Beeindruckendes Portrait über die Rolle der Frauen in der Nachkriegszeit
Auf beeindruckende Weise arbeitet die Historikerin und Journalistin Miriam Gebhardt in "Die kurze Stunde der Frauen - Zwischen Aufbruch und Ernüchterung in der Nachkriegszeit" die Geschichte der deutschen ...
Auf beeindruckende Weise arbeitet die Historikerin und Journalistin Miriam Gebhardt in "Die kurze Stunde der Frauen - Zwischen Aufbruch und Ernüchterung in der Nachkriegszeit" die Geschichte der deutschen Frauen in eben jener Zeit auf. Sie kommt dabei nicht umhin, einige Mythen zu widerlegen. Etwa jene, dass Frauen im Nationalsozialismus bloß Opfer waren und vom System der Massenvernichtung nichts wussten. Oder dass die "Trümmerfrauen" das Land aus Eigeninitiative wieder aufbauten. Gekonnt zeigt sie auch die Vorgeschichte zu den jeweiligen Entwicklungen auf und macht somit deutlich, dass es nicht plötzlich zu gesellschaftlichen Veränderungen kam, sondern diese sich teilweise über Jahrzehnte ausbildeten.
Sie verwendet dabei verschiedene Arten von Quellen, beispielsweise Tagebücher, Briefe oder Wanderbücher. Durch diese eindringlichen Zeitzeuginnenberichte unterlegt sie ihre Thesen stichhaltig, ohne zu verallgemeinern und an Quellenkritik zu sparen. Außerdem werden die Erläuterungen durch diese persönlichen Eindrücke lebendiger, verständlicher und kurzweiliger.
Besonders ist auch, dass die Autorin ein Augenmerk auf die Unterschiede zwischen den Entwicklungen in der BRD und der SBZ bzw. DDR legt. Sie veranschaulicht, dass die Rolle der Frau in der DDR nicht etwa gleichberechtigt war, wie oftmals angenommen wird, sondern sie zusätzlich zur Notwendigkeit Arbeiten zu gehen, noch die Doppelbelastung der Care Arbeit übernehmen musste. Auch das konservative Bild des zwanghaft wieder etablierten bürgerlichen Familienbilds in der BRD, welches Alleinerziehende, Vergewaltigte und Alleinstehende mannigfach diskriminierte, weiß zu schockieren. Gebhardt erläutert verständlich, wie es dazu kommen konnte, dass Frauen im Westen weniger Lohn für ihre Arbeit bekamen und es oft für Frauen wenig attraktiv war, sich in der Politik zu engagieren. Traurig ist die Erkenntnis, dass sich viele Frauen mit ihrer zugewiesenen Rolle abgefunden und diese hingenommen haben, obwohl die Entwicklung vor dem Nationalsozialismus bereits eine andere war.
Mein Fazit: Miriam Gebhards Sachbuch macht verständlich, weshalb Frauen in Deutschland bis heute noch keine volle Gleichberechtigung erfahren. Es widerlegt einige Mythen über die Geschichte der Frauen in der deutschen Nachkriegszeit und zeigt die unterschiedlichen Entwicklungen in Ost- und Westdeutschland auf. Und es bestätigt für mich persönlich, dass der einzige Weg aus der patriarchalen Unterdrückung nur der Zusammenhalt sein kann.