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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.07.2024

Zeitlos, grandios, erschütternd

Aus guter Familie. Leidensgeschichte eines Mädchens
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Endlich, endlich, endlich habe ich diesen Roman gelesen, der seit Nicole Seiferts Empfehlung in „Frauenliteratur“ auf meiner Wunschliste stand – und ich wurde nicht enttäuscht. Dank der Neuauflage des ...

Endlich, endlich, endlich habe ich diesen Roman gelesen, der seit Nicole Seiferts Empfehlung in „Frauenliteratur“ auf meiner Wunschliste stand – und ich wurde nicht enttäuscht. Dank der Neuauflage des Reclam Verlags konnte ich nun in Agathes Leben eintauchen. Mein Fazit: Ich bin restlos begeistert! Was für ein toller, mitreißender, tiefgründiger, zur Diskussion anregender Roman!

Gabriele Reuters „Aus guter Familie“ erzählt die Geschichte der jungen Agathe, die in der Enge der bürgerlichen Gesellschaft um 1900 aufwächst. Es handelt sich dabei um einen ganz ungewöhnlichen Entwicklungsroman, denn Agatha wird von außen beständig an ihrer Entwicklung gehindert. Der Roman schildert dabei eindrucksvoll ihre innere Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Zwängen und den Erwartungen an Frauen ihrer Zeit. Agathes Entwicklung und ihr Schicksal werden so lebendig dargestellt, dass man tief in ihre Welt eintaucht und einerseits mit Agathe leidet und hofft, andererseits durch ihr Schicksal und das anderer geschilderter Frauenfiguren immer wieder wütend wird. Auch Reuters Schreibstil beinhaltet für mich schon alles, was die Moderne um 1900 so anziehend macht. Wie kann es sein, dass eine solch kraftvolle und bedeutende Stimme der Literaturgeschichte bisher so wenig Beachtung gefunden hat? Ich kann kaum nachvollziehen, warum ich im Studium der Literaturwissenschaft nicht von der Autorin gehört habe, auch in Material zu Literatur um 1900 kommt sie nicht vor.

Diese liebevoll gestaltete Neuauflage des Reclam Verlags kommt aber nicht nur inhaltlich, sondern auch äußerlich wunderbar daher. „Aus guter Familie“ wird definitiv einen Ehrenplatz bei mir finden. Insgesamt ist dieser Roman ein Muss für alle Literaturfans. Er fordert heraus, regt zur Diskussion an und bleibt lange im Gedächtnis. Gabriele Reuter verdient es, aus der Vergessenheit hervorgeholt und neu entdeckt zu werden. Ich kann „Aus guter Familie“ nur wärmstens empfehlen.

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Veröffentlicht am 02.07.2024

Mehr als Harry und Sally

Man sieht sich
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Frie und Robert sind seit der Schulzeit gute Freunde und auch immer mal wieder ineinander verliebt, aber sie finden einfach nicht zueinander. Klingt erst einmal nach Harry und Sally, allerdings bietet ...

Frie und Robert sind seit der Schulzeit gute Freunde und auch immer mal wieder ineinander verliebt, aber sie finden einfach nicht zueinander. Klingt erst einmal nach Harry und Sally, allerdings bietet „Man sieht sich“ von Julia Karnick sehr viel mehr als eine romantische Geschichte. Der Autorin gelingt es, die Entwicklung der Charaktere im Laufe ihres Lebens darzustellen und dabei verpasste Chancen und wichtige Lebensentscheidungen zu thematisieren. Ihre Coming-of-Age-Geschichte ist dabei unterhaltsam und tiefgründig zugleich.

Besonders spannend fand ich es, Frie und Robert beim Erwachsenwerden in den 80ern und 90ern zuzuschauen, wie sie sich mit den Höhen und Tiefen des Lebens auseinandersetzen. Der Roman vermittelt hier eine große Leichtigkeit, was ich sehr mochte. Ein weiterer Pluspunkt sind die zahlreichen Bezüge zu Hamburg, die dem Roman eine authentische Note verleihen.

Je älter die Charaktere werden, desto weniger handlungsgetrieben und reflexiver werden die Kapitel. Anfangs hat mich das langsame Tempo etwas vom Weiterlesen abgehalten, da eben auch unangenehme Themen wie verpasste Chancen und unerfüllte Träume angesprochen werden, aber rückblickend scheint mir dieser Aufbau sehr stimmig zu sein und den Charakteren mehr Tiefe zu verleihen. Die letzten Kapitel haben mich deshalb emotional sehr berührt und mitgenommen. Ich kann deshalb den Roman allen empfehlen, die gerne nachdenkliche Coming-of-age-Geschichten und Liebesgeschichten mit sehr viel Tiefgang lesen. Ich freue mich auf jeden Fall auf weitere Bücher von Julia Karnick.

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Veröffentlicht am 30.06.2024

Einfühlsame Geschichte einer Insel

Mattanza
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Als auf der Insel Katria Nora Greco geboren wird, bricht eine neue Zeit an: Die Tunfischjagd wird, wenn ihr Großvater zurücktritt, erstmals von einer Frau angeführt werden. Ihr Leben lang wird Nora darauf ...

Als auf der Insel Katria Nora Greco geboren wird, bricht eine neue Zeit an: Die Tunfischjagd wird, wenn ihr Großvater zurücktritt, erstmals von einer Frau angeführt werden. Ihr Leben lang wird Nora darauf vorbereitet, dann übernimmt sie, als sie gerade volljährig geworden ist. Aber die Zeiten auf Katria ändern sich auch in anderer Hinsicht: Tourismus, moderne Tunfischjagd und schließlich auch die Ankunft vieler Geflüchteter über das Mittelmeer bedrohen die traditionelle Lebensweise und Tunfischjagd auf Katria, was Nora als Anführerin vor große Herausforderungen stellt.
Der Roman ist einfühlsam geschrieben, die poetischen Beschreibungen des Meeres passen wunderbar zum Mare Verlag, die Menschen im Dorf werden liebenswert aber komplex dargestellt. Ich habe die fiktive Geschichte der kleinen Insel gerne mitverfolgt. Nur das Titelbild passt für mich nicht gut - Noras Augen werden ganz anders beschrieben und die gesamte Insel spielt eine viel größere Rolle im Roman. Nur aufgrund des Titelbilds wäre ich am Roman vorbeigegangen.

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Veröffentlicht am 23.06.2024

Vielschichtig

Leon Hertz und die Sache mit der Traurigkeit
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Volker Surmanns Roman "Leon Hertz und die Sache mit der Traurigkeit" ist ein anrührendes und trotzdem witziges und unterhaltsames Jugendbuch, das gekonnt die Themen Leben und Tod behandelt, ohne dabei ...

Volker Surmanns Roman "Leon Hertz und die Sache mit der Traurigkeit" ist ein anrührendes und trotzdem witziges und unterhaltsames Jugendbuch, das gekonnt die Themen Leben und Tod behandelt, ohne dabei einfache Antworten oder Lösungen zu liefern. Die Geschichte selbst ist vielschichtig und bietet zahlreiche Ansatzpunkte zum Nachdenken und Diskutieren über Traurigkeit, Freundschaft, Coming-out und Mobbing, ohne dabei in Klischees oder Moralisierungen zu verfallen. Protagonist Leon, der sich selbst als "deprilight" beschreibt, soll sich für ein Referat mit der Trauer zu einem Fahrradunfall bei ihm um die Ecke auseinandersetzen. Bei seiner Recherche wird er von Rouven unterstützt, mit dem Leon mehr gemeinsam hat als gedacht. Bald wird allerdings klar, dass auch Rouven Leons Unterstützung braucht.

Der Erzählstil des Buches ist ansprechend. Der Ich-Erzähler spricht in einer umgangssprachlichen und lockeren Weise, die nicht versucht, sich bei den jungen Leser anzubiedern. An mehreren Stellen finden sich schöne und interessante Metaphern, die das sprachliche Niveau anheben. Zudem ist der Roman durch Leons Recherche auch handlungsgetrieben und teilweise richtig spannend. Daneben gibt es aber auch immer wieder anrührende Passagen, die sehr einfühlsam erzählt waren, dann aber auch durch Humor wieder gebrochen werden, damit der Roman nicht an Leichtigkeit verliert und zu schwermütig wird.

Ich empfehle diesen Roman nicht nur Jugendlichen ab 12, sondern auch allen Älteren, die gerne gute, anspruchsvolle Jugendliteratur lesen und sich mit dem Thema Traurigkeit auseinandersetzen möchten, ohne selbst heruntergezogen zu werden!

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Veröffentlicht am 18.06.2024

Ein Reiseführer voller Glück

Glücksorte in Ligurien
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„Glücksorte in Ligurien“ ist ein ganz besonderer Reiseführer, der aus meiner Sicht den Zauber von Ligurien passend darstellt. Auf 80 Doppelseiten werden jeweils ein Glücksort mit einem atmosphärischen ...

„Glücksorte in Ligurien“ ist ein ganz besonderer Reiseführer, der aus meiner Sicht den Zauber von Ligurien passend darstellt. Auf 80 Doppelseiten werden jeweils ein Glücksort mit einem atmosphärischen Text und einem eindrucksvollen Foto vorgestellt. Dieses Buch hat es geschafft, in mir eine tiefe Sehnsucht nach Ligurien zu wecken, obwohl ich gerade erst da war.

Die Beschreibungen der Orte sind präzise und stimmungsvoll. Ich habe viele Orte wiedererkannt, die ich bereits besucht habe, und kann bestätigen, dass sie in dem Buch treffend beschrieben sind. Die Texte beleuchten nicht nur die Geschichte und Funktion der Orte, sondern fangen auch die jeweilige Atmosphäre ein und beschreiben die Menschen, denen man dort begegnen kann. Interessanterweise habe ich mindestens genauso viele neue Orte entdeckt, die ich unbedingt besuchen möchte. Daneben gibt es immer mindestens einen praktischen Tipp zu Cafés und Bars. Es sind nicht viele Tipps, aber die wenigen sind gut ausgewählt und zuverlässig – genau das, was ich für einen Urlaub ohne Freizeitstress von einem Reiseführer erwarte.

„Glücksorte in Ligurien“ hebt sich insgesamt deutlich von anderen Reiseführern ab. Es ist nicht überladen mit Informationen, sondern persönlich und inspirierend. Ich kann mir gut vorstellen, nur mit diesem Buch nach Ligurien zu reisen. Andere Reiseführer wirken oft überladen und unpersönlich, aber dieser vermittelt ein Gefühl der Nähe und Authentizität, was ich sehr schätze.

Fazit: Ein wundervoller Reiseführer, der die Schönheit und Magie Liguriens auf einzigartige Weise einfängt. Ideal für alle, die das Besondere suchen und sich von den Glücksorten dieser Region verzaubern lassen möchten.

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