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Veröffentlicht am 30.06.2024

Reich, ungeliebt, tot

Toskanisches Verhängnis
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„Toskanisches Verhängnis“ von Camilla Trinchieri ist bereits der vierte Fall mit Nico Doyle als Ermittler, ein Wohlfühlkrimi, unblutig, in sympathischem Umfeld und mit wunderbarem italienischem Ambiente.

Worum ...

„Toskanisches Verhängnis“ von Camilla Trinchieri ist bereits der vierte Fall mit Nico Doyle als Ermittler, ein Wohlfühlkrimi, unblutig, in sympathischem Umfeld und mit wunderbarem italienischem Ambiente.

Worum geht es?
Eine reiche Witwe wurde ermordet, unter rätselhaften Umständen. Nico, der Ex-Cop aus New York, wird benötigt, denn die einzige Person, die zum Zeitpunkt des Mordes im Haus war, spricht nur Englisch. Gemeinsam mit dem örtlichen Polizeichef Perillo beginnt er, das Umfeld des Opfers zu ergründen, an Verdächtigen mangelt es nicht …

Das Cover zeigt eine typische Landschaft der Toskana, ein wenig nebelverhangen, irgendwie symbolisch für die schwierigen Ermittlungen, wo Nico und Perillo weitgehend im Nebel herumstochern. Das Buch erschien 2024 in der Originalausgabe unter dem Titel „The Road to Murder“ und wurde aus dem amerikanischen Englisch von Sonja Hauser übersetzt. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Das Flair der Toskana kommt sehr eindrucksvoll zum Ausdruck durch stimmungsvolle Schilderungen, auch durch gewisse Alltagsszenen, das familiäre Zusammenleben, vor allem aber durch all die beschriebenen kulinarischen Genüsse. Man wird bei dieser Lektüre nicht nur hungrig, sondern würde sich am liebsten hinbeamen in diese Restaurants. Unterstrichen wird das Lokalkolorit auch durch gut dosierte eingestreute italienische Ausdrücke. Die Kapitel haben eine angenehme Länge. Die Handlung spielt in der nicht näher festgelegten Gegenwart.

Ich bin als Quereinsteigerin problemlos in die Geschichte hineingekommen. Soweit erforderlich sind Hinweise auf Vorhergegangenes vorhanden. Zudem gibt es am Ende des Buches eine umfangreiche Personenliste, wobei ich anregen würde, diese am Beginn zu positionieren (weil Menschen wie ich, die nie das Ende ausspionieren, diese Liste erst entdecken, wenn das Buch ausgelesen ist). Jeder einzelne Band dieser Reihe steht für sich alleine. Kenntnis der Vorgängerbände ist nicht erforderlich.

Der Spannungsbogen ist von Beginn bis zum Ende gegeben. Der Schauplatz des geschlossenen Raumes, eine Augenzeugin, die offensichtliche Unmöglichkeit des Entkommens des Mörders, allein diese Komponenten werfen eine Menge Fragen auf. Der erste Verdacht, das Naheliegende, kann es doch nicht sein – oder doch? Das Rätselhafte und eine Menge Ungereimtheiten ziehen sich durch den gesamten Fall. Der Kreis der Verdächtigen scheint überschaubar, auch mangelt es nicht an Motiven und doch tappen Nico und Perillo lange im Dunkeln. Viel Raum zum Miträtseln, was ich an Krimis besonders schätze. Irgendwie verlaufen alle Spuren im Sand, nichts ist wirklich greifbar. Denn die Verdächtigen lügen, erzählen Halbwahrheiten, verheimlichen alle etwas. Durch unzählige Befragungen gelingt es Nico und Perillo, sich stückchenweise der Wahrheit zu nähern. Letztlich bringt ein weiterer Todesfall den Stein ins Rollen, verdichten sich Verdachtsmomente gegenüber einer bestimmten Person. Schließlich klärt sich der Fall, schlüssig und doch einigermaßen überraschend.

Das Ermittler-Team, einerseits der Polizeichef Perillo und seine Leute, andererseits Nico Doyle, sind sympathisch gezeichnet, sehr menschlich, mit Stärken und Schwächen, Emotionen und privatem Umfeld, letzteres gut dosiert, die Persönlichkeit unterstreichend. Insbesondere die zwischenmenschlichen Beziehungen runden das Wohlfühlklima, das der Krimi ausstrahlt, gut ab: Fürsorge, Hilfsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein für andere. Auch Randfiguren sind gut vorstellbar und lebendig dargestellt.

„Toskanisches Verhängnis“ hat mir spannende Lesestunden beschert, Erinnerungen an wunderbare Aufenthalte in der Toskana aufgefrischt und Reiselust geweckt. Es war dies mein erstes Buch dieser Autorin, sicher nicht mein letztes. Von mir gibt es eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 28.06.2024

Ein rätselhafter Unfall und ein kaltblütiger Mord

Lavendel-Sturm
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„Lavendel-Sturm“ von Carine Bernard ist ein Wohlfühlkrimi, unblutig, mit stimmungsvollem Provence-Flair.

Worum geht es?
Eine junge Frau wird tot in einer Höhle aufgefunden. Es ist die Schwester von Valerie, ...

„Lavendel-Sturm“ von Carine Bernard ist ein Wohlfühlkrimi, unblutig, mit stimmungsvollem Provence-Flair.

Worum geht es?
Eine junge Frau wird tot in einer Höhle aufgefunden. Es ist die Schwester von Valerie, einer Kollegin von Kommissarin Lilou Braque. Pascal, der Freund der Toten hat sie immer wieder zu Drogenkonsum verleitet. Als Pascal ermordet wird, verdächtigt Lilou Valerie …

Bereits das Cover mit dem Lavendelfeld stimmt sehr eindrucksvoll auf die Provence ein. Das Buch erschien 2024 und ist bereits der 6. Band dieser Reihe mit Lilou Braque als zentrale Protagonistin. Ich fühlte mich nach wenigen Seiten wieder heimisch in Lilous Umfeld. Auch als Quereinsteiger*in kommt man sicher problemlos in die Geschichte hinein, jeder Fall steht ja für sich alleine. Allerdings ist es nicht so einfach, den umfangreichen Personenkreis zu überblicken. Ein Personenverzeichnis wäre da wohl hilfreich. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Das Flair der Provence kommt sehr eindrucksvoll zum Ausdruck durch stimmungsvolle Szenerien, anschauliche Beschreibungen der Landschaft, des dörflichen Treibens und insbesondere von verlockenden kulinarischen Genüssen. Das Lokalkolorit wird auch durch französische Ausdrücke gut dosiert unterstrichen. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, verfügen jedoch über keine Zeitangaben. Die Handlung spielt in der nicht näher festgelegten Gegenwart. Eine Landkarte hätte mir gefallen, um die Schauplätze geografisch besser zuordnen zu können.

Von Beginn an ist man voll in die Ermittlungen integriert und mit den rätselhaften Komponenten konfrontiert und teilt Lilous Zweifel an der Unfallversion. Nach dem Mord sind es zunächst zwei scheinbar unabhängige Fälle, die noch dazu von verschiedenen Polizeibehörden bearbeitet werden. Während der Tod der jungen Frau als Unfall angesehen und quasi als erledigt angesehen wird, konzentrieren sich die Ermittlungen Lilous und ihres Teams auf den Mord an Pascal. Generell verläuft die Handlung relativ ruhig, die Recherchen gestalten sich mühsam. Privates ist mit Dienstlichem geschickt verwoben. Auch ohne Action gibt es ausreichend Spannungsmomente und unerwartete Wendungen und Erkenntnisse, um die Spannung am Köcheln zu halten. Letztlich klärt sich alles schlüssig und einigermaßen überraschend.

Sowohl Lilous privates Umfeld als auch das polizeiliche Ermittlerteam sind sympathisch gezeichnet. In der Dienststelle herrscht ein freundschaftlicher Umgangston und Teamarbeit. Die Charaktere, auch von Nebenfiguren, sind gut vorstellbar dargestellt. Im Mittelpunkt steht Lilou. Sie ist zwar erst seit kurzem Commissaire, hat sich bereits gut eingearbeitet und wird allseits respektiert. Sie liebt ihren Beruf, setzt sich voll ein, zeigt Eigeninitiative, verfolgt ihre Ziele, vertraut auch ihrer Intuition. Sie ist ehrgeizig, will Karriere machen, noch denkt sich nicht an Familiengründung – im Gegensatz zu ihrem Freund Simon. Wie sich die Beziehung wohl weiterentwickeln wird?

„Lavendel-Sturm“ ist ein Krimi mit Schwerpunkt Polizeiarbeit, wo sich erst nach und nach die Verdachtsmomente verdichten, ein Krimi mit einem sympathischen Umfeld, sowohl beim Polizeiapparat als auch im privaten Bereich der Protagonistin. Mit einem Wort: ein Wohlfühlkrimi, der zudem anhand der verlockenden landschaftlichen Schilderungen auch Fernweh weckt. Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Ich freue mich schon jetzt auf weitere Fälle mit Lilou.

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Veröffentlicht am 23.06.2024

Ein ungewöhnlicher Fall, eine unerwartete Lösung

Ihr raffiniertes Spiel
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„Ihr raffiniertes Spiel“ von Ruth Mancini ist ein Thriller mit einem außergewöhnlichen Tathergang.

Worum geht es?
Eine Frau stützt von deiner Dachterrasse – Selbstmord oder Mord? Tate Kinsella gibt zu ...

„Ihr raffiniertes Spiel“ von Ruth Mancini ist ein Thriller mit einem außergewöhnlichen Tathergang.

Worum geht es?
Eine Frau stützt von deiner Dachterrasse – Selbstmord oder Mord? Tate Kinsella gibt zu Protokoll, die Frau kürzlich kennengelernt zu haben, dass diese Frau deprimiert war, selbstmordgefährdet. Tate bestreitet aber, mit ihr am Dach gewesen zu sein. Doch die Polizei glaubt ihr nicht, sie wird verhaftet, ist die Hauptverdächtige.

Das Cover mit der an der Dachkante stehenden Frau unterstreicht die Thematik. Das Buch erschien 2024 und trägt in der Originalausgabe den Titel „The Woman On The Ledge“. Aus dem Englischen übersetzt wurde es von Frauke Meier. Der Roman gliedert sich in sechs Teile, in fast 60 kurz gehaltene Kapitel, teilweise mit Datumsangaben versehen, wodurch man sich chronologisch gut zurechtfindet und auch Rückblenden deutlich erkennbar sind. Die Handlung spielt in der Gegenwart, vermutlich im Jahr 2022. Schauplatz ist London. Der Schreibstil ist flüssig und packend.

Nicht nur im Titel des Buches steckt das Wort „raffiniert“. Der gesamte Handlungsaufbau verdient diese Bezeichnung. Immer wenn ich zu wissen glaubte, worauf alles hinausläuft, trat eine Wendung ein, die all meine Überlegungen über den Haufen warf, und alles nahm eine total andere Richtung ein. Von Abschnitt zu Abschnitt klären sich die Zusammenhänge, werden bereits geschilderte Szenen anders gedeutet, erkennt man Fehlinterpretationen, sieht vieles mit anderen Augen. Näher kann ich auf die Handlung nicht eingehen, zu groß ist die Gefahr etwas zu verraten. Zusammenfassend sei nur angemerkt, dass das Buch von der ersten bis zur letzten Seite extrem spannend ist. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Es bleiben letztlich auch keine Fragen offen, alles klärt sich schlüssig.

Im Mittelpunkt steht Tate Kinsella, ein unbedeutende Schauspielerin, die als Bürohilfskraft ihren Lebensunterhalt verdient. Aus ihrer Sicht werden auch die Ereignisse erzählt. Im Laufe der Handlung gewinnen noch weitere Frauen an Bedeutung, allesamt eindrucksvolle, mutige Persönlichkeiten. Gut vorstellbar gezeichnet.

„Ihr raffiniertes Spiel“ ist ein Pageturner, ein exzellenter Thriller mit einem ausgezeichnet aufgebauten Plot, ein Buch, das ich wärmstens empfehlen möchte. 5 Sterne.

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  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 21.06.2024

Ringen um Achtung und Gleichberechtigung

Leben
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„Leben“ von Hilde Möller ist ein berührender autobiographischer Roman, die Geschichte eines ausgefüllten, abwechslungsreichen Frauenschicksals der heutigen Zeit, mit all seinen Höhen und Tiefen.

Klappentext:
Zwei ...

„Leben“ von Hilde Möller ist ein berührender autobiographischer Roman, die Geschichte eines ausgefüllten, abwechslungsreichen Frauenschicksals der heutigen Zeit, mit all seinen Höhen und Tiefen.

Klappentext:
Zwei Ehen, drei Männer, vier Länder, viele Kinder. Glück und Selbstzweifel, Aufbrüche, Zusammenbrüche, Schicksalsschläge, leben!
Als Georg bei einem Spaziergang neben ihr tot zusammenbricht, scheint Hannahs Leben seinen Sinn zu verlieren.
Doch sie greift zur Feder, schreibt …

Auf dem Cover meiner Ausgabe aus dem Jahr 2009 sitzt eine Frau alleine und blickt hinaus aufs Meer. Das Foto symbolisiert sehr gut die Situation der Protagonistin, die sich im Laufe ihres Lebens trotz großer Familie sehr oft alleingelassen fühlte, nicht erst als ihr Mann verstarb. Der Schreibstil ist nicht nur flüssig, sondern besticht u.a. dadurch, dass die Autorin sehr gelungen Stimmungen einfängt: Das Fremdartige und gleichermaßen Faszinierende anderer Kulturen ebenso wie die Atmosphäre von Städten, romantische Momente der Zweisamkeit und die Herausforderungen des Alltags mit einer zahlreichen Kinderschar, Krisenzeiten und traumhafte Reisen. Immer wird man durch die Lebendigkeit des Erzählstils in die Welt der Protagonistin hineingezogen.

Erzählt wird abwechselnd in zwei Zeitebenen. Beginnend mit dem plötzlichen Tod ihres Mannes im Jahr 2001, in Ich-Form, durch Kursivschrift sich von der rückblickenden chronologischen Erzählung abhebend. Den Hauptteil nimmt die Erzählung ein über Hannah und Georg, über die 43 Jahre ihres abwechslungsreichen gemeinsamen Lebens, beginnend mit dem Jahr 1957.

Im Mittelpunkt steht Hannah. Und es geht nicht nur um Hannahs persönliches Schicksal, sondern im Prinzip verkörpert sie die Position der Frauen in den 50er bis 70er Jahren, wo die Männer das Sagen hatten, sich primär dem Beruf, ihrer Karriere widmen konnten, die Frauen auf das Hausfrauendasein und Kindererziehen reduziert wurden, einfach aus einer Selbstverständlichkeit aus Sicht der Männer heraus. Und Hannah will mehr sein als „nur Hausfrau“, als „nur Mutter“, als „Georgs Frau“. Sie träumt davon als Individuum, als sie selbst wahrgenommen zu werden, sie will echte Partnerschaft.

Ich empfand während des Lesens unheimliche Bewunderung für diese Frau, die die ständig wachsende Kinderschar mehr oder weniger alleine aufziehen musste, weil der Mann beruflich stark eingespannt und vielfach sogar auf Reisen war. Sie trug für den funktionierenden Haushalt und die Kinder die Verantwortung. Doch sie selbst, ihre eigene Persönlichkeit blieb dabei auf der Strecke, es ist ein langer, schwieriger Weg mit vielen Tiefen und Krisen, bis sie nicht nur Selbstbewusstsein und Gleichberechtigung erlangte, sondern sogar Erfolge und Anerkennung.

Mich hat dieser Roman sehr berührt. Einerseits die Trauer um den geliebten Mann. Andererseits die Kraft, die in dieser Frau immer steckte, auch wenn sie sie nicht wahrnahm und eher unter Minderwertigkeitskomplexen litt. Mich beeindruckte die Abenteuerlust, der Mut, sich immer in Unbekanntes, Neues zu stürzen. In keiner Phase war diese Lebensgeschichte langatmig, im Gegenteil, sie hat mich gefesselt wie so mancher Krimi, diese ehrliche Schilderung von Krisen, Schicksalsschlägen, all diese facettenreichen Emotionen. Letztlich macht so eine Story auch einem selber Mut, was ein Mensch alles bewältigen und zum Guten wenden kann.

Für mich war „Leben“ mein Lesehighlight in diesem Jahr! Eine unbedingte Leseempfehlung meinerseits und natürlich 5 Sterne!

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Veröffentlicht am 15.06.2024

Packend, ergreifend und berührend – ein Lesehighlight!

Tal der Sehnsucht
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In „Tal der Sehnsucht“ schildert Astrid Korten sehr eindrucksvoll, gefühlsstark und spannend das harte und entbehrungsreiche Leben einer kanadischen Farmersfamilie Anfang des 20. Jahrhunderts.

Worum geht ...

In „Tal der Sehnsucht“ schildert Astrid Korten sehr eindrucksvoll, gefühlsstark und spannend das harte und entbehrungsreiche Leben einer kanadischen Farmersfamilie Anfang des 20. Jahrhunderts.

Worum geht es:
Der Mathematikprofessor Jamie McHannay kehrt anlässlich der Beerdigung seiner Mutter auf die elterliche Farm zurück. Das Wiedersehen mit seinem Stiefvater Logan Taylor verläuft distanziert, Jamie kann seine negativen Gefühle ihm gegenüber nicht abschütteln. Doch dann vermitteln die Tagebücher aus dem Nachlass seiner Mutter Jamie tiefe Einblicke in das Leben und die Gefühlswelt seiner Eltern.

Das Cover in den Pastelltönen sticht vielleicht nicht sofort ins Auge, doch harmoniert es vorbildlich mit dem Titel – es ist quasi „leise“, unaufdringlich, Sehnsucht ist ein leises Gefühl. Das Buch erschien 2024 und gliedert sich in zwei Teile, nämlich die Jahre, als Jamies Vater noch lebte, und jene mit seinem Stiefvater. Die insgesamt 38 Kapitel sind jeweils mit Titeln versehen und haben eine angenehme Länge. Außer Prolog und Epilog aus dem 1962 spielt die Handlung in den 1920er Jahren in Brownsville, Kanada. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, die Sprache der Zeit angepasst.

Dies war nicht mein erstes Buch der Autorin, die ich bislang vor allem von fesselnden Thrillern her kannte. Wie stets bei Astrid Korten bildet auch bei dieser höchst emotionalen Familiengeschichte ausgezeichnete Recherchearbeit den Hintergrund für ein anschauliches, gut vorstellbares, mit vielen Details gespicktes Zeitbild.

Von Anfang an wurde ich regelrecht hinein gesogen in die Welt dieser kanadischen Farmersfamilie, ein Leben mit und gegen Naturgewalten, wo Waldbrände und Schneestürme Lebensgefahr bedeuten, ein Leben in Einsamkeit, in Naturverbundenheit. Die Schilderungen sind wunderbar lebendig, reich an kritischen Situationen, wo ich nicht umhin konnte, mit den Protagonisten zu leiden, mich zu ängstigen oder mit zu fiebern, dass sie der Gefahr wohlbehalten entrinnen mögen.

Abgesehen von den Spannungsmomenten nahmen mich aber vor allem die facettenreich und sehr intuitiv dargestellten Persönlichkeiten gefangen. Von einigen Randfiguren abgesehen entwickelt sich die Handlung durch das Aufeinandertreffen von sehr schwierigen, von früheren Erlebnissen geprägten Charakteren. Logan, kräftig, fleißig, durchsetzungsstark, hilfsbereit und tüchtig, trägt ebenso eine Schwachstelle in sich wie Everly, eine stolze und eigenwillige, auch leidenschaftliche Frau und Mutter, die in erster Linie das Wohl ihres Kindes sieht. Die Zentralfigur ist der empfindsame, naturverbundene Jamie, der sehr um seinen lebensfrohen und verständnisvollen Vater trauert, und der vom Stiefvater lange Zeit missverstanden und nicht so akzeptiert wird, wie er ist. Die Entwicklung, das Zueinanderfinden, die Akzeptanz jener Wesenszüge des anderen, die der eigenen Denkweise nicht entsprechen, machen den Roman zu einem besonderen Leseerlebnis.

„Tal der Sehnsucht“ hat mich einfach begeistert – ein Pageturner, den ich kaum aus der Hand legen wollte, spannend und bewegend zugleich. Für dieses wunderbare Buch gibt es von mir eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne.

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