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Veröffentlicht am 01.07.2024

Unterhaltsamer Krimi, von dem ich mir mehr Tiefe erwartet hatte

Im Kopf des Bösen - Ken und Barbie
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Auf dieses Buch kam ich wegen meines großen Interesses an dem Homolka-Bernardo-Fall, der hier als Inspiration genommen wurde. Der tatsächliche damalige Fall dient als Grundlage für diesen fiktiven Roman ...

Auf dieses Buch kam ich wegen meines großen Interesses an dem Homolka-Bernardo-Fall, der hier als Inspiration genommen wurde. Der tatsächliche damalige Fall dient als Grundlage für diesen fiktiven Roman und es wird aufgezeigt, wie er in heutiger Zeit und mit heutigen Mitteln hätte gelöst werden können. Das ist ein origineller und spannender Ansatz, auch machte mich die Mitarbeit von Axel Petermann, den ich aus mehreren Dokumentationen kenne und schätze, neugierig.

Das recht kurze Buch steigt gleich erfreulich ins Geschehen ein, hält dieses dann aber erst einmal durch zwei lange erklärende Einschübe von je einer Seite auf, so daß ich den Einstieg nicht wirklich flüssig fand. Zudem bekommt die Ermittlerin Sophie sehr viel Raum, was gerade in der ersten Hälfte zu Lasten des Erzähltempos und Falls geht. Nachdem es lange Mode war, Krimiermittler mit allerlei Traumata auszustatten, scheint es jetzt in Mode zu kommen, Ermittler mit psychologischen Besonderheiten/Fähigkeiten als Protagonisten zu nehmen. Ich fühlte mich hier in mancherlei Hinsicht an die Bücher von Max Seeck erinnert – auch den ererbten Reichtum haben beide Protagonistinnen. Sophie ist Autistin, hat zudem noch ein Kindheitstrauma und den erwähnten Reichtum, welcher für die Handlung völlig bedeutungslos ist und auf mich etwas wahllos hineingeworfen wirkte. Ihr Autismus dominiert viele Szenen, schon weil ihre diesbzgl. Fähigkeiten ihr bei der Arbeit als Profilerin dienlich sind, ihr andere Autismus-Aspekte aber viele Situationen schwieriger gestalten. Es gibt darüber hinaus mehrere ausführliche Szenen, die ausschließlich dazu dienen, Sophies Autismus darzustellen. Diese unterbrachen leider den Handlungsfluss, waren sehr detailverliebt und wiederholten sich inhaltlich außerdem ziemlich. Zwei Fakten zu Sophie (ihr eidetisches Gedächtnis und ihre Abneigung, aus Gläsern zu trinken) werden uns mehrfach fast wortgleich mitgeteilt, auch sonst fielen mir häufiger Wiederholungen auf.

Nachdem ich von der ersten Hälfte des Buches also eher enttäuscht war, weil es wesentlich mehr um Sophie als um die Ermittlungen ging, nimmt die Handlung dann endlich Fahrt auf und wird richtig gut. Der Schreibstil ist flüssig, ein wenig störte mich abgesehen von den Wiederholungen die Tendenz, das „show, don’t tell“ etwas zu vernachlässigen. Gesichtsausdrücke, Stimmungen, einfache Schlussfolgerungen etc. wurden den Lesern oft erklärt anstatt gezeigt, manchmal gezeigt und zusätzlich erklärt. Erfreulich fand ich dagegen, daß Hintergrundinformationen gut eingebunden werden. Es gibt kein Infodumping, sondern es ist immer nachvollziehbar, wenn Hintergründe in einem Dialog zur Sprache kommen oder Ermittlungsmethoden erklärt werden. Eine ausgezeichnete Szene, in der Sophie in bester Sherlock-Holmes-Manier einem Kollegen zeigt, was sie durch reine Beobachtungen und Schlussfolgerungen alles über ihn weiß, erläutert das Prinzip des Profiling handfest und nachvollziehbar.

Auch die Ermittlungen werden gut geschildert. Es gibt keine hanebüchenen Zufälle oder übertriebene Schockeffekte. Es wird ganz klassisch ermittelt, mit logisch nachvollziehbaren Schlussfolgerungen und realistischer Darstellung. Auch die Gespräche mit Zeugen oder Verwandten sind realistisch und farbig geschildert – man sieht die Szenen vor sich. Das Grausige der Tat wird uns ohne blutrünstige Schilderungen vermittelt – wir erfahren einige Szenen aus Sicht eines der Opfer. Diese Szenen sind ausgezeichnet, sie zeigen sowohl die absolute Menschenverachtung der Täter wie auch die Ausweglosigkeit und das Grauen, in welchen sich das Opfer befindet. Es sind äußerst beklemmende Szenen mit tiefdunklen Einblicken.

Der letzte Teil bringt manch überraschende Wendung und kommt erfreulicherweise ohne langgezogenen Showdown aus (leider dafür nicht ohne das überbenutzte und enervierende Klischee der Romanze zwischen Ermittlern). Dann endet die Geschichte leider sehr abrupt. Tiefere Einblicke in das Täterpaar erhalten wir überraschenderweise kaum, ihre Gedankenwelt und Beziehung wird im Buch sehr rasch abgehandelt, was insbesondere angesichts der extrem ausführlichen Beschreibung von Sophies Psyche erstaunlich und enttäuschend ist. Ein Nachwort schildert den echten Fall und zeigt auf, was im Krimi verändert wurde und was übereinstimmt – der echte Fall ist sehr nah dran, trotzdem finde ich den Begriff „True Crime“ angesichts der Gestaltung eher vollmundig, denn wir bekommen kein True Crime, sondern einen fiktiven Krimi, der von einem True-Crime-Fall inspiriert ist. Letztlich ließ mich das Buch etwas enttäuscht zurück. Vielleicht habe ich mit dem Namen Petermann zu hohe Erwartungen verknüpft. Der besondere Tiefgang, den ich gerade hinsichtlich der Psyche und des Zusammenspiels des Täterpaares erwartet hatte und der hier ein Alleinstellungsmerkmal hätte darstellen können, fehlt leider (denn auch von echten Fällen inspirierte Krimis gibt es mehrere). Meines Erachtens hätte der Fokus mehr von Sophie weggenommen und dem Täterpaar gewidmet werden können. Das Buch bietet interessante Einblicke in Ermittlungstechniken und Profiling – das machen andere Romane allerdings auch, und dies teilweise mit mehr Tiefe. „Im Kopf des Bösen“ bietet letztlich überwiegend konventionelle Krimiunterhaltung mit den bekannten und oft verwendeten Elementen des Genres. Diese ist gut erzählt und punktet durch Realismus sowie die Profilerelemente.

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  • Cover
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  • Handlung
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Veröffentlicht am 22.06.2024

Etwas betont zeitgeistig verfasstes Buch für Neuanleger

Aktien-Life-Balance
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In „Aktien Life Balance“ gibt Lisa Osada einen für Börsenanfänger hilfreichen und praxisnahen Überblick über das Investieren in Aktien, Fonds und ETFs. Sie verwebt diesen sehr stark mit ihrer eigenen Geschichte ...

In „Aktien Life Balance“ gibt Lisa Osada einen für Börsenanfänger hilfreichen und praxisnahen Überblick über das Investieren in Aktien, Fonds und ETFs. Sie verwebt diesen sehr stark mit ihrer eigenen Geschichte und ihren Erfahrungen, was sympathisch wirkt und die Inhalte weniger abstrakt macht, was gerade bei diesem Thema nützlich sein kann.

Von der Erscheinung des Buches war ich ein wenig enttäuscht, denn sowohl Papier wie auch visuelle Gestaltung wirken nicht sonderlich hochwertig. Allerdings ist der Preis für ein Sachbuch relativ moderat, so dass das Verhältnis passt. Trotzdem hätte es nicht geschadet, bei den Abbildungen etwas mehr Sorgfalt walten zu lassen. Es sind einige dabei, die Schrift beinhalten, und diese ist so winzig, dass ich – mit wohlgemerkt perfekter Sehkraft – diese kaum entziffern kann. Negativstes Beispiel ist hier auf Seite 78 eine Abbildung der Klassifizierungsstandards, bei der die Beschriftungen in den gräulichen Feldern keinen guten Kontrast bilden und zudem noch sehr klein sind. Wenn Beschriftungen vorhanden sind, sollte man sie ohne Mühe lesen können. Insgesamt hätte ich mir von der Gestaltung etwas mehr Wertigkeit erwartet.

Vom Stil her ist das Buch leicht lesbar und die Autorin gibt sich viel Mühe, komplexe Sachverhalte und Begriffe nachvollziehbar zu erklären, was auch gut gelingt. Sie greift sehr gerne auf Beispiele zurück. Das ist in den meisten Fällen passend und hilfreich, manchmal aber auch etwas übertrieben, so zum Beispiel in einem Fall, als Angebot und Nachfrage unnötig ausführlich durch das Beispiel eines Obststands mit Apfelverkauf erklärt wird. Das war einer der Fälle der Übersimplifizierung, die mir gelegentlich auffielen, denn wer für Angebot und Nachfrage ein solch einfaches Beispiel braucht, sollte sich vielleicht erst einmal mit ganz anderen Grundlagen beschäftigen, bevor es ans Investieren geht. Auch wenn für die genaue Betrachtung einer potentiellen Aktie das Beispiel des Hereinzoomens in Google Maps verwendet wird, ist das zwar ein gutes, treffendes Bild, wird dann aber eine Seite lang noch mal detailliert erklärt, obwohl gerade die Zielgruppe mit dem Erwähnen des Vergleichs schon genau im Bilde sein dürfte. An einer anderen Stelle wird ein ETF mit einem Blumenstrauß verglichen, was mir ausgezeichnet gefiel – bildhaft und verständlich. Und ausreichend, trotzdem gibt es dann in diesem an Abbildungen eher armen Buch extra ein halbseitiges Blumenstraußbild, das völlig unnötig ist. Das waren alles Momente, in denen man den Eindruck bekommt, den Lesern wird etwas zu wenig zugetraut und sie damit nicht ganz ernstgenommen.
Im Allgemeinen aber ist es erfreulich, die nachvollziehbaren und auch für Anfänger verständlichen Erklärungen und Beschreibungen zu lesen. Enervierend fand ich allerdings die zahlreichen Wiederholungen, teilweise sogar in ähnlichen Sätzen kurz hintereinander.

Weitaus weniger hat mir das betont Zeitgeistige gefallen. So werden die Leser geduzt, was ich sehr unangenehm finde. Auch aus meinem Umfeld (gar nicht sehr viel älter als die Autorin) weiß ich, daß dieser Trend, von Firmen und in Sachbüchern geduzt zu werden, vielen nicht zusagt. Es wirkt übergriffig, nicht sonderlich seriös und hat mich das ganze Buch über gestört, ebenso wie die unnötigen Genderdoppelungen, die Sätze aufblähen. Wenn man vor lauter „Gründerinnen und Gründern“, „Anlegerinnen und Anlegern“ oder „Inhaberinnen und Inhabern“ in Bandwurmsätzen ertrinkt, dann macht das Lesen keinen Spaß – das mag marginal erträglicher sein als die unsäglichen Gendersternchen, aber eben trotzdem unnötig und leseunfreundlich.
Auch die vielen Anglizismen fand ich nicht erfreulich (und das sage ich als zweisprachig Aufgewachsene). „Good to know“ anstelle von „Gut zu wissen“, die „Cashreserve“ anstelle der „Barreserve“ u.ä. haben keinen Mehrwert außer dem zeitgeistigen Klang. Ein wenig zwischen Kopfschütteln und Schmunzeln schwankte ich dann auch bei einem Beispiel, in dem vom Kauf eines BMWs gesprochen wurde, dessen Zweck hauptsächlich darin bestünde, Fotos in den sozialen Medien zu posten und Likes zu generieren. Bei all dem merkt man die etwas enge Fokussierung auf eine bestimmte kleine Zielgruppe. Das ist in meine Bewertung des Buches nicht sonderlich eingeflossen, denn wenn man seine Zielgruppe kennt, ist es nur natürlich, diese auch anzusprechen. Trotzdem wäre es auch etwas weniger betont möglich gewesen, denn mir fallen durchaus mehrere Zielgruppen für das Buchthema ein.

Während ich stilistisch also weniger überzeugt war, fand ich die gegebenen Informationen ausgezeichnet. Ich investiere schon seit meiner Teenagerzeit und konnte so die Ratschläge und Erfahrungen mit meinen eigenen abgleichen. Mir ging es bei dem Buch darum, mein praktisches Wissen an manchen Stellen mit ein wenig theoretischem Fundament zu unterlegen, und das hat gut geklappt. Vieles, was ich mir praktisch erarbeiten mußte, wird hier zutreffend und treffend erklärt. Vieles, was ich theoretisch bereits wußte, wird hier ebenfalls zutreffend dargelegt. Es ist Lisa Osada hervorragend gelungen, ihre eigenen Erfahrungen in Ratschläge und Orientierungshilfen umzuwandeln, die Börsenneulingen wertvolle Hilfen bei den ersten Investitionsschritten geben können. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, daß es sich auszahlen wird, den Informationen in diesem Buch zu folgen. Sehr schön ist es auch, daß sie so offenen Einblick in ihre eigenen Anlagen und Fehler gibt und damit den Lesern ermöglicht, diese Fehler zu vermeiden. Entbehrlich fand ich lediglich die letzten Seiten, in denen wohl noch schnell der Titel des Buches gerechtfertigt werden sollte, dort finden sich auf einigen Seiten Hinweise, was das Leben außerdem noch bereichert. Es sind ziemliche Binsenweisheiten, die in ihrer Form als schneller, kurzer Nachtrag etwas aufgepfropft wirken – da wären mehr Berichte und Ratschläge aus erster Hand wesentlich nützlicher und interessanter gewesen. Die Autorin hat nämlich ihre Abonnenten nach deren Erfahrungen befragt, was eine ausgezeichnete Idee ist, uns aber nur zwei Antworten auf insgesamt eineinhalb Seiten präsentiert.

Ganz hervorragend fand ich die Anleitung zur Aktienauswahl. Hier wird gut dargelegt, welche Gesichtspunkte man beachten sollte, es gibt Hinweise, die gelungen über das Übliche hinausgehen und neue Blickwinkel aufzeigen. Hier habe auch ich mit meinem bereits erfolgreichen Portfolio mit vielen Einzelaktien noch neue Impulse gefunden und mich über frische Perspektiven gefreut. Vom Informationsgehalt ist das Buch insbesondere für Neuanleger lohnenswert, vor allem durch die klare Darlegung und den persönlichen Fokus.

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Veröffentlicht am 05.04.2024

Originell, schöne Sprache, aber sehr distanziert und zu knapp

Der Sommer, in dem alles begann
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Ein Buch, das mit zwei Beerdigungen beginnt, macht neugierig auf das, was in jenem titelgebenden Sommer geschehen ist. Der Klappentext klingt etwas platt, derlei „drei Frauen, deren Lebenswege sich kreuzen“, ...

Ein Buch, das mit zwei Beerdigungen beginnt, macht neugierig auf das, was in jenem titelgebenden Sommer geschehen ist. Der Klappentext klingt etwas platt, derlei „drei Frauen, deren Lebenswege sich kreuzen“, und Romane mit verschiedenen Zeitebenen gibt es leider zu Hunderten. Léosts Roman hebt sich davon aber glücklicherweise ab. Die Geschichte selbst hat schon durch die Bretagne als Handlungsort etwas Ungewöhnliches und auch die meisten Handlungsstränge selbst sind düsterer und substanzvoller als bei der üblichen Drei-Frauen-Zeitebenen-Romankost. Besonderes Herausstellungsmerkmal war für mich der Sprachstil, mit dem Léost sich ebenfalls von diesem oft süßlichen Genre abgrenzt.
Sie schreibt äußerst reduziert und beweist, wie ausgezeichnet sie mit Sprache umgehen kann. Die Übersetzung wird dem ebenfalls erfreulich gerecht. Einziger Wermutstropfen in der Übersetzung ist die Verwendung von künstlichen Worten wie „Studierende“ und leserunfreundlichen Doppelnennungen wie „Schülerinnen und Schüler“ – dies sogar in wörtlicher Rede der frühen 1990er, obwohl diese Formulierung zu der Zeit gar nicht verwendet worden wären. Abgesehen davon erfreut die gekonnte Sprache aber und ich habe viele Formulierungen mehrfach gelesen und mich an ihrer treffenden Prägnanz erfreut.
Etwas nachteilig fand ich dagegen den berichtartigen, knappen Erzählstil. Die Leser sind nur sehr selten wirklich bei Geschehnissen dabei, der Großteil des Buches wird uns nicht erlebbar gemacht, sondern erzählt. Wir sind bei Dialogen oft nicht dabei, sie werden uns zusammengefasst, auch sonst sind die Leser oft nicht in der Szene drin. Unemotional und knapp erfährt man von allerlei, was doch eigentlich voller Gefühle wäre. Es gibt einige anrührende Szenen, aber größtenteils liest es sich eher wie eine Zusammenfassung eines Romans als wie ein Roman. Das hat in mancherlei Hinsicht zwar durchaus ungewöhnlichen Charme, führte bei mir aber dazu, daß mich die Charaktere kaum erreichten und ich auch an vielen Ereignissen innerlich nicht teilnahm und mich auch nur selten in der Geschichte drin fühlte. Eintauchen kann man in dieses Buch leider nicht.
Das ist auch deshalb schade, weil es einige interessante und ungewöhnliche Charaktere gibt, die aber durch die Erzählweise nicht wirklich entwickelt werden. Obwohl die Geschichte ganz sicher nicht flach ist, bleiben die Charaktere an der Oberfläche. Bei einer der drei Frauen, Odette, deren Geschichte in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurückführt, hat das leider zudem den Effekt, daß ihre nicht erklärte erhebliche Wesensveränderung für mich nicht nachvollziehbar war. Dem zweiten Teil ihres Handlungsstrangs mangelt es an Plausibilität, was dadurch leider auch die Wendung ganz am Ende erheblich schwächt.
Und so ist dieses Buch für mich eine gemischte Erfahrung. Die Ansätze sind hervorragend, aber ich fühlte mich dauernd, als ob man mich von einem köstlichen Gericht kosten ließ und mir dann den Teller wieder wegnahm. Die Geschichte mit ihren vielen Facetten war zu knapp und zu distanziert erzählt, die Charaktere toll angelegt, aber nicht hinreichend ausgeführt. Die Entwicklungen sind vielversprechend, aber ein Handlungsstrang mit viel Potential verpufft einfach, ein anderer nimmt eine zwar herrlich unerwartete, aber eben nicht nachvollziehbare Wendung. Dauernd blieb das Gefühl: hier hätte man so viel mehr draus machen können.
Dagegen genoss ich den ausgezeichneten Umgang mit Sprache, die Informationen über das bretonische Leben, einige tiefrührende Aspekte und eine Originalität in Schauplatz, Charakteren und Entwicklungen, die leider so vielen Romanen fehlt. Insofern ist das Buch eine zwar etwas unausgegoren wirkende, aber dennoch lohnende Erfahrung.

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Veröffentlicht am 21.03.2024

Ein bunter Strauß aus Beobachtungen, Wissen und Erfahrungen

Ein Garten offenbart sich
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Dieses Buch ist auf gelungene Weise ungewöhnlich. Es ist eine teils literarisch anmutende Erzählung mit Rückblicken in den Alltag früherer Generationen, teils fast poetische Darstellung der Beobachtungen, ...

Dieses Buch ist auf gelungene Weise ungewöhnlich. Es ist eine teils literarisch anmutende Erzählung mit Rückblicken in den Alltag früherer Generationen, teils fast poetische Darstellung der Beobachtungen, welche die Autorin in ihrem Garten macht, teils Ratgeber für natürliche Gartengestaltung, teils Sachbuch über Naturkunde und teils Manifest. Letztlich ähnelt es dem Garten der Autorin – es findet sich hier so vieles, oft Unerwartetes, manches nimmt eine andere Entwicklung als gedacht, aber alles bildet ein harmonisches Ganzes. Es hat Spaß gemacht, auf diese Reise voller kleiner Abzweigungen zu gehen. Dies beginnt schon beim ungemein liebevoll gestalteten Einband – hochwertig und mit einem zauberhaften Motiv.

Kleine Vignetten, die sich in die Vorfahren der Autorin hineinversetzen, bieten einen anschaulichen Einblick in das von Landwirtschaft und Wissen über die Natur bestimmte Leben jener Zeit, ebenso wie die Alltagserinnerungen der Autorin aus ihrer Kindheit. Diese konzentrieren sich auf das Wesentliche, es ist der ganz normale Alltag, der hier ruhig und sachlich geschildert wird, und gerade das macht es interessant und veranschaulicht, wie sehr sich vieles innerhalb von ein paar Generationen geändert hat, das zuvor über Jahrhunderte zum Leben dazugehörte.

Den Großteil des Buches bilden die Erfahrungen, welche die Autorin mit ihrem eigenen riesigen Garten macht und ihre – innere und äußere – Reise von der konventionellen Gartengestaltung zum sich fast selbst überlassenen natürlichen Garten. Sie schildert viele faszinierende Beobachtungen und das tut sie so farbig, daß man es beim Lesen miterleben kann. Auch die Symbiosen zwischen den unzähligen Lebensformen in der Natur werden hier durch eigene Beobachtungen dargestellt. Hintergrundinformationen erfahren wir auf verschiedene Weise. Einmal durch Informationen der Autorin selbst, häufig durch die beiden Söhne der Autorin. Dies stellt allerdings einen Wermutstropfen des Buches dar. Die Söhne haben viel Wissen und auch viel Enthusiasmus für das Thema, was an sich eine tolle Sache ist. Nur treten sie in einer statisch belehrenden Rolle auf, die stilistisch nicht überzeugt. So gibt es immer wieder Einschübe mit „Mein Sohn sagt“ oder „Meine Söhne sagten“, denen dann ein langer handbuchartiger Einschub folgt (was dann, wenn das angeblich beide Söhne sagen, eher unfreiwillig komisch wirkt, da es klingt, als ob beide nach Art eines griechischen Chores diese langen Passagen gemeinsam deklamieren). Wahrscheinlich sollte es durch die wörtliche Rede lebendiger wirken, aber die Umsetzung hat etwas Unnatürliches und wirkt in ihrer Häufigkeit enervierend.

Ebenfalls anstrengend fand ich den emotionalen Überschwang. Der innere Aufruhr der Autorin bei allerlei kleinen Vorkommnissen und Erkenntnissen wirkte auf mich übertrieben und in seiner Häufigkeit auch überspannt. Sätze wie „Ich kann alle und alles dem Tod anheimgeben. (…) Meine ungeheuerliche Macht“ und allerlei fast dramatische Reaktionen auf Handlungen, die die Autorin im Nachhinein als nicht richtig einstuft, ellenlanges Sinnieren über die „Beziehung“ zu den Pflanzen und Gekränktheit, weil diese sie nicht beachten oder brauchen, waren mir viel zu viel und haben mein Lesevergnügen beeinträchtigt. Auch die Erkenntnisse, denen ich oft zustimme und für sehr wichtig halte, waren mir häufig zu dramatisch dargebracht. Die immer wieder vorkommenden Wiederholungen hätten m.E. ebenfalls eingeschränkt werden können.

Insgesamt ist der Schreibstil aber erfreulich – der Text ist zugänglich, oft farbig, ungemein persönlich und gut lesbar. Auch ist das Thema faszinierend. Hätte ich einen Garten, würde ich vieles von dem hier Erwähnten umsetzen und das Buch läßt mich wünschen, ich hätte einen Garten. Die Natur um mich herum beobachte ich aber nun entschieden noch aufmerksamer und ich weiß zu schätzen, wie viel ich hier gelernt habe. Das Buch weckt ein Bewußtsein und das ist heutzutage dringend notwendig. Mir gefiel die Umsetzung in mehrerlei Hinsicht nicht, gerade was das übertriebene Pathos und die Einsetzung der Söhne als Handbuchzitierer betrifft, aber dafür fand ich auch viele Aspekte ausgezeichnet. Insbesondere die Vermittlung des Wissens, welches sich die Autorin erster Hand und über lange Jahre erarbeitet hat, ist bemerkenswert. Die Leser haben hier an einem ungewöhnlichen Lernprozess teil.

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Veröffentlicht am 28.02.2024

Interessantes Sujet, distanzierte, manchmal zu langatmige Erzählweise

Elyssa, Königin von Karthago
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Mir gefiel der Gedanke eines Romans, der im alten Karthago spielt – eine angenehme Abwechslung von den üblichen Romansujets. Irene Vallejo erzählt hier den Mythos von Elyssa und Aeneas, bekannt durch Vergil, ...

Mir gefiel der Gedanke eines Romans, der im alten Karthago spielt – eine angenehme Abwechslung von den üblichen Romansujets. Irene Vallejo erzählt hier den Mythos von Elyssa und Aeneas, bekannt durch Vergil, neu. Mir war dieser Mythos vor der Lektüre des Buches nicht bekannt, das war aber beim Lesen keineswegs hinderlich, was sicher auch daran lag, daß ich mit den historischen Hintergründen hinreichend vertraut war. Notwendige Hintergrundfakten werden ausreichend eingebunden. Der Einband erfreut mit einem schlichten, klassischen Motiv und ansprechender Goldprägung.
In Vallejos Sachbuch „Papryrus“ fand ich ihren blumigen, abschweifenden Stil unpassend und brach das Buch deshalb ab. Für einen Roman wie „Elyssa“ ist der Schreibstil dagegen wesentlich besser geeignet. Vallejo erzählt poetisch, mit vielen Beschreibungen und zahlreichen geschilderten Gedankengängen. Das paßt zum antiken, mythologischen Thema, wirkt allerdings auf Dauer auch etwas steif und leblos.
Sie erzählt die Geschichte multiperspektivisch – hauptsächlich durch Elyssa und Aeneas, aber auch die junge Anna trägt ihre Sicht bei. Annas Kapitel fand ich fast durchweg langatmig und nur selten interessant. Bedauerlicherweise klingen außerdem alle Erzählstimmen gleich – wenn man multiperspektivisch erzählt, dann sollten die Leser das nicht nur am Namen über dem Kapitel merken.
Ein origineller Kniff ist dagegen, auch den Liebesgott Eros seine Sicht berichten zu lassen. Diese Vermischung von menschlicher und göttlicher Welt bringt eine frische und ansprechende Perspektive in die Geschichte. Eros‘ Gedanken und Aktionen sind unterhaltsam und bringen die Lebendigkeit hinein, welche diese oft zu gemessen daherkommende Geschichte dringend braucht.
Ein verzichtbares Element wären dagegen die Einschübe über Vergil gewesen. Eigentlich ist es eine hervorragende Idee, Autor und Werk im Zusammenspiel zu erleben. Das hätte viel Potential gehabt, doch leider nutzt die Autorin es erst ganz am Ende in einer wundervollen kurzen Szene, in der Vergil – gewissermaßen als Schemen aus der Zukunft – in Karthago erscheint. Zuvor erleben wir Vergil in drei Einschüben, welche am Rahmenhandlungssyndrom leiden: in ihnen passiert so gut wie nichts. Vallejo läßt Vergil fast ausschließlich durch die Gegend schlendern und stopft alle erdenklichen historischen Hintergrundinformationen in diese Abschnitte. Auch wenn die Informationen über den Alltag in Vergils Rom an sich interessant sind, ist diese geballte, um ihrer selbst willen geschehende Auflistung in handlungsarmen Abschnitten plump und enervierend. Vergils Kapitel sind schlichtweg Infodumping, tragen somit nichts zur Geschichte bei, sondern schwächen das Buch erheblich. Wie schade, daß diese Idee derart verschenkt wurde.
In der eigentlichen, in Karthago spielenden Geschichte sind die historischen Details dagegen gut und passend eingebunden. Die Geschichte selbst ist interessant, krankt aber an der langatmigen, getragenen Erzählweise. Weder das Geschehen noch die Charaktere konnten mich wirklich berühren, man ist als Leser nicht drin, es bleibt eine Distanz. Die Gefühle werden berichtet, man spürt sie aber nicht. Zwischendurch mußte ich mich zwingen, weiterzulesen. Normalerweise hätte ich dem Buch drei Sterne gegeben, dann aber kommt das Ende, das zeigt, wie fulminant diese Geschichte hätte sein können. Hier schwindet urplötzlich die Distanz, die Charaktere werden von mythologischen Figuren zu echten, fühlenden Menschen. Ich war gebannt, ich war berührt, ich klebte an den Seiten. Man spürt die Gefühle, man leidet unter den Missverständnissen, man fürchtet das, was geschehen wird. Hier schreibt Vallejo farbig und echt. Wäre das ganze Buch so gewesen, hätte es Perfektion erreicht. Das Sujet ist gut gewählt, Vallejo kann absolut mit Sprache umgehen, sie kennt ihr Thema bestens. So bleibt die Frage: warum springt der Funke erst am Ende über? Aber immerhin tut er es überhaupt und mein Interesse an der mythologischen Erzählung und ihren Hintergründen ist definitiv geweckt.

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