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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.11.2017

Beeindruckend

Himmelschlüssel
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In dieser Sammlung geben die Herausgeberinnen Frauen aus Südtirol eine Stimme. Sie erzählen aus ihrer Kindheit in einer kargen Umgebung. Geboren zwischen 1910 und 1971 wird in diesen Geschichten auch die ...

In dieser Sammlung geben die Herausgeberinnen Frauen aus Südtirol eine Stimme. Sie erzählen aus ihrer Kindheit in einer kargen Umgebung. Geboren zwischen 1910 und 1971 wird in diesen Geschichten auch die Entwicklung einer Region sichtbar. Anfang des 20. Jahrhunderts ist Südtirol noch von großer Armut geprägt, die kinderreichen Familien mussten schon früh ihre Mädchen und Buben in Dienst schicken und von einer unbeschwerten Kindheit konnte keine Rede sein.
Beeindruckt hat mich bei diesen Erinnerungen die innere Zufriedenheit mit der die meisten Mädchen zurückblicken. Eine entbehrungsreiche Zeit, die aber durch den Zusammenhalt der Familien erträglicher wurde.
Für uns heutige Leser ist es fast unvorstellbar welchen Einfluss die nicht immer wohlmeinenden Pfarrer auf die bäuerlich geprägten Dörfer und ihrer Bewohner hatten. Ihr Wort war Gesetz und von einer christlich-mitfühlenden Denkweise waren die Kirche und ihre Vertreter noch weit entfernt.
Je jünger die erzählenden Frauen werden, umso deutlicher wird der Wandel der Region Südtirol, umso leichter und unbeschwerter wird der Blick zurück.
Oral History – wenn Zeitzeugen zu Wort kommen dürfen – ergibt sich meist ein ganz besonders unmittelbarer und unverstellter Blick auf eine Ära. Dieses echte und wertungsfreie Erzählen hat mich beeindruckt und mir eine ganz neue Sichtweise auf den inzwischen touristisch geprägten Landstrich ermöglicht.
Ein kleines Glossar der dialektgeprägten und fast vergessenen Ausdrücke rundet das Buch noch ab.
Diesem Buch wünsche ich auch außerhalb der Region viele Leserinnen, sie werden sicher ebenso beeindruckt sein, wie ich.

Veröffentlicht am 11.11.2017

Meisterhaf

Das Vermächtnis der Spione
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Vor mehr als 50 Jahren, auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, kamen an der Sektorengrenze in Berlin zwei Menschen ums Leben, als ein englischer Spion seiner Geliebten über die Mauer half. George Smiley, ...

Vor mehr als 50 Jahren, auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs, kamen an der Sektorengrenze in Berlin zwei Menschen ums Leben, als ein englischer Spion seiner Geliebten über die Mauer half. George Smiley, der nachdenkliche britische Geheimdienstmann und sein Assistent Peter Guillam waren damals aktiv. Nun steht eine zivilrechtliche Klage der Nachkommen um die damaligen Todesfälle an und Guillam muss noch einmal in die schmutzige Vergangenheit der Spionage abtauchen.
John Le Carré ist d e r Altmeister des Genres, mit seinen Romanen um George Smiley hat er dieses Thema geprägt. Das gelingt ihm nicht zuletzt, da er selbst am Rande im Britischen Geheimdienst tätig war und seinen Büchern dadurch eine besondere Authentizität verleihen kann.
Es war das Buch „Der Spion, der aus der Kälte kam“, der erste Smiley Roman, der dieses Ereignis an der Berliner Mauer beschrieb, das er nun noch einmal aufgreift.
„Das Vermächtnis der Spione“ ist ein Abgesang auf die Welt der Geheimdienste. Melancholisch und desillusioniert ist das Wiedersehen mit seinen alten Helden. Immer müssen sich Smiley und Guillam die Frage stellen: wie weit darf man gehen, um seine Werte zu verteidigen. Was ist mit persönlicher Schuld, wenn sich die politischen Werte ändern? Dass Spionage ein schmutziges Geschäft ist, die Grenze zwischen persönlichen Intrigen und politischen Notwendigkeiten fließend ist, war immer schon der Grundton in Le Carrés Romanen, hier wird es noch einmal deutlich.
Faszinierend wie spannend sich der Roman präsentiert, obwohl Le Carrés Erzählstil unaufgeregt und konventionell, fast kühl beobachtend ist. Es ist ein wissender und durchdringender Blick von außen. Der Autor kommt ohne die Mätzchen aus, die mancher Berufskollege braucht um Tempo und Spannung zu erzeugen. Es ist vielleicht der letzte Spionageroman, vom dem man das sagen kann.

Veröffentlicht am 05.11.2017

Verlorene Heimat

Die Jahre der Schwalben
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Erst kurz nach der Hochzeit erfährt Frederike, dass ihr Ehemann schwer erkrankt ist. Ihre Mutter, die sie sehr zu dieser vorteilhaften Ehe mit Ax, dem sehr vermögenden und älteren Gutsbesitzer ...


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Erst kurz nach der Hochzeit erfährt Frederike, dass ihr Ehemann schwer erkrankt ist. Ihre Mutter, die sie sehr zu dieser vorteilhaften Ehe mit Ax, dem sehr vermögenden und älteren Gutsbesitzer gedrängt hat, wusste offenbar davon. Die junge Frau ist fassungslos, nachdem sie ihren Mann nach Davos zur Kur brachte, lastet nun die ganze Verantwortung über das riesige Gut Sobotka auf ihren Schultern. Einsame Jahre werden nun folgen, denn ihr Mann wird keine Heilung finden.

Als junger Witwe bleiben ihr nur Gut, Pferdezucht und harte Arbeit bis sie Gebhard zu Mansfeld kennenlernt. Ihre Zukunft scheint in einem schöneren Licht, aber dann beginnt auch schon die Machtergreifung Hitlers seine Schatten zu werfen.

Die Romane um das Leben von Frederike basieren auf echten Begebenheiten, vielleicht geht mir das Schicksal der jungen Frau deshalb so nah. Romanhandlung und wahre Ereignisse werden geschickt miteinander verwoben, dadurch entsteht eine ganz dichte Geschichte, die mich tief berührte und in die Vergangenheit mitgenommen hat. Es ist eine verschwundene Welt, die hier beschrieben wird. Die großen Güter sind Vergangenheit, die Herrenhäuser meist in Hotels umgewandelt. Aber hier wird diese Zeit noch einmal lebendig, das Leben im Wechsel der Jahreszeiten, die harte Arbeit der Gutsbewirtschaftung, aber auch die unglaubliche Weite der Natur.

Es ist eine Zeit des Umbruchs, als junge Frau erlebt Frederike das Aufkommen der Nazis, sieht das Unrecht und die Gefahr, die auch sie und ihre Familie bedrohen. Diese Zeitschilderung machte für mich einen ganz besonderen Reiz aus. Das ist Geschichtsschreibung aus ganz persönlicher Sicht, aber es steht trotzdem für das Geschehen einer ganzen Epoche. Menschlichkeit und Unmenschlichkeit finden sich selbst in kleinsten Dörfern eng nebeneinander. Der Figurenkosmos in diesen Büchern wird nicht nur lebendig, sie wurden mir fast zu echten Menschen. So vielschichtig und echt sind sie geschildert. Die Autorin hat es wieder geschafft, mich völlig in Bann zu ziehen. Ich hätte einfach immer nur weiterlesen können, habe jede Seite aufgesogen und mit Frederike gelebt und gelitten und bin ganz tief in den Roman eingetaucht.
Ich fiebere dem letzten Teil der Geschichte entgegen und möchte unbedingt mehr aus dem Leben Frederikes und ihrer Familie erfahren.

Veröffentlicht am 03.11.2017

Fehlentscheidungen

Preiselbeertage
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Das Verhältnis von Ariane zu ihrer Mutter Ina war immer schwierig und unterkühlt. Deshalb verlässt sie gleich nach dem Schulabschluss Schweden, wo die aus Leipzig stammenden Eltern seit vielen Jahren leben, ...

Das Verhältnis von Ariane zu ihrer Mutter Ina war immer schwierig und unterkühlt. Deshalb verlässt sie gleich nach dem Schulabschluss Schweden, wo die aus Leipzig stammenden Eltern seit vielen Jahren leben, um in Deutschland zu studieren und zu arbeiten. Sie hängt sehr an ihren Großeltern und sucht auch die räumliche Nähe zu ihnen. Erst der Tod des Vaters Jörg, bringt Ariane zurück nach Schweden. Bei der Testamentseröffnung erfährt sie, dass er ein Manuskript an sie und ihre Schwester vererbt hat. Doch Ina will davon nichts wissen, es bleibt unauffindbar. Berufliche und private Unzufriedenheit bestärken Ariane einige Zeit in Schweden zu bleiben und ihr Leben neu zu organisieren.
Im Wechsel mit Ereignissen in Schweden führt ein zweiter Handlungsstrang zurück in die DDR der Vorwendezeit. Wir lernen eine junge Musikstudentin und ihre Hoffnungen auf die Zukunft kennen, ihre Vorfreude auf einen Choraustausch ins Ausland und ihre familiäre Situation.
Gegenwart und Vergangenheit sind untrennbar miteinander verbunden und bevor Ariane diese Ereignisse nicht entschlüsseln wird, kann sie auch nicht mit Schwester und Mutter eine Bindung aufbauen.
Das Buch von Stina Lund hat mich von der ersten Seite an in Bann geschlagen, ganz besonders die Vergangenheit und die Alltagsbegebenheiten in Leipzig von den 80iger Jahren an, hat mich fasziniert.
Ein egoistischer Augenblick, eine Fehlentscheidung verändert das Leben über drei Generationen, das wird sehr einfühlsam geschildert, die Handlungen der handelnden Personen sind menschlich nachvollziehbar und lebensecht. Überhaupt spürt man die große Empathie der Autorin für ihre Charaktere, ihre Fehler und Lebenswege.
Mir hat auch die Sprache der Autorin gefallen und der Wechsel der Perspektiven und Zeiten, das erschloss mir die Dramatik und auch die geschichtliche Dimension des Romans. Ob es das Alltagsleben in der DDR vor der Wende ist, familiäre Bindungen und Verletzungen – das alles ist mir sehr nahe gegangen.
Auch wenn es ein versöhnliches Ende gibt, sogar ein Happy End, die Geschichte wirkt nach und bietet viel Nachdenkenswertes.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen und ich wünsche ihm sehr viele Leser.

Veröffentlicht am 01.11.2017

Ein totes Mädchen

Fildermädchen
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Die Soko ToM ist ein bunter Haufen, die Leiterin Marga Kronthaler hoffnungslos nikotinsüchtig, Sebastian Franck – auf das c besteht er – ein sehr eigenwilliger und überaus korrekter Typ, Cem findet seine ...

Die Soko ToM ist ein bunter Haufen, die Leiterin Marga Kronthaler hoffnungslos nikotinsüchtig, Sebastian Franck – auf das c besteht er – ein sehr eigenwilliger und überaus korrekter Typ, Cem findet seine Erfüllung als Elvis-Double und Franziska, die Auszubildende bringt frischen Wind in das Team. Man sollte es nicht glauben, aber diese Mischung funktioniert prächtig.
Die Soko ist auf die Klärung von Altfällen spezialisiert, hier bearbeiten sie einen ungelösten Mordfall ohne Leiche. Jasmin, eine Gymnasiastin ist verschwunden, lediglich zerfetzte, blutgetränkte Kleidung konnte gefunden werden. Jasmin war sehr in ihren Lehrer verliebt, der sich auch in viele Widersprüche verstrickte. Nun hat die damalige Alibizeugin den Hauptverdächtigen geehelicht, was einen neuen Ermittlungsansatz bedeuten könnte.
Das bedeutet einen Undercover-Einsatz für Franck am Gymnasium, an dem der Verdächtige immer noch unterrichtet. Höchststrafe könnte man meinen, aber Franck stellt sich auch dieser Herausforderung. Seine korrekte und pedantische Art scheint wie geschaffen, um als Lehrer zu überzeugen.
Der Krimi punktet mit Spannung, die auch nicht nachlässt, als sich mir schon bald ein vager Verdacht auftat. Besonders gefallen hat mir der intelligente Humor und Sprachwitz. Die Situationskomik ergibt sich aus der Zusammensetzung der Gruppe. Dazu ergeben die Reibungspunkte - besonders bei den zwei Hauptprotagonisten Franck und Kronthaler - interessente, vielschichtige Charaktere. Der Plot ist gut ausgedacht und bietet interessante und spannende Wendungen.
Ich habe den Autor erst mit diesem Buch kennengelernt und bin immer wieder überrascht, welche Entdeckungen ich im Programm des Emons Verlags machen kann.
Ein empfehlenswerter Krimi und ein Autor von dem ich sicher noch mehr lesen werde.