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Veröffentlicht am 28.05.2023

Die Kraft der Sprache

Babel
3

"BABEL" von R.F. Kuang entführt uns ins Jahr 1828 und erzählt die Geschichte von Robin Swift, einem chinesischen Waisenjungen, der am renommierten Königlichen Institut für Übersetzung (Babel) in Oxford ...

"BABEL" von R.F. Kuang entführt uns ins Jahr 1828 und erzählt die Geschichte von Robin Swift, einem chinesischen Waisenjungen, der am renommierten Königlichen Institut für Übersetzung (Babel) in Oxford studiert. Das Besondere an Babel ist, dass hier nicht nur Sprachen, sondern auch Magie gelehrt wird. Als Robin den Verrat an seinem Mutterland erkennt, findet er sich zwischen den Fronten von Babel und dem Hermes-Bund wieder, einer Organisation, die gegen die imperiale Expansion kämpft.

Was mich an diesem Buch beeindruckt hat, ist die intensive Charakterpsychologie und der historische Detailreichtum, den Kuang gekonnt einbringt. Ungeschönt thematisiert sie den Alltagsrassismus und Sexismus der damaligen Zeit. Dabei legt sie den Fokus auf die facettenreichen Charaktere und das faszinierende Leben in Babel. Die politischen Intrigen und der Widerstand gegen das Imperium sorgen für ein paar spannungsgeladene Momente. Der Protagonist in Kuangs Werk steht hauptsächlich durch seine Zerrissenheit im Vordergrund. Die Suche nach seiner eigenen Identität, die stark von der Sprache abhängt, wird sehr gut dargestellt. Dadurch regt das Werk von Kuang auch zum Nachdenken an. Es lädt uns ein, über die Macht der Sprache, die Strukturen der Macht und historisches Unrecht nachzudenken. Außerdem fand ich die Gefühlswelt von Einwanderern sehr interessant, da sich scheinbar mit der Akzeptanz einer fremden Lebensweise und Sprache immer eine gewisse Entfernung von den eigenen Wurzeln ergibt, was zu einer Identitätskrise führen kann.

Trotz all dieser positiven Aspekte muss ich leider zugeben, dass "BABEL" für mich persönlich kein besonderes Lesehighlight war. Die Hauptfigur, Robin Swift, blieb für mich zu farblos und uninspiriert, während andere Charaktere deutlich interessanter erschienen. Die Geschichte selbst litt unter einem Mangel an Authentizität und emotionaler Tiefe. Die Zeitabläufe waren undeutlich, die Handlung plätscherte teilweise vor sich hin, und tragische Szenen wirkten nicht immer stimmig im Gesamtkontext. Manche Kapitel hingegen fand ich absolut unnötig und wirklich störend (Rückkehr aus China). Es war fast so, als würde ich eine oberflächliche Zusammenfassung einer Romanreihe lesen, anstatt vollständig in das Abenteuer einzutauchen.

Alles in allem empfand ich "BABEL" als eine fesselnde Lektüre, die mich tiefgründig über die Themen Sprache/Übersetzung, Integration und soziale Ungerechtigkeit nachdenken ließ. Die einzigartige Magie in diesem Buch hat mich begeistert und nein, es hat keinster Art und Weise etwas mit Harry Potter gemein, auch wenn das bei der Vermarktung des Buches anders wirkt. Mein Fazit lautet: Ich gebe dem Buch 4 von 5 Punkten.

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Veröffentlicht am 14.05.2023

Sommerroman mit subtiler Spannung

One of the Girls
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Lucy Clarke erzählt die Geschichte von sechs Frauen, die auf einer griechischen Insel den Junggesellinnenabschied von Lexie feiern. Das Buch ist kein klassischer Thriller, sondern lebt von der ...

Lucy Clarke erzählt die Geschichte von sechs Frauen, die auf einer griechischen Insel den Junggesellinnenabschied von Lexie feiern. Das Buch ist kein klassischer Thriller, sondern lebt von der subtilen Spannung, die sich durch die Erzählung der Geschichten und Geheimnisse der Frauen aufbaut. Die Autorin erschafft dabei eine komplexe Beziehungsdynamik zwischen den Charakteren, von denen jede ihre eigenen Geheimnisse und Absichten hat. Der flüssige Schreibstil trägt dazu bei, dass man die Geschichte schnell und leicht lesen kann.



Allerdings hat das Buch auch einige Schwächen. Es fehlt für einen Thriller an Spannung, da der Todesfall erst auf den letzten Seiten des Buches erwähnt wird und die Auflösung unbedeutend ist. Zumindest waren die vielen Konflikte im Anschluss nicht wirklich ausschlaggebend und sofort vergessen. Zudem überschlagen sich die Enthüllungen am Ende und wirkend dabei zu konstruiert und klischeehaft.



Insgesamt ist "one of the girls" ein gelungener Sommerroman, da er von der subtilen Spannung und den interessanten Charakteren lebt. Man weiß zwar, dass es am Ende eine Leiche geben wird, doch wer und warum bleiben bis zum Ende offen.

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Veröffentlicht am 02.03.2023

Blick hinter die Fassade

Die Perfektionen
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In "Die Perfektionen" von Vincenzo Latronico werden die Porträts von Anna und Tom, zwei jungen Graphikdesignern in Berlin, gezeichnet. Der Schreibstil des Romans wird auf dem Büchrücken treffend ...

In "Die Perfektionen" von Vincenzo Latronico werden die Porträts von Anna und Tom, zwei jungen Graphikdesignern in Berlin, gezeichnet. Der Schreibstil des Romans wird auf dem Büchrücken treffend als "lakonisch und satirisch" beschrieben und die Geschichte lässt sich gut innerhalb eines Abends lesen. Durch die Beschreibung der Wohnung des Paares, die voller typischer Instagram-tauglichen Einrichtungskonzepte ist, wird die Unverbindlichkeit und Beliebigkeit des Mainstreams dargestellt, die sich auf ihr gesamtes Leben ausdehnt. Mit der Veränderung Berlins und dem Weggehen ihrer Freunde, wächst die Sehnsucht nach einem neuen Aufbruch, aber die beiden finden keine notwendige Ruhe.

Latronico schafft es, ein universelles Porträt einer Generation zu schaffen, die nach Bedeutung und Sinnhaftigkeit sucht. Der Roman ist vielschichtig und interpretationsoffen, mit einem Nachklang, der die Frage nach einem eigenen Bedürfnis nach einer Fassade aufwirft.

Die Hardcover-Ausgabe kommt in einem schlichten Cover einher, das sehr gut zu dem verzerrten Bild der Alltagsrealität unserer Protagonisten passt. Von links her zieht sich ein leichter Schleier über das Cover, der auch den Titel leicht verwischt und durch eine besondere Habtik noch mehr an Prominenz gewinnt.

Als Fazit muss ich sagen, dass dieses Buch zum Nachdenken anregt. Nicht nur zur eigenen Situation, sondern vielmehr eröffnet es eine Sichtweise darauf, unter welchen Umständen eine vermeintlich perfekte "Fassadenrealität" aufrecht erhalten wird, die heutzutage als das Ziel vieler junger Menschen betrachtet wird

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Veröffentlicht am 30.06.2024

Starker Anfang, enttäuschendes Ende

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
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"Das Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland" von Sarah Brooks ist ein faszinierender Roman, der sich den Genres nicht klar zuordnen lässt. Er vereint Elemente des Abenteuerromans, der ...

"Das Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland" von Sarah Brooks ist ein faszinierender Roman, der sich den Genres nicht klar zuordnen lässt. Er vereint Elemente des Abenteuerromans, der Fantasy und der historischen Fiktion und entführt den Leser in die Welt der Transsibirischen Eisenbahn um das Jahr 1899. Die Geschichte folgt den Passagieren Maria, Dr. Grey und Weiwei, die jeweils aus unterschiedlichen Gründen die gefährliche Reise durch das Ödland antreten.

Von Beginn an bleibt vieles im Unklaren, was die Spannung hochhält und den Leser dazu bringt, immer weiterzulesen. Die Autorin spielt geschickt mit Andeutungen und lässt die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen. Dies schafft eine dichte Atmosphäre, die das Ödland fast mythologisch erscheinen lässt. Besonders beeindruckend sind die lebendigen Beschreibungen der Landschaft und der Zugfahrt, die den Leser das Geschehen förmlich miterleben lassen.

Die Charaktere entwickeln sich im Laufe der Geschichte weiter und werden mit ihren Ängsten und Hoffnungen konfrontiert. Der Roman beleuchtet dabei nicht nur die psychologischen Auswirkungen des Reisens, sondern auch die gesellschaftlichen und ökologischen Themen. Er kritisiert die Industrialisierung und Kommerzialisierung und mahnt zu einem respektvolleren Umgang mit der Natur.

Die Handlung nimmt ab der Mitte des Buches an Tempo auf, wird jedoch im letzten Viertel etwas enttäuschend. Die Auflösung des Mysteriums um die letzte Durchquerung des Ödlands bleibt schwach und weniger glaubhaft, was den Gesamteindruck etwas trübt. Trotz einiger Längen und einer teilweise unrealistischen Fantasiewelt überzeugt das Buch durch seine sprachliche Qualität und die gelungenen Charakterisierungen.

Insgesamt ist "Das Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland" ein außergewöhnlicher Roman, der durch seine Mischung aus verschiedenen Genres und die tiefgründigen Themen besticht. Wer sich auf ein ungewöhnliches Leseerlebnis einlassen möchte, wird an diesem Buch viel Freude haben.

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Veröffentlicht am 11.06.2024

Ein vielschichtiger Blick auf persönliche Suche und gesellschaftlichen Kontext

Seinetwegen
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In "Seinetwegen" von Zora del Buono verschmelzen emotionale Tiefe und informative Einblicke in einer vielschichtigen und teilweise autobiografischen Erzählung. Die Erkundung der persönlichen Suche nach ...

In "Seinetwegen" von Zora del Buono verschmelzen emotionale Tiefe und informative Einblicke in einer vielschichtigen und teilweise autobiografischen Erzählung. Die Erkundung der persönlichen Suche nach dem Unfallverursacher des Vaters führt den Leser durch eine Mischung aus aneinander gereihten Anekdoten und sachlichen Fakten. Trotz der lebendigen Charaktere bleibt jedoch eine gewisse Distanz zur Handlung bestehen und die emotionale Verbundenheit, die dieses Thema abverlangt, ist bei mir nur bedingt aufgekommen. Der Wechsel zwischen persönlicher Geschichte und gesellschaftlichem Kontext macht das Lesen sowohl spannend als auch sprunghaft. Obwohl mir die emotionale Anbindung fehlte, fand ich die Vielfalt an Informationen interessant. Die Authentizität der Charaktere und die subtile Darstellung menschlicher Beziehungen machen das Buch zu einer durchaus lesenswerten, wenn auch bedingt überzeugenden Lektüre.

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