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Veröffentlicht am 12.07.2024

Goldgräberstimmung

Feuerjagd
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Die 15jährige Trey lebt mit ihrer Mutter Sheila und den kleineren Geschwistern oben auf dem Berg. Meist aber ist sie unten bei Cal, dem ehemaligen Cop aus Chicago, der sich hier ein Haus gekauft hat. Seinen ...

Die 15jährige Trey lebt mit ihrer Mutter Sheila und den kleineren Geschwistern oben auf dem Berg. Meist aber ist sie unten bei Cal, dem ehemaligen Cop aus Chicago, der sich hier ein Haus gekauft hat. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er nun mit Schreinerarbeiten und dabei hilft ihm Trey nur zu gerne. Beide sind sie in ihrem Element, wenn sie alten Möbeln zu neuem Glanz verhelfen können. Aber nicht nur das, auch ein neues Möbelstück wird gerne mal in Auftrag gegeben. Den nötigen Halt geben ihr Cal und auch Lena, beide sind sie verbandelt, leben jedoch nicht zusammen. Als dann Treys Vater Johnny wieder mal unerwartet auftaucht und mit ihm ein Engländer, der den Dörflern viel verspricht, kommt Unruhe in diese Gegend.

„Feuerjagd“ ist der zweite Band, der im bergigen Westen von Irland angesiedelt ist. „Der Sucher“, das erste Buch um Cal Hooper, habe ich nicht gelesen und doch hatte ich nie das Gefühl, dass mir Entscheidendes fehlen würde, denn das für dieses Buch wichtige Vorgeschehen ist hier gut integriert.

Das Buch beschreibt eine Dorfidylle, die mehr ist als der äußere Schein. Es ist eine Milieustudie, ein Konglomerat unterschiedlicher Charaktere. Da sind Johnny und der Engländer, die den Leuten vom schnellen Reichtum erzählen und felsenfest davon überzeugt sind, dass alle hier in Ardnakelty dem vermeintlichen Goldrausch erliegen. Nun, irgendwann liegt ein Toter in den Bergen. Hat sein Tod mit dieser Goldgräberstimmung zu tun?

Tana French ist eine exzellente Beobachterin. Ihre Figuren sind charakterstarke Persönlichkeiten, vom Leben geprägt. Trey etwa musste schon früh lernen, dass ihr Vater viel verspricht, er davon wenig bis gar nichts davon einhält, er eher mit Abwesenheit glänzt und nur dann zurückkommt, wenn er keinen anderen Ausweg für sich sieht. Cal hingegen ist ganz anders, er ist verlässlich, die Dorfbewohner jedoch sehen ihn, den Zugezogenen, nicht immer wohlwollend an, was Cal durchaus bewusst ist.

Der sehr ruhige, unaufgeregte Schreibstil war mir stellenweise zu ausführlich, hatte jedoch mehr und mehr eine Sogwirkung, die weitertreibt. Dabei dringt man tief vor in das Seelenleben der einzelnen Charaktere, menschliche Abgründe tun sich auf, vermeintlich gut gehütete Geheimnisse drängen an die Oberfläche. Das Verbrechen ist schon auch da, wird jedoch eher hintangestellt. Hier geht es vielmehr um das fein ausbalancierte Zwischenmenschliche. Um Verlässlichkeit und Fürsorge, aber auch um Schlitzohrigkeit, um Hinterhältigkeit und Betrug.

Es ist ein Roman, direkt aus dem Leben gegriffen. Eine fein nuancierte Charakterstudie vor dem Hintergrund des irischen Berglandes, meisterhaft in Szene gesetzt.

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Veröffentlicht am 08.07.2024

Brisantes Thema, leider nur zu aktuell

VIEWS
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Zuletzt habe ich mir von Marc-Uwe Kling den „Spurenfinder“ vorlesen lassen. Witzig und spritzig ist diese Fantasy-Kriminalgeschichte…

…und nein, so ist sein neuestes Werk garantiert nicht. „Views“ ist ...

Zuletzt habe ich mir von Marc-Uwe Kling den „Spurenfinder“ vorlesen lassen. Witzig und spritzig ist diese Fantasy-Kriminalgeschichte…

…und nein, so ist sein neuestes Werk garantiert nicht. „Views“ ist erschreckend aktuell. Wenngleich ich mir dieses Szenario nicht wünsche, so sind wir doch auf dem besten Weg hin zu diesen krassen Fake-Filmen, die dank KI immer besser werden. Mit Fake-News werden wir schon länger belästigt und leider gibt es viel zu viele, die diese „Nachrichten“ glauben. Auch ist hinlänglich bekannt, dass rechte Parteien Social-Media für sich nutzen, um ihre gefakten Parolen unter die Leute zu bringen.

Drei Tage ist die 16jährige Lena nun schon verschwunden, als ein schockierendes Video auftaucht. Es verbreitet sich rasend schnell, neben all den Hass-Kommentaren kommt es auf den Straßen zu gewalttätigen Szenen. Eine rechtsradikale Gruppierung nutzt diese Stimmung nicht nur für sich, sie stachelt sie auch zusätzlich an. Die BKA-Kommissarin Yasira Saad ermittelt, kommt aber nicht recht voran. Bis sie einen ganz neuen Ermittlungsansatz verfolgt, mit dem sie jedoch ziemlich alleine dasteht.

Ich habe mich für das vom Autor gelesene Hörbuch (6 Stunden und 10 Minuten) entschieden und es nicht bereut. Er bringt die jeweilige Stimmung perfekt auf den Punkt, er hat mich nach den erwarteten Anfangsszenen dann komplett in diese Story abtauchen lassen, er beschreibt ein verstörendes Abbild unserer Zeit. Nun, eine gewisse Klientel springt auf all die KI generierten Bilder und Filme an und genau dies manchen sich dunkle Mächte zu eigen.

„Views“ ist ein Thriller, der sehr nachdenklich macht, der unsere schöne Medienwelt auf beklemmende Weise hinterfragt. Der Schluss passt für mich perfekt in diese Thematik, man ahnt – nein – man weiß, wie es enden wird. Ein interessantes Thema, spannend und hochaktuell umgesetzt.

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Veröffentlicht am 07.07.2024

Absolut fesselnd

Der Familiensammler (Thriller)
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Eine junge Frau liegt mit durchschnittener Kehle auf ihrem Esstisch - den Kriminaloberkommissaren Emma Bajetzky und Alex Kuper bietet sich ein grauenhaftes Bild. Von ihren kleinen Kindern fehlt jede Spur, ...

Eine junge Frau liegt mit durchschnittener Kehle auf ihrem Esstisch - den Kriminaloberkommissaren Emma Bajetzky und Alex Kuper bietet sich ein grauenhaftes Bild. Von ihren kleinen Kindern fehlt jede Spur, auch ist der Vater und Ehemann nicht auffindbar. Die beiden Ermittler tappen vollkommen im Dunkeln. Als dann kurz darauf eine zweite Leiche gefunden wird, ebenfalls eine junge Mutter mit durchschnittener Kehle, auch ihre Kinder sind verschwunden, gehen sie von einem Serientäter aus.

Es ist nicht mein erster Thriller, den ich von Gunnar Schwarz gelesen habe und es wird auch nicht mein letzter sein, denn er versteht es bestens, seine Leser regelrecht durch die Seiten zu peitschen. „Der Familiensammler“ ist spannend ab Seite eins und lässt auch nicht nach, um gegen Ende zu die Dramatik nochmal extrem zu steigern. Bei den Leichen tauchen Zitate aus Peter Pan auf – was hat es damit auf sich? Die Ermittler durchleuchten die jeweiligen Familienstrukturen, die Lebensweise der Eheleute wird sichtbarer und bei jedem neuen Fall sind es die Kinder, die weg sind. Unauffindbar. Die Zeit läuft ihnen davon, denn wer weiß, ob sie die Kleinen retten können. Was treibt den Täter an? Ist es einer oder sind es mehrere? Verdächtige gibt es einige, sie gehen jeder Spur nach und doch verlaufen viele davon im Sande.

Für Gunnar Schwarz nehme ich mir immer einige freie, ungestörte Stunden, um im Geschehen bleiben zu können. Denn einmal angefangen, drängt es mich einfach, weiterzulesen. Auch hier war es wiederum dramatisch, sehr spannend und absolut fesselnd. Und beim nächsten Fall um das sympathische Ermittler-Duo werde ich ganz bestimmt wieder dabei sein, so viel ist gewiss.

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Veröffentlicht am 03.07.2024

Bad Oeynhausen während der Nachkriegsjahre 1945 bis 1947

Don't kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde Null
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Bad Oeynhausen hat sich ergeben. Die Panzer rollen. Die Briten besetzen die Stadt. Und nicht nur das, die Bevölkerung wird aus ihren Häusern vertrieben, sie muss sich am Rande der Stadt irgendwie einrichten, ...

Bad Oeynhausen hat sich ergeben. Die Panzer rollen. Die Briten besetzen die Stadt. Und nicht nur das, die Bevölkerung wird aus ihren Häusern vertrieben, sie muss sich am Rande der Stadt irgendwie einrichten, denn die Innenstadt ist verbotene Zone, sie wird mit einem Stacheldrahtzaun abgeriegelt und strengstens bewacht.

Anne muss mit ihrer Mutter und ihrer Schwester mit Familie ihr Hotel verlassen und auch Rosalie, deren Freundschaft mit Anne schon vor etlicher Zeit einen tiefen Riss bekam, verliert ihr Zuhause. Beide Frauen trauern um ihre Lieben, bei Anne sind es ihr Vater, ihr Bruder und ihr Verlobter, die im Krieg ihr Leben lassen mussten, Rosalies Mutter und ihr Bruder wurden bei einem Bombenanschlag getötet. Und nun müssen sie irgendwie überleben, es ist die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, Deutschland liegt in Trümmern.

Theresia Graw erzählt von den Nachkriegsjahren 1945 bis 1947. Stellvertretend für die vielen Schicksale lässt sie ihre Figuren diese Jahre erleben und bindet die fiktive Handlung in die historisch verbürgten Tatsachen ein. Die Menschen hatten damals neben dem stets nagenden Hunger mit einem schlimmen Hochwasser zu kämpfen, ein Dürresommer und ein strenger Winter waren eine Herausforderung, die nicht jeder überlebte. Das wenige, das sie noch hatten, wurde gegen ein Stück Brot getauscht, der Schwarzhandel blühte trotz des strengen Verbotes. Wer einen Arbeitsplatz in der Besatzungszone bei den Briten ergattern konnte, war fein heraus. Hier gab es alles – Zigaretten, Kaffee und viele unerschwingliche Luxusartikel, die wiederum begehrte Tauschobjekte waren.

Auch Rosalie, die bei einem Bauern und seinem Sohn Unterschlupf findet, kellnert am Wochenende bei den Briten, sie träumt davon, eines Tages mit einem schmucken Soldaten nach England zu gehen. Anne dagegen will lange nichts von den Tommys wissen, haben sie doch ihren Margarethenhof, ihr geliebtes Hotel, besetzt, während sie in einer zugigen Baracke haust. Die Umstände zwingen sie dann doch, als Dolmetscherin für die Besatzer zu arbeiten.

„Don´t kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde null“ erzählt von der Zeit danach. Der Krieg ist verloren, die Briten führen ein strenges Regiment. Und sie leben gut, ihnen mangelt es an nichts, im Gegensatz zur deutschen Bevölkerung. Ist der Kontakt zwischen den Deutschen und den Briten anfangs noch strengstens verboten, wird es zunehmend lockerer.

Das Buch hat mich tief berührt. Die Autorin beleuchtet diese Zeit durchaus kritisch, sie erzählt im Wechsel von Anne und von Rosalie und bindet diese fiktiven Elemente in die bestens recherchierte Historie ein. Gewaltsame Übergriffe gehören ebenso dazu wie eine Liebe, die aber weit entfernt von jeglicher Romantisierung ist. Dieser historische Roman ist ein beeindruckendes, ein rundum gelungenes Stück Zeitgeschichte, einfühlsam erzählt.

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Veröffentlicht am 30.06.2024

Welchem Muster folgen diese grausam in Szene gesetzten Morde?

Der Betrachter: Thriller
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Eine abgelegene Lagerhalle dient einem Obdachlosen wie so oft auch heute als Schlafplatz. Eine Kiste erregt seine Aufmerksamkeit und in der Hoffnung, etwas Verwertbares darin zu finden, hebelt er sie auf ...

Eine abgelegene Lagerhalle dient einem Obdachlosen wie so oft auch heute als Schlafplatz. Eine Kiste erregt seine Aufmerksamkeit und in der Hoffnung, etwas Verwertbares darin zu finden, hebelt er sie auf und – lässt sofort wieder die Finger davon. Eine Frau liegt in der relativ kleinen Kiste, hineingepfercht, zusammengerollt wie eine Kugel. Nur gut, dass ihm ein Kumpel sein mobiles Telefon überlassen hat und so meldet er diesen grausamen Fund. Die Spezialermittlerin Laura Kern vom LKA Berlin ist bald darauf mit Max, ihrem Kollegen, vor Ort. Ein bunter Schmetterlingsflügel fällt ihnen bei näherer Betrachtung ins Auge, die Tote hält ihn zwischen ihren Fingern.

Über die Krankenschwester Monika Nowak hagelt es Beschwerden, da sie einzelnen Patienten viel zu viel Zeit widmet, vom Arbeitsplan abweicht und dadurch ihren Kollegen zu viel Arbeit aufbürdet. Die Patientin Lilly, die seit sieben Jahren in der Psychiatrischen Klinik und davon das letzte halbe Jahr in der Geschlossenen untergebracht ist, hat es ihr besonders angetan. Lilly ist verstummt, auch ist sie komplett in sich gekehrt. Ihre Aquarelle sind ihr Lebenselixier, so scheint es. Es sind exakte Darstellungen der Blumen im Klinikgarten, sie sind einzigartige Kunstwerke und so manches Blatt hat sie ihrer Pflegerin Monika schon geschenkt. Zwischen diesen Blumenbildern findet Monika Verstörendes. Eine tote Frau in einer Holzkiste ist genau so dargestellt, wie sie in der Realität vorgefunden wird. Ohne die Klinikleitung vorher zu informieren, verständigt Monika das LKA. Laura erkennt sofort den Zusammenhang, die akribische Kleinarbeit beginnt.

Catherine Shepherd hat mir nicht nur eine schlaflose Nacht beschert, sie hat mich auch ganz schön in die Irre geführt. Dass hier der erschreckenden Realität inform der Bilder - die Lilly entgegen ihrer Gewohnheit mit Buntstiften gemalt hat - vorgegriffen wird, ist so verblüffend wie nicht nachvollziehbar. Es bleibt nicht bei der einen Zeichnung, in Lillys Zimmer finden sich weitere. Bleibt die bange Frage, wie diesem erschreckenden Szenario ein Ende gesetzt werden kann, noch bevor ein weiterer grausamer Mord geschieht. Laura, Max und das gesamte Team geben ihr Bestes – aber ist das genug? Kann der Mörder dingfest gemacht werden?

Täter hätte ich so etliche ausgemacht, fast allesamt waren sie mir nicht nur unsympathisch, ich hätte denen durchaus diese direkt spürbare Eiseskälte zugetraut. Alle Figuren, auch die sympathischen, sind fein gezeichnet, ihre Charaktereigenschaften werden zunehmend sichtbar und neben der äußerst schwierigen Ermittlungsarbeit blitzt auch ein wenig Privatleben durch. Hier ist es eher Max und seine Ehe, aber viel Zeit bleibt nicht, der Fall ist zu komplex, als dass sie nachlässig sein dürften. Gefühlt laufen sie den Ereignissen hinterher, das raffiniert ausgeklügelte Ende setzt dann einen perfekten Schlusspunkt.

Der mittlerweile neunte Fall für Laura Kern ist brillant, voller Spannung und überraschenden Wendungen, die Aufklärung so gar nicht vorhersehbar. Und nun heißt es wiederum warten, dem zehnten Fall fiebere ich schon jetzt voller Vorfreude entgegen.

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