Nur noch Mutter
„Es ist der uralte Konflikt zwischen dem Druck gesellschaftlich notwendiger Reproduktionsarbeit und dem Drang nach individueller und künstlerischer Selbstverwirklichung, den uns die Autorin in Form eines ...
„Es ist der uralte Konflikt zwischen dem Druck gesellschaftlich notwendiger Reproduktionsarbeit und dem Drang nach individueller und künstlerischer Selbstverwirklichung, den uns die Autorin in Form eines fiktiven Tagebuchs nahebringen will, ein Konflikt, der sich durch den zeitgeschichtlichen Rahmen der Romanhandlung noch verschärft.“
Olivia Nordeck wird schon als junge Frau Witwe, als ihr Mann im Ersten Weltkrieg fällt. Vier Kinder muss sie nun alleine großziehen. Ohne Unterstützung und finanziell schlecht gestellt. Sie schlägt sich so durch’s Leben, jeder Tag ist geprägt vom langweiligen, zermürbenden Alltag einer Mutter in einer besonders schwierigen Zeit. Ihre eigenen Bedürfnisse stellt sie notgedrungen hintenan, es bleiben weder Zeit noch Kapazitäten dafür.
Olivia liebt ihre Kinder und akzeptiert ihr Schicksal. Nur manchmal blitzt ihre Sehnsucht auf. Manchmal sieht man die Persönlichkeit der Protagonisten, erkennt ihre Talente und Wünsche. Die meiste Zeit aber versteckt sich die echte Olivia notgedrungen ganz hinter ihrer Rolle als Mutter.
Ich empfinde Olivias Erzählton als sehr unangenehm. Sie ist so schicksalsergeben und tritt häufig mütterlich-naiv auf. Und dabei merkt man doch, dass so viel mehr in ihr steckt!
Das ist aber gleichzeitig das Herausragende an dieser Geschichte:
Wie sehr die Persönlichkeit der Frau in ihrem eigenen Tagebuch verschwinden kann und wie einnehmend also die ihr zugeschriebene gesellschaftliche Rolle ist, das wird beim Lesen dieser Geschichte erschreckend deutlich.