Bianca Jankovska hat sich diesem Themenkomplex in ihrem Buch "Potentiell furchtbare Tage" @haymonverlag angenommen. Ihre Sprache ist emotional sehr aufgeladen, was für mich anfangs etwas ungewohnt war, ich habe mich aber Seite für Seite daran gewöhnt. In so gut wie jedem Kapitel finden sich Triggerwarnungen, was nicht unbedingt selbstverständlich ist, jedoch in diesem Fall sehr löblich.
Denn es sind vor allem die eigenen Erfahrungen, welche Bianca Jankovska hier schildert. Das Aufwachsen in einer Familie mit Migrationshintergrund, ein Vater der viel arbeitet um die Familie zu ernähren, somit durch Abwesenheit glänz, keine enge Beziehung zur Tochter hat. Eine Mutter, welche der Tochter Bildung wo sie nur kann ermöglicht, ihre Tochter liebt für die sehr guten Noten in der Schule, ihre Leistungen im Studium. Doch schon während der ersten Berufserfahrungen wird Bianca bewusst, dass ihr das bestehende System in dem sie arbeitet, nicht gut tut. In dieser Arbeitswelt ist kein Platz für menstrierende Menschen, Dienstleistende, welche die Erwartungen der Kunden nicht erfüllen. Der Großteil der Lebenszeit geht für Lohnarbeit drauf, an der sich praktisch nur der reiche Teil der Welt bereichert. Yogakurse und Selbstoptimierung versprechen Abhilfe, doch dort werden lediglich die Symptome eines kranken Systems gelindert. Wie ändern wir die Ursache??
Dafür hat die Autorin viele kleine Ideen parat. Dennoch muss ich sagen, dass sie aus meiner Sicht "das Rad" nicht neu erfunden hat. Dass die Schere Arm/Reich immer mehr auseinander klafft, viele arme Menschen von wenigen Armen ausgebeutet werden ist bekannt. Auch dass die 4-Tage-Woche mit 10-Stunden-Tagen keine richtige Work-Life-Balance schafft ist mir bekannt.
Dennoch ist dieser Erfahrungsbericht für mich angenehmer zu lesen gewesen als ein dröges Sachbuch.

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Veröffentlicht am 29.06.2024

Wenn das Leben zur Hölle gemacht wird...

Rote Augen
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...dann ist nichts mehr wie es Mal war. Beinahe wie ein Erfahrungsbericht liest sich der Roman "Rote Augen" v. Myriam Leroy aus dem Französischen übersetzt v Daniela Högerle @edition_nautilus . Was mit ...

...dann ist nichts mehr wie es Mal war. Beinahe wie ein Erfahrungsbericht liest sich der Roman "Rote Augen" v. Myriam Leroy aus dem Französischen übersetzt v Daniela Högerle @edition_nautilus . Was mit schmeichelnde Nachrichten eines Fans auf Social Media beginnt entwickelt sich für die junge Journaltin zu einem einschneidenden Abschnitt in ihrem Leben. Als sie ihren Verehrer zurück weist, beginnt er sie im Netz zu diffamieren, zu mobben, seine Gefolgschaft springt auf den Zug auf. Anstatt die Zurückweisung zu respektieren terrorisiert der Mann die Journalistin mit Hassnachrichten, stellt sie mit verfremdeten Fotos öffentlich bloß. Ihr Umfeld reagiert mit Unverständnis, Freund*innen wenden sich an. Auch ihr Lebensgefährte wird zur Zielscheibe des Hasses im Netz, die Beziehung der beiden auf eine harte Probe gestellt. Irgendwann entscheidet sich die junge Frau sich Hilfe bei der Polizei und Staatsanwaltschaft zu holen. Doch die dort angebotene Hilfe ist ernüchternd. Es ist eine Odyssee durch 4 Jahre. Die Auswirkungen auf Körper und Psyche zerstörend.
Für mich war das Lesen des Romanes sehr anstrengend. Obwohl ich hatte Themen wie psychische Gewalt in der Literatur nicht scheue, bin ich hier nervlich an meine Grenzen gestoßen, das gelesene hat immer wieder Wut, Verzweiflung und Unbehagen in mir ausgelöst. Dennoch wird hier das Thema Hass im Netz, Misogynie, Toxische Männlichkeit und Sexismus sehr nachvollziehbar behandelt. Und es ist meiner Meinung nach ein immer noch sehr wichtiges Thema. Dennoch möchte ich ich hier eine eingeschränkte Leseempfehlung aussprechen, denn es triggert aufgrund der authentischen Erzählart doch sehr. Eine entsprechende Warnung von Seiten des Verlages konnte ich auf/in dem Buch nicht finden.

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Veröffentlicht am 29.06.2024

Eine unterhaltsame Reise ins Tessin

Gotthard
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Zora del Buono lässt mich in ihrem Roman "Gotthard" @diogenesverlag mit Zugliebhaber Fritz Bergundthal (was für ein passender Name) von Berlin ins Tessin reisen. Die Region ist geprägt vom Tunnelbau. Viele ...

Zora del Buono lässt mich in ihrem Roman "Gotthard" @diogenesverlag mit Zugliebhaber Fritz Bergundthal (was für ein passender Name) von Berlin ins Tessin reisen. Die Region ist geprägt vom Tunnelbau. Viele der Einheimischen wie Tonino arbeiten auf der Gotthardbasistunnel-Baustelle. Zugezogene Bauarbeiter frequentierten mit Hingabe den örtlichen Puff Alabama, insbesondere der junge Filz. Und während Aldo mit seinem frisierten Mofa die Haaradelkurven kratzt, flirtet seine Frau Dora mit dem Fritz. Der Roman ist ein Ausschnitt in den Alltag dieser Menschen. Mal sehr technisch, mal skurril, mal schlüpfrig. Aber immer wieder unterhaltsam. Und zum Ende geschieht noch ein tragisches Unglück. Der Text ist auch immer wieder mit schweizer oder italienischen Sprüchen gespickt, was der Story mit Lokalkolorit noch einen extra Pepp gibt. Dass sich das Zentrum der Handlung zunehmend im Puff und um eine gewisse Mônica handelt fand ich etwas bedauerlich. Ansonsten hat mir die Lektüre immer wieder ein herzhaftes Schmunzeln ins Gesicht gebracht.

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Veröffentlicht am 31.05.2024

Der rastlose Wanderer

Die Geschichte von Herrn Sommer
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Das ist Maximilian Ernst Ägidius Sommer. Bekannt wie ein bunter Hund in den Dörfern Obernsee und Unternsee. Er spaziert praktisch rund um die Uhr durch die Ortschaften und manchmal auch in die Nähe Kreisstadt.
Der ...

Das ist Maximilian Ernst Ägidius Sommer. Bekannt wie ein bunter Hund in den Dörfern Obernsee und Unternsee. Er spaziert praktisch rund um die Uhr durch die Ortschaften und manchmal auch in die Nähe Kreisstadt.
Der Ich-Erzählende, ein Junge erst im Grundschulalter, später ein Jugendlicher, begegnet diesem Mann immer wieder. Doch in dem kleinen Büchlein "Die Geschichte von Herrn Sommer" von Patrick Süskind - zauberhaft illustriert von Jean-Jacques Sempé - @diogenesverlag werden auch Kindheitsanekdoten erzählt. Der Traum vom Fliegen, gefolgt vom leidenschaftlichen Klettern auf die höchsten Bäume und dann die einprägsamen Klavierstunden bei Fräulein Funkel. Mich hat die Lektüre berührt und unterhalten im gleichen Maße. Einerseits die kindliche ausschweifende Erzählstimme, andererseits das bedrückende bezüglich Herr Sommer, denn ebendieser wandert nicht ohne Grund rastlos umher.
Wirklich ein zauberhafter Lesesnack für zwischendurch.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Auf wen ist Verlass in schwierigen Zeiten?

Jeanie und Julius
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Jeanie und Julius sind 51, leben seit Jahrzehnten mit ihrer Mutter Dot auf dem Land in einem Cottage. Das Leben ist eher einfach. Julius schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, Jeanie unterstützt die ...

Jeanie und Julius sind 51, leben seit Jahrzehnten mit ihrer Mutter Dot auf dem Land in einem Cottage. Das Leben ist eher einfach. Julius schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, Jeanie unterstützt die Mutter Zuhause im Garten. Doch als ebendiese plötzlich stirbt steht das Leben der Zwillinge auf dem Kopf. Was ist nun mit dem lebenslangen und mietfreiem Wohnrecht im Cottage? Was ist das für eine rätselhafte Abmachung zwischen dem Eigentümer und Dot gewesen? Was ist mit den ganzen Schulden? Während die Geschwister vor die Tür geworfen werden stellt sich auch die Frage, wer Freundin und wer Feindin ist. Auf wen können sich die zwei nun verlassen? Ist Blut tatsächlich dicker als Wasser?
Claire Fuller erzählt in ihrem Roman "Jeanie und Julius" aus dem Englischen übersetzt v. Andrea O'Brian @kjonaverlag respektvoll und wertungsfrei die Geschichte einfacher Leute. Obwohl kein typischer Pageturner entwickelt die Handlung ihre ganz eigene Spannung, erwachte in meinem Kopf zu bewegten Bildern. Und ich kann den Roman um Verlust, Trauer, Zusammenhalt und Liebe sehr zum Lesen empfehlen.

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