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Veröffentlicht am 30.06.2024

Reisebericht trifft Mordermittlung

Mord auf der Kreuzfahrt
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Das Cover hat mich direkt angesprochen, weil es klassische Krimi-Vibes sowie ein gewisses Sommerfeeling versprüht und damit das Setting gelungen aufgreift.
Zum Inhalt: Clare Massinger, eine erfolgreiche ...

Das Cover hat mich direkt angesprochen, weil es klassische Krimi-Vibes sowie ein gewisses Sommerfeeling versprüht und damit das Setting gelungen aufgreift.
Zum Inhalt: Clare Massinger, eine erfolgreiche Bildhauerin, steckt in einer Schaffenskrise. Um sie aufzumuntern, bucht ihr Partner, der Privatdetektiv Nigel Strangeways, eine Ägäis-Kreuzfahrt. Doch kaum auf dem Schiff angekommen, geraten die Urlaubspläne durch Spannungen unter den Passagieren ins Wanken...
Ich wollte schon länger mal einen der unter Pseudonym veröffentlichten Krimis von Cecil Day-Lewis lesen. Dieser 1959 erschienene Band gehört streng genommen zu einer Reihe, deren Bände sich allerdings unabhängig voneinander lesen lassen.
Die erste Hälfte ähnelt eher einem interessanten Reisebericht mit zwischenmenschlicher Dramatik und selbst mit Einsetzen der Verbrechen bleibt der Erzählstil getragen. Damit ist der Krimi vielleicht eher für Fans klassischer Krimis und cosy crime geeignet. Man folgt den langsam voranschreitenden Ermittlungen sehr genau, wodurch es sich anfühlt, als wäre man mitten im mitunter frustrierend langsam voranschreitenden Geschehen.
Auch wenn das locked room Setting – wobei der Raum hier vom Kreuzfahrtschiff verkörpert wird – grundsätzlich eine vielversprechende Idee ist, hat mir etwas Spannung und damit eine gewisse Sogwirkung gefehlt. Die große Wendung war nicht ganz unvorhersehbar, dennoch habe ich gerne bei den großen und kleinen Geheimnissen der Urlaubsgäste mitgerätselt. An mindestens einer Stelle hätte ich mir jedoch Aufklärung bzw. Problematisierung der Sprache der Zeit durch eine Fußnote gewünscht.
Die größte Stärke dieses Kriminalromans liegt definitiv in der kritisch beobachteten Darstellung menschlichen Verhaltens. Sympathieträger befinden sich unter den Passagieren wohl eher nicht, dafür durchaus faszinierende Persönlichkeiten, darunter unser neugieriger, belesener Detektiv und seine kluge Partnerin. Wir begegnen hier keinen hochintelligenten Masterminds, sondern nahbaren Menschen, die aufgrund logischer Schlussfolgerungen und Beobachtungsgabe zur Aufklärung des Falls gelangen.
Insgesamt wurde ich gut unterhalten und werde irgendwann sicher noch weitere Krimis des Autors lesen. Wer ruhige klassische Krimis liebt und vielleicht auf der Suche nach einem Buch für den Sommerurlaub ist, sollte hier einmal reinlesen.

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Veröffentlicht am 24.06.2024

Klassiker für eine neue Generation

Stolz und Vorurteil
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Das Cover ist wunderschön, schlicht ein echter Blickfang und bietet dabei einen ersten Blick auf den Zeichenstil.
Zum Inhalt: Elizabeth Bennet wächst als eine von fünf Töchtern einer überschwänglichen ...

Das Cover ist wunderschön, schlicht ein echter Blickfang und bietet dabei einen ersten Blick auf den Zeichenstil.
Zum Inhalt: Elizabeth Bennet wächst als eine von fünf Töchtern einer überschwänglichen Mutter auf, deren Lebensaufgabe in der Verheiratung besagter Mädchen besteht. Als vermögende neue Nachbarn in die Gegend ziehen, beginnt der Heiratsmarkt sich zu drehen.
Ich bin ein großer Fan des Originaltextes und war deshalb etwas skeptisch dieser Neuinterpretation gegenüber. Manch ein moderner Touch war mir ein wenig zu viel, der Zeichenstil selbst konnte mich allerdings direkt abholen. Die Emotionen wurden perfekt eingefangen, was eine wunderbare Ergänzung zum knapp ausfallenden Text darstellt. Ich habe mich teilweise minutenlang in ihrem Detailreichtum verloren – mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Diese graphic novel ist schnell weggelesen und vor allem gut verständlich. Teilweise wirken die Texte schon etwas stark vereinfacht, woran eingefleischte Fans etwas Anstoß nehmen könnten. So wirken manche Perspektivwechsel etwas abrupt, das Erzähltempo generell recht gerafft, doch das Format begrenzt schließlich auch den möglichen Textumfang.
Insgesamt habe ich es ziemlich genossen, mal wieder in die Welt von Stolz und Vorurteil, meinem liebsten Klassiker, einzutauchen. Für Liebhaber:innen dieses Romans ist die graphic novel sicher ein wundervolles Geschenk und ein Blickfang in jedem Bücherregal. Trotzdem ist sie auch für all jene geeignet, die schon immer mal in die Geschichte eintauchen wollten, sich bisher aber nie an das sprachlich-sperrigere Original herangetraut haben.

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Veröffentlicht am 16.06.2024

Vom steinigen Weg zu sich selbst

Imogen, Obviously
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Das Cover ist niedlich und grundsätzlich passend, wirkt jedoch fast schon etwas zu süß und jugendlich, obwohl die dahinter verborgene, tiefgründige Geschichte nicht nur für junge Lesende geeignet ist.
Zum ...

Das Cover ist niedlich und grundsätzlich passend, wirkt jedoch fast schon etwas zu süß und jugendlich, obwohl die dahinter verborgene, tiefgründige Geschichte nicht nur für junge Lesende geeignet ist.
Zum Inhalt: Imogen, stolze Ally, besucht ihre beste Freundin Lily am College. Doch ihre Bekanntschaft mit Lilis queerer Uni-Clique beginnt mit einer Lüge und ungeahnten Gefühlen für eine von Lilis Freundinnen. Ist Imogen am Ende vielleicht mehr als eine Unterstützerin?
Zu Beginn des Buchs habe ich mich von all den Namen des großen Freundeskreises etwas erschlagen gefühlt, was sich aber schnell gelegt hat. Dazu hat auch die ruhige Handlung beigetragen, die von vielen inneren Monologen geprägt ist. Wer ist Imogen in Bezug auf ihre sexuelle Identität? Und wie geht man überhaupt damit um, wenn die bisherigen Überzeugungen plötzlich infrage gestellt werden? Imogens Gedankenkarussell wirkt so glaubwürdig, lebensecht und ist absolut herzzerreißend, macht aber gleichzeitig auch Mut. Das mitunter schwermütige Gedankenchaos wird regelmäßig von unterhaltsamen Chatverläufen aufgelockert. Allerdings steht von Anfang an fest, in welche Richtung sich alles entwickelt, weshalb mir manchmal leicht die Motivation zum Weiterlesen gefehlt hat.
Imogen ist eine durchweg sympathische Protagonistin. Der besondere Erzählstil erlaubt es, sich ihr sehr nah zu fühlen, mit ihr durch Freundschafts-Anforderungen, Selbstzweifel sowie Momente puren Glücks zu straucheln. Mit Tessas Charakter erhält die Geschichte nicht nur eine weitere liebenswürdige Protagonistin, sondern zudem eine gelungene ADHS-Repräsentation. Auch der herrlich diverse Freundeskreis wirkt so ungezwungen und einladend, dass man sich geradezu einen Platz in diesem Umfeld wünscht.
Doch die Geschichte bietet nicht nur die rosaroten Seiten auf der Suche nach der eigenen Identität. Sie wirft beispielsweise auch einen kritischen Blick auf die (In)Akzeptanz innerhalb queerer Communities und familiäre Reaktionen auf coming-outs.
Insgesamt ist dieses Buch so viel mehr als eine queere coming-of-age story mit einer wundervollen Darstellung des Verliebtseins und damit ist diese feinfühlige Geschichte nicht nur für junge Erwachsene geeignet.

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Veröffentlicht am 16.05.2024

David gegen Goliath

Lockvogel
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Das Cover ist ein echter Eyecatcher und passt durch seine graphischen Bestandteile ebenso wie durch seine wilde Unangepasstheit perfekt zum Inneren.
Worum geht‘s? Es ist ein heißer Sommer in Tel Aviv und ...

Das Cover ist ein echter Eyecatcher und passt durch seine graphischen Bestandteile ebenso wie durch seine wilde Unangepasstheit perfekt zum Inneren.
Worum geht‘s? Es ist ein heißer Sommer in Tel Aviv und Jasmin Schechter, Tochter einer der einflussreichsten Familien des Landes, verschwindet spurlos. Ihr Ehemann engagiert seine alte Jugendfreundin Masi Morris, Ex-Polizistin und mittlerweile Privatdetektivin, mit der Suche. Kann Masi es mit den Mächtigen aufnehmen und Jasmin finden?
Für dieses Jahr hatte ich mir vorgenommen, geographisch über meinen bisherigen Lesehorizont hinauszublicken. Dieses Buch war mein erster Versuch. Da ich mich noch nie intensiv mit der israelischen Kultur befasst hatte, fiel mir der Einstieg entsprechend schwer. Dazu hat auch der etwas abgehakte, von Dialogen geprägte und sehr nüchterne Schreibstil beigetragen. Die wendungsreiche Handlung konnte mich aber rasch so sehr fesseln, dass ich das Buch vor lauter Miträtseln und bösen Vorahnungen kaum noch aus der Hand legen konnte.
Mit Masi begegnet uns eine äußerst eigenwillige, knallharte Protagonistin, die man wohl in mehr als einer Hinsicht als lasterhaft bezeichnen könnte. Für einen Krimi noir ist sie allerdings die perfekte Besetzung. Ihre vermeintlichen Schwächen lassen sie menschlich erscheinen und im Verlauf der Handlung lernt man ihre Lebensgeschichte und damit sie selbst besser kennen, weshalb ich ein zunehmend größeres Verständnis für sie entwickelt habe. Sympathisch war sie mir mit ihrem selbstbewussten Auftreten und dem Streben nach Gerechtigkeit jedoch von Beginn an. Mit ihren Geschwistern und Detekteimitarbeitern begegnen uns außerdem zwei liebenswürdige Nebencharaktere.
Bei den meisten Krimi kann ich die Auflösung schnell erahnen, nicht so in diesem Fall, was mir besonders gut gefallen hat. Das letzte Drittel ist einer Abwärtsspirale gleich außerdem vielen Actionfilmen ebenbürtig. Die Spannung und Düsternis des Kriminalfalls werden durch das explosive Setting noch zusätzlich verstärkt. So ermöglicht das Buch fast nebenbei einen gesellschaftskritischen, mitunter von dunklem Humor durchzogenen, aber dennoch faszinierenden Blick auf die israelische Großstadt. Einzig das Ende wirkte auf mich dann doch etwas arg gehetzt.
Insgesamt habe ich mit diesem Buch einen zeitgemäßen Kriminalroman ganz nach meinem Geschmack finden können, den ich allen Krimi noir Fans empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 26.04.2024

Anspruchsvolle Shakespeare-Neuinterpretation

Der Rabengott
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Das Cover hat mich sofort magisch angezogen. Es verströmt eine düstere Atmosphäre und lädt so gelungen zum Blick hinter den Umschlag ein.
Zum Inhalt: Der Rabengott wacht über Vastai – im Austausch gegen ...

Das Cover hat mich sofort magisch angezogen. Es verströmt eine düstere Atmosphäre und lädt so gelungen zum Blick hinter den Umschlag ein.
Zum Inhalt: Der Rabengott wacht über Vastai – im Austausch gegen ein Menschenopfer, sobald der aktuelle Vogel stirbt. Als Mawat nach Hause zurückkehrt, erwartet er, das Erbe seines Vaters als neuer Statthalter anzutreten, findet aber stattdessen seinen Onkel auf dem Thron vor und schwört auf Rache.
Der Schreibstil wirkt dank der neutralen Du-Perspektive einzigartig, erschwert dadurch aber sowohl den Einstieg ins Buch als auch das Einfühlen in die Charaktere. Die High Fantasy Geschichte erfordert außerdem viel Konzentration und selbstständige Schlussfolgerungen von den Lesenden. Zu Beginn habe ich mich etwas desillusioniert gefühlt, wurde dann aber immer mehr in den Bann politischer Intrigen gezogen.
Ein Großteil der Handlung wird von weitschweifigen sprachphilosophischen Überlegungen und der Reflektion über das komplexe Glaubenssystem eingenommen, was in einem langsamen Erzähltempo und vielen inneren Monologen resultiert. Ein actiongeladenes Epos sollte man hier also nicht erwarten. Stattdessen verfolgt man die Zuspitzung schleichenden Unheils und obwohl wir es hier nicht mit einem Schlachtenepos zu tun haben, ist der Showdown dennoch beeindruckend.
Da die Charaktere so wenig Raum einnehmen, fällt es mir schwer, sie einzuschätzen. Sie bleiben bedingt durch die Erzählperspektive schlicht fremd. Was mir allerdings sehr gefallen hat, ist die ungezwungene Diversität der ProtagonistInnen.
Obwohl ich etwas anderes erwartet habe, konnte mich das Buch nach einer längeren Eingewöhnungsphase doch noch für sich einnehmen und ich werde es sicher irgendwann noch einmal lesen. Wer sowohl anspruchsvolle High Fantasy als auch die Eigenarten klassischer Literatur mag und auf der Suche nach einem Buch zum Entschleunigen und langsamen Lesegenuss ist, sollte hier einmal reinlesen.

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