Stark, tiefgründig, erbarmungslos schmerzhaft
Mein drittes LebenDer Abgrund, in den Linda sieht, ist endlos. Die Verzweiflung und Machtlosigkeit ebenso. Nach dem Tod ihrer einzigen Tochter existiert sie selbst nur noch als leere Hülle, deren Berechtigung zur Existenz ...
Der Abgrund, in den Linda sieht, ist endlos. Die Verzweiflung und Machtlosigkeit ebenso. Nach dem Tod ihrer einzigen Tochter existiert sie selbst nur noch als leere Hülle, deren Berechtigung zur Existenz mit einem großen Fragenzeichen versehen ist. – Wer ist sie denn noch, wenn ihre Tochter nicht mehr da ist? War sie Sonja eine gute Mutter? Warum hat sie so oft an ihrem Kind gezweifelt? Hätte sie mehr für Sonja tun müssen?
In schlichten und doch klaren und starken Worten nimmt Daniela Krien die Leser:innen ihres Buches mit auf eine zutiefst emotionale Reise. Wie der Verlust eines Kindes, des einzigen Kindes, ein Leben von einem Augenblick auf den nächsten bedeutungslos werden lässt; wie eine Paarbeziehung, eine Ehe plötzlich in Trümmern liegt, weil sie in den Abgrund stürzt, während er allmählich und unter großen Anstrengungen wieder zur Kante emporklimmt. Wie dumpf die Welt und das ganze Dasein empfunden werden kann, weil ein Mensch fehlt…
Das Buch ist schonungslos in den tiefen und depressiven Stimmungen, in die es den Leser / die Leserin führt, es zieht beim Lesen herunter, macht traurig, nachdenklich. Lindas Leid ist übermächtig, was auch die Leser:innen deutlich selbst erspüren. Und dennoch ist es ein schönes, wenn auch sehr trauriges Buch, weil es stimmig ist, weil es wahr ist – und, weil es weh tut.
Achtung, ab hier Spoiler!
Der Moment, in dem Linda ihren Lebenswillen und kleine, aber doch positive Dinge für sich wiederentdeckt, war ein emotionaler Befreiungsschlag! Wie kraftvoll sie ins Leben zurückkehrt, indem sie das Leben anderer lebenswerter macht – durch ihre Gesellschaft und / oder finanzielle Unterstützung, war herrlich mitanzusehen.
Das offene Ende mag Geschmackssache sein, ich empfand es als sehr passend. Ein emotional anspruchsvolles und doch zugleich wunderbares Buch!