Ein zarter Comic über das Finden und Gefunden werden
Martino ist das jüngste Kind - er ist ein Albino und wird in der mittelalterlichen Welt, in der diese Geschichte spielt, als der Grund für mannigfaltiges Unglück angesehen. Während seine Schwestern ihn ...
Martino ist das jüngste Kind - er ist ein Albino und wird in der mittelalterlichen Welt, in der diese Geschichte spielt, als der Grund für mannigfaltiges Unglück angesehen. Während seine Schwestern ihn lieben und beschützen, ist er seinem Vater ein Dorn im Auge. Er ist immer auf das Ansehen der Familie bedacht - eines Tages eskaliert die Situation und Martino flieht in den Wald - und lernt, in einer neuen anderen Welt zurecht zu kommen.
Rebis ist ein Buch über Akzeptanz und Andersartigkeit in einer Welt, in der man immer in der Spur bleiben muss, um von der Gesellschaft akzeptiert zu werden, über das Finden der eigenen Identität (was manchmal schwierig und schmerzhaft sein kann) und die offenen Arme von Fremden, die zu einer Familie erwachsen können. Kurzum - ein Comic im historisch mittelalterlichen Setting, den man sehr gut auf die Problematiken des Hier und Jetzt übertragen kann und der sehr aktuelle Themen birgt.
Den kleinen Martino hatte ich von Anfang an ins Herz geschlossen, schon auf den ersten Panels konnte ich sein Entwicklungspotential erahnen. Der vorsichtige Junge, der zumeist allein unterwegs ist und auf jeden seiner Schritte achtet, aus Furcht den Zorn seines Vaters zu erregen oder den Jungs aus der Stadt über den Weg zu laufen, entwickelt im Verlauf des Comics eine innere Stärke, auf die ich am Ende selbst stolz war. Er muss viele Hürden überstehen und viele schwierige Fragen an sich selbst und an andere stellen, doch es lohnt sich für Martino.
Seine Schwestern, die immer zu ihm gehalten haben, fand ich ebenso toll gelungen. Sie haben Martino zu Beginn den Halt gegeben, den er so dringend brauchte.
Das Trope Found Family spielt eine so große Rolle in dem Buch, allen voran Viviana, die den Jungen aufnimmt und ihm den Freiraum gibt, sich selbst zu entdecken. Welcher Mensch wäre er selbst gern? Diese Fragen hat er sich früher in seinem Elternhaus nie gestellt. Deshalb empfinde ich den Trope in dem Comic als unglaublich wichtig - Er schafft außerdem eine Verbindung zwischen den kleinen Problemen des Einzelnen und den gesellschaftlichen Problemen - im Mittelalter wurde jede Frau als Hexe bezeichnet, die aus der Norm lief. Sie wurden schikaniert und ausgrenzt. Das kommt uns doch irgendwie bekannt vor, oder?
Das Buch hat so viele schöne Lesarten - und hat in mir starke Emotionen ausgelöst. Die Panels - vor allen Dingen die Licht- und Schattenspiele und die gedämpften Farben hatten es mir angetan. Bisweilen fühlte ich mich wirklich in den Comic versetzt.
Eine großartige Empfehlung für all jene, die gerne historische Geschichten mit einem sich entpuppenden Protagonisten lesen.