Profilbild von Book_fairy04

Book_fairy04

Lesejury Profi
offline

Book_fairy04 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Book_fairy04 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.11.2023

Leiser, zarter Episodenroman

Gute Nacht, Tokio
0

„Gute Nacht , Tokio“ von Atsuhiro Yoshida handelt von unterschiedlichen Menschen, welche überwiegend nachts unterwegs sind.

Matsui ist Taxifahrer und die Hauptprotagonisten sind ab und zu seine Fahrgäste. ...

„Gute Nacht , Tokio“ von Atsuhiro Yoshida handelt von unterschiedlichen Menschen, welche überwiegend nachts unterwegs sind.

Matsui ist Taxifahrer und die Hauptprotagonisten sind ab und zu seine Fahrgäste.
Mitsuki, die Filmrequisiteurin, Kanako die Telefonseelsorgerin, Tashiro oder Palme der Meisterdektiv, alle sind sie auf der Suche. Auch Matsui und die Stille der Nacht bringt die fremden Personen einander näher, Vertraulichkeiten werden getauscht und in der Anonymität der Metropole Gefühle und Gedanken ausgesprochen.

Das Drehkreuz, geführt von vier Frauen ist ein Bistro, welches nur nachts offen hat und auch hier verpassen sich immer wieder die Suchenden.

Der Autor schreibt sehr intensiv über das Leben der einzelnen Personen in einer Metropole und
verbindet auf geniale Weise alle Geschichten miteinander.
Er gibt allen Persönlichkeiten den benötigten Raum, stellt ihre Leben, Gedanken, Ängste und Sorgen vor. Leise, unaufgeregt und empathisch beschreibt er die verschiedenen Leben in der Nacht.

Er zeichnet ein friedliches, ruhiges Nachtleben in der hektischen Stadt, die immer in Bewegung ist. In der Stille der Nacht sind nur die Nachtschwärmer unterwegs. Dunkle Straßen, kuriose Geschäfte, skurrile Gestalten, Nachteulen und der unaufgeregte Schreibstil ziehen mich als Leser in den Episodenroman.

Der Roman berührt zart und weckt die Sehnsucht des Lesenden zu einer Verbundenheit , einer Zugehörigkeit und Ganzheit. Oftmals steckt das Detail in Sekunden oder Kleinigkeiten und wir suchen vergeblich in der dunklen Nacht. Bis ein Stern am Himmel erscheint ….

Ein sehr schöner Episodenroman und ein kleines Highlight für alle Lesenden die ein Faible für japanische Bücher haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.11.2023

Würde und Anerkennung

Sehr blaue Augen
0

„Sehr blaue Augen“ von Toni Morrison war 1970 ihr Debütroman.
Sie macht mit ihrem Roman die Auswüchse des anhaltenden Rassismus, Sexismus und Patriarchat sichtbar.

Gelesen wird das Hörbuch mit einer ...

„Sehr blaue Augen“ von Toni Morrison war 1970 ihr Debütroman.
Sie macht mit ihrem Roman die Auswüchse des anhaltenden Rassismus, Sexismus und Patriarchat sichtbar.

Gelesen wird das Hörbuch mit einer Dauer von 7 Stunden und 13 Minuten
von Abak Safaei-Rad, und einem Nachwort von Alice Hasters.

Ihr Debütroman steckt voller Weisheit, Offenbarung und die Präzision der Charaktere wurde unglaublich detailliert ausgearbeitet.

In einer Kleinstadt in Ohio lebt Pecola Breedlove, ein junges Mädchen, dass sich blonde Haare und blaue Augen wünscht, genau wie der bekannte Kinderstar Shirley Temple.
Pecola möchte so gerne hübsch sein und das Schönheitsideal wird mit blonden Haaren, blauen Augen und heller Haut beschrieben.

Die Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt.
Gleich zu Beginn wird mitgeteilt, dass Pecola, aufgewachsen in Armut und Elend,
ein Kind von ihrem Vater bekommt. Und wie hässlich das kleine Mädchen ist, in ihrer Gemeinde gemieden, von den Eltern nicht beachtet.

Die Geschichte erzählt welche Auswirkungen der Selbsthass, die Gewalt in den Familien und Colorism hat. Colorism ist ein Thema, selbst in schwarzen Gemeinden. Was ist schön und begehrlich? Werden hellere Menschen bevorzugt? Schwarze mit hellerem Hautton sind näher am Schönheitsideal und auch heute ist diese Einstellung / Ansicht noch aktuell.
Hier stellt sich in dem Roman die Frage, ob nur „schöne“ Menschen ein Anrecht auf Schutz, Würde und Anerkennung haben. Steht dies nicht allen Mädchen, Frauen und generell allen Menschen zu?

Feinfühlig, ehrlich und detailliert beschreibt die Autorin die Geschichte von Pecola, den sexuellen Übergriffen, der Ausgrenzung. Auch zeigt es uns die Demütigung von weißen Menschen, den tief eingegrabenen Rassismus und die Diskriminierung gegenüber Frauen.

Missbrauch und Inzest wird beschrieben und Pecola, stellvertretend für viele schwarze Mädchen, steht eine unglaublich düstere und schwere Zukunft bevor.
Die Opfer bleiben aufgrund des Rassismus in seiner allumfassenden Form in ihrem Zorn und ihrer Wut ohnmächtig zurück und lassen dies häufig an den schwächeren Personen der Familie oder Gemeinde aus. Hier trifft es hauptsächlich die Frauen und Kinder.

Die Charaktere werden sehr intensiv und schonungslos ehrlich beschrieben, die Absichten der Protagonisten werden erklärt und auch die Vorgeschichte mancher Charaktere wurde bildlich beschrieben.

Die Ausarbeitung der Sprache, selbst in den tiefsten Abgründen war klar, deutlich und immer wertschätzend ohne abzuwerten.
Tiefgründig holt uns die Autorin zum
Thema Rassismus ab und stellt uns Colorism in der schwarzen Gemeinschaft vor.

Ihre Romane wurden als Nischenliteratur bezeichnet, weil sie nur über schwarze Figuren schreibt. Liegt es an der unbequemen Wahrheit über das Thema Rassismus?

Sie legt in dieser Erzählung die Erniedrigung offen und spricht Wahrheiten aus, um die tief eingegraben Rassismen zu erkennen und loszuwerden.

„Sehr blaue Augen“ gibt schwarzen Mädchen einen Raum um mit Selbsthass, Minderwertigkeitsgefühl und Ausgrenzung abzuschließen.
Menschlichkeit wird in diesem Roman großgeschrieben und die Sicht auf
die Gesellschaftsformen geschärft.

Toni Morrison geht es in dieser Erzählung über die Verteidigung der Würde schwarzer Mädchen, um Anerkennung, Resilienz und Zerbrechlichkeit.
Das Buch zeigt auf, es geht weder um Opfer noch um Helden.

Hörenswerter Klassiker in aktueller Übersetzung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.04.2023

Sparen und Leben

3000 Yen fürs Glück
0

Japanische Kultur und ein Weg zu sparen wird mit dem Buch “3000 Yen fürs Glück” von Hika Harada direkt in die Gedanken der europäischen/deutschen LeserInnen gepflanzt.
Es wird die Geschichte von vier ...

Japanische Kultur und ein Weg zu sparen wird mit dem Buch “3000 Yen fürs Glück” von Hika Harada direkt in die Gedanken der europäischen/deutschen LeserInnen gepflanzt.
Es wird die Geschichte von vier Frauen aus drei Generationen und ihre jeweiligen Bedürfnisse, Träume und Probleme erzählt. Die aussergewöhnliche und für den europäischen/deutschen Leser etwas unvorhersehbare Sichtweise auf die Dinge und das Sparen im speziellen gibt Einblick in die japanische Kultur. Informativ und abenteuerlich werden verschiedene Sparmöglichkeiten aufgezeigt. Der kontinuierliche Bankenwechsel mit kurzfristigen, gut verzinsten Lockangeboten, Kreditkarten und günstige Mobilfunkanbieter sind nur ein Bruchteil der aufgezählten Möglichkeiten. Langfristige Planung, am besten mit einem Kakeibo /Haushaltsbuch, werden wärmstens empfohlen. Es gibt sogar einen QR-Code für einen kostenlosen Download des Kakeibo.
Es handelt sich keineswegs um ein Sachbuch; der Leser wird sehr gut in die Leben der japanischen Frauen einbezogen. Die Protagonistinnen werden sehr authentisch und lebendig beschrieben, das Leben in Japan, die Tradition und auch der finanzielle Hintergrund wird dem Leser unglaublich gut dargelegt und man taucht in die uns fremde Welt und deren Alltag ein.
Die Sorgen und Probleme, welche eine Person oder auch eine Familie finanziell bewältigen muss, ist nicht fernab der Situation in Deutschland.
Um den kleinen Traum einer Familie, Eigentum und etwas Leben zu erfüllen, heißt es gut zu hauswirtschaften, zu sparen und zu planen.
Tipps hierfür kann man aus diesem flüssig geschriebenen Buch gut übernehmen, auch wenn manches nicht direkt in unser europäisches Leben übernommen werden kann. Das Buch liest sich aufgrund der verschiedenen Geschichten locker und leicht, trotz der schweren Thematik des Sparens. Hika Harada hat mit ihrem Familienroman ein unterhaltsames, lehrreiches Buch geschrieben.
Das Cover mit der typischen Winkekatze und der kräftigen Farbe mit der weißen Schrift locken den Blick an. Ich kann das wirklich ungewöhnliche, etwas andere Buch sehr empfehlen und gebe gerne 4,5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.07.2024

Japanisches Lesevergnügen

Das Loch
0

“Das Loch” von Hiroko Oyamada erzählt vom Leben eines jungen Paares, welches von der Großstadt aufs Land zieht. Das Haus neben den Schwiegereltern steht leer und bietet sich an, dort günstig zu leben. ...

“Das Loch” von Hiroko Oyamada erzählt vom Leben eines jungen Paares, welches von der Großstadt aufs Land zieht. Das Haus neben den Schwiegereltern steht leer und bietet sich an, dort günstig zu leben. Nur gibt es auf dem Dorf weder Arbeit, noch Vergnügen. Man sieht kaum Menschen auf der Straße und Asahis Leben verwischt zwischen Realität und Phantastik.
Die junge Frau Asahi gibt ihren Beruf nach dem Umzug auf und wird Hausfrau. Obwohl keine Kinder erwartet werden und das Pendeln in die Stadt möglich wäre, sieht sie keinen Sinn, diese Strapaze auf sich zu nehmen.
Die Tage auf dem Land plätschern dahin und Asahi versteht den Traum der Frauen nicht endlich nur Hausfrau sein zu dürfen. Ihr Leben ist überschaubar, der tägliche Weg zum Supermarkt, die Wäsche erledigen und ab Mittag nur noch Langeweile. Nach kurzer Zeit wird dieser Zustand jedoch zur Normalität.
Auf dem Weg zum Bankautomaten in einem 7-Eleven-Shop begegnet Asahi einem Tier ohne Namen und folgt diesem in Richtung Uferböschung in das Gebüsch.
Plötzlich fällt sie in ein Loch, es roch nach Gras und frischer Luft - nicht unangenehm und doch war ein Herauskommen alleine nicht möglich. Nur durch Hilfe konnte sich Asahi aus dem Loch befreien.
Seit diesem Vorfall wurde alles anders und die Grenzen zwischen der Realität und Einbildung verschwimmen oder war es schon vor ihrem Sturz in das Loch?
Die Autorin versteht es perfekt die japanische Literatur in Szene zu setzen. Der Roman wurde in der Ich-Form geschrieben, die Protagonistin wird in ihrer Rolle als Frau und vor allem Hausfrau sehr gut beschrieben.
Der Alltag des jungen Paares und das Familienleben werden bildlich wiedergegeben und das Leben in der japanischen Gesellschaft, vor allem im Dorf, dem/der Leser:in nahe gebracht.
Ihr Mann ist in seinem neuen Job sehr eingespannt und zieht seine Arbeit und das Handy der Gesellschaft seiner Frau vor. Kann Asahi mit ihrem Mann über den verwirrten Großvater und den Schwager, den niemand bisher erwähnte sprechen? Will sie ihn mit ihren Gedanken und Sorgen belästigen?
Auf wenig Seiten gibt es viele Wendungen und ich wurde in das abstrakte Leben der jungen Frau gezogen.
Was ist ihre Bestimmung und ist es für sie von Wert, diese zu finden?
Ihre Wahrnehmung spiegelt falsche Tatsachen oder ist es ihre Realität? Was passiert mit ihrem Geist, ihren Sinnen und ihrem Leben? Findet sie ihren Weg?
Es bleiben viele offene Fragen und nachdenklich bleibe ich als Leser:in zurück. Ein Lesevergnügen für Freunde der japanischen Literatur.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.06.2024

Arbeiterfamilie

Die Arbeiter
0

“Die Arbeiter” von Martin Becker handelt von einer Arbeiterfamilie aus einfachen Verhältnissen in den 80er Jahren, die für ein Reihenhaus in einer Kleinstadt und einen Urlaub an der Nordsee leben.

Mit ...

“Die Arbeiter” von Martin Becker handelt von einer Arbeiterfamilie aus einfachen Verhältnissen in den 80er Jahren, die für ein Reihenhaus in einer Kleinstadt und einen Urlaub an der Nordsee leben.

Mit einem gebrauchten Auto, viel Zigaretten und wenig Geld machen sich die Eltern mit ihrem Nachzügler auf den Weg zu einer Ferienwohnung an die Nordsee. Man kann sich schließlich etwas leisten, auch wenn es nur das Darlehen der Sparkasse ist.

Das Leben der Familie mit vier Kindern, eins davon im Rollstuhl, besteht nur aus Arbeit. Der Vater schuftet für ein bisschen Glück, die Mutter eine Näherin, arbeitet nachmittags am Fließband und kümmert sich um die Kinder. Lisbeth im Rollstuhl und der Nachzügler sind ihre Herzenskinder. Um die beiden wird sich am meisten gekümmert.

Der Roman wird in der Ich-Form des Nachzüglers oder auch “der Kurze”’ genannt, erzählt. Die Eltern sind bereits gestorben, für ihr Leben mit Alkohol, Nikotin, ungesunder Ernährung und Maloche zahlten sie frühzeitig ihren Preis. Der vierzigjährige Nachzügler hat nun selbst Familie und möchte bei seinem Sohn alles anders machen und doch fällt er in die Muster seiner Erziehung.

Die Arbeiterfamilie träumte vom Lottogewinn, bis dahin wurden jedoch die vorhandenen Chancen mit viel Fleiß und Ratenzahlungen genutzt. Ein Sparkassendarlehen zu erhalten und sich etwas leisten zu können, war ausreichend.
Die Familie pflegte keine sozialen Kontakte, hinter vorgehaltener Hand wurde im Ort getuschelt und sie wurden belächelt.

Vergangenheit und Gegenwart werden im Wechsel erzählt; alles hängt unweigerlich zusammen und doch möchte man alles anders machen. Der Autor zieht den Leser in das unaufgeregte Leben und zeigt auf, dass sich eine Trennung zur Vergangenheit nicht so einfach realisieren lässt.


Der Kurze trifft sich nach Jahren mit seiner Schwester Uta in Oostende um sich wieder anzunähern. Uta hat die Familie verlassen, sich kaum gemeldet und erzählt Geschichten von dem Vater als Bestimmer und einer Mutter, die niemals an etwas Schuld war.
Viele Fragen bleiben bei den Treffen der Geschwister offen und erst der große Zusammenhang klärt auf.

Martin Becker erzählt über eine Generation in der für Gefühle oder Gespräche wenig Platz war. Nichts wird glorifiziert- der Alltag wird schonungslos und in seiner Einfachheit beschrieben. Er lässt die Charaktere der Protagonisten real erscheinen, ihre Verhaltensweisen werden sehr detailliert beschrieben und auch das Empfinden der Kinder wird authentisch dargelegt. Emotionen und Werte werden vermittelt, die man in der Gegenwart überdenken sollte.

Der Vater spricht nur ein einziges Mal von “heute haben wir das Glück im Rücken.” Sonst heißt es nur “Das Pech klebt uns wie Scheiße an den Fingern.” (S. 18)

Der Autor schreibt in einem humorvollen, flüssigen Schreibstil über die früheren Arbeiterfamilien, die einfachen Verhältnisse und deren Entbehrungen.
Trotz aller Erschwernisse, Schicksalschläge und Plackerei ist das Leben schön. Und zwischen Zigarettenqualm und Alkohol, wächst die nächste Generation heran.

Eine gelungene Erzählung über die Arbeiter, einem verblassenden Relikt der Vergangenheit.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere