Profilbild von Naraya

Naraya

Lesejury Star
offline

Naraya ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Naraya über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.07.2024

Klischees und Figuren, die fremd bleiben

Die Sache mit Rachel
0

Bei ihrem Nebenjob in einem Buchladen lernt die 20-jährige Studentin Rachel James kennen und die beiden verstehen sich sofort. Schon bald sind sie die besten Freunde, gehen zusammen aus, ziehen in eine ...

Bei ihrem Nebenjob in einem Buchladen lernt die 20-jährige Studentin Rachel James kennen und die beiden verstehen sich sofort. Schon bald sind sie die besten Freunde, gehen zusammen aus, ziehen in eine gemeinsame Wohnung und teilen Geheimnisse miteinander. Eines davon ist Rachels heimliche Schwärmerei für ihren Literaturprofessor Dr. Byrne. Um ihn zu verführen, planen die beiden eine Lesung mit ihm im Buchladen, doch bei dieser Veranstaltung kommt alles ganz anders, als geplant.

„Die Sache mit Rachel“ ist der erste Erwachsenenroman der irischen Journalistin und Autorin Caroline O‘ Donoghue, der bisher auf Deutsch erschienen ist; die Übersetzung verfasste Christian Lux. Zu Beginn des Buches befindet sich die Protagonistin Rachel auf einer Veranstaltung, auf der sie plötzlich nach Dr. Byrne gefragt wird und erfährt, dass dieser im Koma liegt. Von diesem Punkt an erzählt sie rückwärts in der Ich-Form, wie sie und James sich kennengelernt und sich die Geschichte entfaltet hat. Dabei macht sie auch immer wieder Vorausdeutungen - ein Stilmittel, das nicht zu meinen liebsten gehört, zumal Rachel auch absichtlich falsche Fährten legt.

Die Freundschaft zwischen Rachel und James strotzt nur so vor Klischees. Rachel ist das etwas verklemmte Mäuschen, James der klassische schwule beste Freund, der sich durch alle Betten schläft. Und als Rachel einen zweiten James kennenlernt und mit ihm eine Beziehung beginnt, wird der nur mit seinem Nachnamen angesprochen, weil „es ja nur einen James geben kann“. Für eine 20-Jährige doch ein wenig kindisch, oder? Und so recht konnte ich die Freundschaft auch nicht nachvollziehen, denn die beiden betrügen und belügen sich gegenseitig.

Manche Aspekte der Geschichte sind jedoch durchaus interessant und ich hätte mir gewünscht, diese hätten stärker im Fokus gestanden, wie zum Beispiel Rachels Engagement für das Recht auf Abtreibung. Und auch die komplizierte Beziehung zwischen Rachel, James, Dr. Byrne und dessen Frau Deenie ist grundsätzlich interessant gestrickt, die Figuren blieben mir jedoch bis zum Ende fremd.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.06.2024

Gute Grundgedanken, wenig Umsetzung

Potenziell furchtbare Tage
0

Es muss sich etwas ändern an unserer Arbeitswelt, schreibt Journalistin und Autorin Bianca Jankovska in ihrem Buch „Potenziell furchtbare Tage“. Acht Jahre lang musste sie sich mit der Diagnose Prämenstruelle ...

Es muss sich etwas ändern an unserer Arbeitswelt, schreibt Journalistin und Autorin Bianca Jankovska in ihrem Buch „Potenziell furchtbare Tage“. Acht Jahre lang musste sie sich mit der Diagnose Prämenstruelle Dysphorische Störung (PMDS) durch ein Arbeitsleben quälen, das auf ihre persönliche Situation keine Rücksicht nahm. Emotionale Zusammenbrüche und Jobwechsel folgten aufeinander, bis sie bewusst aus den Zwängen der Leistungsgesellschaft ausstieg und einige Monate in Schweden verbrachte.

In insgesamt 5 thematischen Kapiteln, einem Vorwort sowie einem Intro und Outro setzt sich Bianca Jankovska mit unserer Arbeitswelt auseinander, analysiert die Ist-Situation und stellt Überlegungen an, wie es auch anders gehen könnte. Dabei geht sie stets sehr persönlich von sich selbst aus und gibt Einblicke in ihr eigenes (Gefühls-)Leben. Es geht um Ideen wie die 4-Tage-Woche, Menstruationsurlaub und generell das Thema Anti-Work, also den Gedanken, sich von Arbeitszwängen zu lösen ein gesünderes Verhältnis zur Arbeit zu finden.

Eines vorab: Ich bin grundsätzlich mit vielem einverstanden, was Bianca Jankovska vorbringt. Andere europäische Länder machen beispielsweise vor, dass sich die Leistungsfähigkeit sogar steigern lässt, wenn bei gleicher Bezahlung auf eine 4-Tage-Woche umgestellt wird. Was mir bei der Autorin jedoch fehlt, ist eine Vorstellung davon, wie das in bestimmten Bereichen ablaufen soll. Es mag in einem klassischen Büro einfach sein, auf ein solches Modell zu wechseln oder sich als Individuum einfach mal ein paar Menstrual oder Mental Health-Tage zu nehmen. Wie sieht das aber in prekären Arbeitsverhältnissen aus? Oder in Jobs, bei denen tägliche geplante Anwesenheit essentiell ist? Wer betreut dann unsere Kinder, versorgt uns medizinisch oder räumt unseren Müll weg?

Die Autorin schreibt es am Ende des Buches selbst: sie ist privilegiert. Und das wird auch deutlich, wenn man ihre Lösungsvorschläge sieht: einfach mal ein paar Monate ins Ausland oder sich ein „böses“ Unternehmen suchen, um dieses dann finanziell auszunutzen, ohne richtig zu arbeiten. Schade, hier hatte ich mir mehr erwartet.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.05.2024

Tolles Setting mit Kritikpunkten an der Handlung

Wenn die Masken fallen
0

Inspektor Archie Penrose hat Urlaub und lädt seine Freundin Josephine Tey in sein Elternhaus nach Cornwall ein. Beide freuen sich auf eine ruhige gemeinsame Zeit, denn erst vor kurzem konnten sie etwas ...

Inspektor Archie Penrose hat Urlaub und lädt seine Freundin Josephine Tey in sein Elternhaus nach Cornwall ein. Beide freuen sich auf eine ruhige gemeinsame Zeit, denn erst vor kurzem konnten sie etwas aus der Welt schaffen, was lange zwischen ihnen stand. Doch dann verschwindet ein junger Mann und scheint im See des Dorfes ertrunken zu sein. Sein Tod löst eine Lawine an Ereignissen aus, die Archie und Josephine mitreissen. Kann ihre Freundschaft das überstehen?

„Wenn die Masken fallen“ ist der zweite Band der Reihe der Autorin Nicola Upson um Inspektor Penrose und seine Freundin, Schriftstellerin Josephine Tey. Diese ist übrigens eine reale Person und damit eine Zeitgenossin von Agatha Christie. Erzählt wird die Handlung in der dritten Person und der Vergangenheitsform, wobei die Perspektive immer wieder zwischen Archie und Josephine, aber auch bestimmten Nebencharakteren wechselt. So wird die Geschichte von unterschiedlichen Seiten beleuchtet, bleibt aber weiterhin spannend.

Dieser Krimi hat eigentlich alle Bausteine, die mir gut gefallen: ein sympathisches Ermittlerduo, das sich ergänzt, ein kleines Dorf, in dem sich alle kennen und eine ganze Menge Geheimnisse, von denen wir nicht wissen, ob und wie relevant sie eigentlich für den Kriminalfall sind. Die Autorin schafft es so, eine Atmosphäre zu erzeugen, die herrlich zum Mitraten einlädt. Für Archie Penrose ist diese Ermittlung jedoch nicht ganz einfach, da er mit vielen der verdächtigen Personen aufgewachsen ist und somit Berufliches und Privates stark trennen muss – was ihm nicht immer gelingt. Gut, dass Josephine hier dann eingreifen kann.

Was mir jedoch weniger gefallen hat, ist, dass sich das Buch ab einem gewissen Zeitpunkt zu einem wahren Gewaltfest an Frauen entwickelt. Beinahe jede weibliche Figur in „Wenn die Masken fallen“ hat irgendeine Art von Gewalt von Männern erlebt. Und auch wenn ich verstehe, was möglicherweise damit ausgesagt werden soll, ist die Umsetzung, meines Erachtens, nicht gut gelungen. Für die Botschaft, wie schwer Frauen es während und nach dem ersten Weltkrieg hatten, hätten auch einige wenige Beispiele ausgereicht.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.04.2024

Eine nette kleine Geschichte

Frau Yeoms kleiner Laden der großen Hoffnungen
0

Frau Yeom besitzt in Seoul einen kleinen 24 Stunden-Laden, den sie zum Leidwesen ihres Sohnes noch immer betreibt, obwohl er nur wenig Gewinn abwirft. Der würde stattdessen lieber verkaufen und das Geld ...

Frau Yeom besitzt in Seoul einen kleinen 24 Stunden-Laden, den sie zum Leidwesen ihres Sohnes noch immer betreibt, obwohl er nur wenig Gewinn abwirft. Der würde stattdessen lieber verkaufen und das Geld in seine eigenen Ideen investieren. Doch dann lernt Frau Yeom durch Zufall den Obdachlosen Dok-go kennen und bietet ihm die Nachtschicht in ihrem Laden an. Schon bald hat er sich eingelebt und beeinflusst das Leben seiner Kundschaft auf die ein oder andere Weise.

„Frau Yeoms kleiner Laden der großen Hoffnungen“ ist der erste Roman des Redakteurs und Drehbuchautors Kim Ho-yeon. Er ist der erste Band einer Reihe und wird in Korea derzeit als Theaterstück und fürs Fernsehen adaptiert. Erzählt werden im Prinzip lauter kurze Begegnungen in der Vergangenheitsform, die sich in bzw. im Zusammenhang mit Frau Yeoms Laden abspielen. Die Personen wechseln dabei ständig, im Fokus stehen aber sicherlich die Ladenbesitzerin selbst und Dok-go, die beide mit ihrem Wesen und Verhalten ihre Umgebung beeinflussen.

Frau Yeoms Entscheidung, einen Obdachlosen in ihrem Laden arbeiten zu lassen, trifft nicht nur auf Verständnis. Während die junge Angestellte Si-hyeon ihre Vorbehalte schon bald aufgeben kann, bleibt die ältere Frau Oh lange Zeit misstrauisch und verhält sich Dok-go gegenüber abweisend, wenn sie ihn beim Schichtwechsel im Laden trifft. Überhaupt hat mir nicht gefallen, wie über den Obdachlosen gesprochen wird. Er wird von beinahe allen als ein zotteliges Tier beschrieben, das auch die entsprechenden Laute von sich gibt. Diese Vorurteile werden leider erst spät von den handelnden Figuren selbst herausgefordert oder überdacht.

Thematisch gesehen erzählt der Roman viele kleine Geschichten. Da geht es um berufliche Träume, um das schwierige Verhältnis zur eigenen Familie, um Alkoholsucht und um das verlorene Gedächtnis von Dok-go, dessen Name übrigens „einsam und allein“ bedeutet. Erst gegen Ende der Handlung kann dieser die Bruchstücke seines Lebens wieder zusammensetzen – dieser Teil wirkt seltsam „angehängt“ und relativiert Aussagen, welche die Handlung eigentlich transportieren will. Schade!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.02.2024

Nicht wie erwartet

Griechischstunden
0

Han Kang gehört, seit ich im letzten Jahr ihren Roman „Menschenwerk“ gelesen habe, zu meinen liebsten Autorinnen. Mit „Griechischstunden“ ist nun ihr neustes Buch erschienen, übersetzt von Ki-Hyang Lee. ...

Han Kang gehört, seit ich im letzten Jahr ihren Roman „Menschenwerk“ gelesen habe, zu meinen liebsten Autorinnen. Mit „Griechischstunden“ ist nun ihr neustes Buch erschienen, übersetzt von Ki-Hyang Lee. Darin begegnen wir einer jungen Frau in Seoul, die ihre Stimme verloren hat und einen älteren Mann, ihren Griechischlehrer, der zu erblinden droht. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit entdecken die beiden Gemeinsamkeiten und bewegen sich wie in Zeitlupe aufeinander zu.

Erzählt wird die Handlung aus zwei Perspektiven. Der Professor spricht in der Ich-Form, wendet sich aber auch kapitelweise an andere Personen. Da hier immer nur von einem „Du“ die Rede ist, muss aus dem Kontext geschlossen werden, um wen es gerade geht. Die Perspektive der jungen Frau wird in der dritten Person geschildert – vielleicht, weil sie neben ihrer realen, auch die innere Stimme verloren hat. Eine Konversation zwischen beiden Hauptfiguren ist somit beinahe unmöglich, denn der Professor kann kaum noch sehen.

Die junge Frau hat einige Schicksalsschläge hinter sich. Erst kürzlich starb ihre Mutter und sie verlor das Sorgerecht für ihren Sohn. Nun steht der Vater kurz davor, mit ihm ins Ausland zu ziehen und es gäbe somit so vieles für sie zu sagen. Dennoch kann sie einfach nicht sprechen, obwohl es dafür keine körperliche Ursache gibt. Der Professor hingegen verheimlicht, dass er schon fast erblindet ist. Zudem hat er sowohl in Deutschland als auch in Korea gelebt und fühlt sich nun in beiden Ländern als Außenseiter. Vielleicht kann er daher die junge Frau so gut verstehen.

Sprachlich ist Han Kang wieder ein wunderbarer Text über Menschen gelungen, die an einem Scheidepunkt ihres Lebens stehen. Inhaltlich und vor allem emotional konnte „Griechischstunden“ mich jedoch nicht erreichen. Die Anonymisierung der Figuren und Szenen, deren Kontext erraten werden muss, lassen mich keine Beziehung zu ihnen aufbauen. Noch dazu passiert erst bei etwa 75% des Romans das, was der Klappentext verspricht, nämlich ein richtiges Aufeinandertreffen der Charaktere. Daher ist auch der Schluss für mich leider nicht plausibel.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere