sprachlich überzeugend, inhaltlich für meinen Geschmack zu abstrakt
In ihrem Roman Cascadia erzählt Julia Phillips die Geschichte der Schwestern Sam und Elena, die mit ihrer pflegebedürftigen Mutter im Nordwesten der USA auf der Insel San Juan leben. Die Schwestern versuchen ...
In ihrem Roman Cascadia erzählt Julia Phillips die Geschichte der Schwestern Sam und Elena, die mit ihrer pflegebedürftigen Mutter im Nordwesten der USA auf der Insel San Juan leben. Die Schwestern versuchen mit einfachen Jobs ihr Leben zu bestreiten und gleichzeitig die Arztrechnungen ihrer Mutter zu begleichen, während sie von einer besseren, unbeschwerteren Zukunft träumen. Als eines Tages ein Bär in der Nähe ihres Hauses auftaucht, gerät das Leben der Schwestern und ihr eingespieltes Verhältnis aus den Fugen.
Die Geschichte wird erzählt aus der Sicht der 28-jährigen Sam, die mit ihrem Leben und ihrer Chancenlosigkeit hadert, sie wirkt verbittert und reagiert anderen Mitmenschen gegenüber ablehnend und voreingenommen. Ihre nur weniger als 2 Jahre ältere Schwester Elena musste früh die Verantwortung für die kleine Familie übernehmen, da die alleinerziehende Mutter zunächst viel Zeit bei der Arbeit verbracht hat und dann früh schwer erkrankt ist. Als der Bär in ihr Leben tritt, reagiert Sam mit Angst, während Elena fasziniert ist von der Magie des Tieres. Diese mystische Komponente wird in dem Roman aufgegriffen mit Bezügen zu dem Märchen Schneeweißchen und Rosenrot.
Die Geschichte ist spannend erzählt, sie berührt einerseits durch die intensiven Schilderungen aus der Sicht von Sam, andererseits machte es Sams schroffe und verschlossene Art schwierig, Sympathien für sie zu entwickeln. Sie wirkt sehr kindlich und unselbstständig, je weiter die Entwicklungen voranschreiten, umso mehr wird deutlich, wie sehr sie sich auf ihre Schwester Elena verlässt und sich ihr Leben zusammen träumt, wie er ihr am besten gefällt, dabei aber die Realität und auch die Bedürfnisse ihrer Schwester ausblendet. Elenas Faszination für den Bären blieb für mich bei der Lektüre ebenso wenig greifbar wie für Sam.
Der Roman ist einerseits sprachlich glänzend erzählt, spannend und bewegend, dennoch lässt er mich am Ende etwas ratlos zurück. Vielleicht ist das Szenario für mich zu fremd, bieten die Charaktere für mich persönlich zu wenig Fläche zur Identifikation. Es gibt sehr viel Spielraum für Interpretationen, insbesondere zu den Bindungen und der Schwestern, ihrem Schicksal, ihrer Zukunft und ihren Träumen, mir ist das am Ende zu abstrakt.