Zu viele Themen zu oberflächlich behandelt
TreibgutDer Roman von Adrienne Brodeur spielt im Jahre 2016 in den USA, was man deutlich beim Lesen spüren kann. Es ist das Jahr, in dem viele die Hoffnung hatten, dass eine Frau zum ersten Mal an der Spitze der ...
Der Roman von Adrienne Brodeur spielt im Jahre 2016 in den USA, was man deutlich beim Lesen spüren kann. Es ist das Jahr, in dem viele die Hoffnung hatten, dass eine Frau zum ersten Mal an der Spitze der amerikanischen Weltmacht stehen und endlich die Herrschaft der alten, weißen Männer zu Ende sein würde. Leider ist es anders gekommen und erst seit wenigen Tagen haben wir ein ähnliches Konstrukt, nachdem Joe Biden von Camela Harris als Präsidentschaftskandidatin abgelöst wurde.
Abby ist Künstlerin und lebt mit ihrem Hund Frida in Cape Cod. Sie ist schwanger und verheimlicht diesen Umstand, denn der Vater des Kindes ist verheiratet und sie steht dank einer kommenden Reportage in einem Kunstmagazin kurz vor ihrem Durchbruch.
Ihr Bruder Ken ist Immobilenmakler und ein großkotziger Typ, der sich gegenüber Abby seit seiner Kindheit benachteiligt fühlt. Er ist Vater von zwei pubertierenden Töchtern und ist mit Abby's ehemaliger besten Freundin Jenny verheiratet ist. Er hat politische Ambitionen und möchte eine Karriere in der Politik anstreben, steckt jedoch in einer tiefen Identitätskrise. Er ist alles andere als ein Sympathieträger.
Adam ist der Vater von Abby und Ken und Meeresbiologe. Sein Spezialgebiet sind Buckelwale. Er feiert demnächst seinen 70. Geburtstag und geht in Rente. Damit kommt er allerdings überhaupt nicht zurecht und hadert mit seiner Vergänglichkeit. Sein Traum ist es, die Sprache der Wale zu entschlüsseln. Sein eigenes Selbstbild und Fremdwahrnehmungen klaffen gehörig auseinander. Zusätzlich setzt der bipolare Forscher seine Medikamente ab, denn er hat das Gefühl, dass er nur dann geistige Höhenflüge hat. Seine Monologe und Wahrnehmungen tun der Geschichte jedoch nichts Gutes und erzeugen mit der Zeit Langeweile.
Dann gibt es noch Stephanie, eine Polizistin aus kleinbürgerlicher Familie, verheiratet mit einer Frau und Mutter eines Sohnes. Sie hat eine ganz besondere Beziehung zur Familie Gardner und sucht den Kontakt. Durch sie erhalten wir Leser einen Blick von außen auf die reiche Upperclass.
Je näher Adams Geburtstag rückt, desto mehr verschärfen sich die Konflikte zwischen Ken und Abby, und ein lang gehütetes Geheimnis droht, ans Licht zu kommen…
Da die Gardners in Cape Cod direkt an der Küste leben, Abby für ihre Kunst Treibgut sammelt und Adam eben Meeresbiologe ist, ist die ganze Stimmung dieses Romans sehr maritim. Biodiversität, Nachhaltigkeit, Umwelt-, Tier- und Klimaschutz sind Themen, die auf den ganzen 464 Seiten präsent sind.
Auch die Stimmung zu dieser Zeit und das Lebensgefühl wird von Adrienne Brodeur großartig wiedergegeben.
Die Figurentiefe leidet jedoch etwas darunter. Wir erfahren zwar abwechselnd die Sicht der einzelnen Charaktere durch eigene Kapitel, jedoch bleibt die Autorin mehr an den Äußerlichkeiten hängen. Die Figuren entwickeln sich nicht wirklich weiter und wachsen nicht an ihren Problemen.
Die Heimlichkeiten und Geheimnisse innerhalb der Familie waren jetzt nicht allzu überraschend, denn diese reflektieren sich bald heraus unsd es entstehen Längen.
Viele Themen werden von der Autorin angeschnitten, aber kaum intensiver besprochen. Es beibt alles an der Oberfläche - wie die Familie selbst.
Was mir nicht gefallen hat, war die sehr oberflächliche Behandlung des Familiengeheimnisses, welches am Ende nur kurz aufgedeckt und nicht mehr näher besprochen wird. Da es sich um ein sehr heikles Thema handelt, welches zwar nicht explizit dargestellt wird, sondern nur durch Andeutungen erklärt wird, finde ich den saloppen Umgang damit nicht in Ordnung. Daher gibt es noch einen weiteren Punkteabzug!
Fazit:
Ein Roman mit einem interessanten Familienkonstrukt und mit (meer) Atmosphäre. Allerdings gibt es einige Längen und die sehr oberflächliche Behandlung eines wichtigen Themas, hat mir so gar nicht gefallen. Es werden auch viele weitere Bereiche angerissen, aber nicht wirklich weiter ausgeführt oder sich mehr damit auseinandergesetzt. Ein Roman für einen chilligen Aufenthalt am Meer, der aber nicht das erwartete Highlight geworden ist.