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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.07.2024

Keine leichte Lektüre

Blutrotes Kobalt. Der Kongo und die brutale Realität hinter unserem Konsum
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„Wir arbeiten in unseren Gräbern!“

Ein erschütternder Bericht des Wirtschaftswissenschaftlers, Meschenrechtsaktivisten und Professor an der University of Nottingham Siddarth Kara über die Zustände in ...

„Wir arbeiten in unseren Gräbern!“

Ein erschütternder Bericht des Wirtschaftswissenschaftlers, Meschenrechtsaktivisten und Professor an der University of Nottingham Siddarth Kara über die Zustände in den Kobalt-Abbaugebieten der Demokratische Republik Kongo.

„Wir arbeiten in unseren Gräbern!“ sagt einer der Abertausenden rechtlosen Kleinschürfer treffend, denn während am Weltmarkt Höchstpreise für das Erz erzielt werden, holen Männer, Frauen und Kinder im handwerklichen Kleinstbergbau ohne Schutzausrüstung und Sicherungsmaßnahmen, oft mit bloßen Händen aus einsturzgefährdeten Gruben und Stollen. Dabei atmen sie giftige und radioaktive Stäube ein. Anschließend wird das für die Industrie kostbare Erz in verseuchten Becken gewaschen - und das alles zu Hungerlöhnen.

Siddarth Kara hat sich selbst ein Bild dieser menschenunwürdigen Zustände gemacht. Er zeigt auf, dass die Erklärungen der Großkonzerne, „man achte auf Nachhaltigkeit und gute Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sowie die Zahlung von angemessenen Löhnen“ weder das Papier noch die Druckerschwärze wert sind. Gegen das neue Lieferketten-Gesetz der EU wird absichtlich und sträflichst verstoßen. Sanktionen? Nicht der Rede wert.

Für seinen Bericht bzw. das Buch hat Siddarth Kara zahlreiche Kleinschürfer, Vertreter von Bergbaugenossenschaften, NGOs, Regierungsvertreter und Zwischenhändlern interviewt.

Nach der Lektüre dieses Buches muss man sich schon fragen, ob und welchen Anteil Jeder oder Jede von uns an dieser Menschen verachtenden Ausbeutung hat.

Fazit:

Keine leichte Lektüre, trotzdem eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Veröffentlicht am 10.07.2024

Konrad Lorenz - bekannt und umstritten

Konrad Lorenz
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Diese Biografie ist bereits 2003 im Zsolnay-Verlag erschienen und wurde von Benedikt Föger und Klaus Taschwer sorgfältig überarbeitet. Neue Erkenntnisse über Konrad Lorenz (1903-1989), den Sportler, Mediziner, ...

Diese Biografie ist bereits 2003 im Zsolnay-Verlag erschienen und wurde von Benedikt Föger und Klaus Taschwer sorgfältig überarbeitet. Neue Erkenntnisse über Konrad Lorenz (1903-1989), den Sportler, Mediziner, Wissenschaftler, „Vater der Graugänse“ und Namensgeber für das Volksbegehren zum Naturschutz in Österreich wurden geprüft und eingearbeitet.

Dennoch taugt der vielschichtige Mann nicht zum Helden. Warum nicht?

Wie man in den Kapiteln „Begründer einer neuen Disziplin“ bis hin zu „Eine kurze Heimkehr“, die die Jahre zwischen 1933 und 1948 umfassen, lesen kann, biedert sich Konrad Lorenz zunächst den Machthabern im österreichischen Ständestaat an und tritt nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland begeistert der NSDAP bei. Anders als im katholischen Ständestaat werden seine Theorien über die Evolution nun gewürdigt. Er verlegt seine Forschungen nach Deutschland und wird Mitarbeiter des „Rassenkundlichen Amtes der NSDAP“. 1941 rückt mit einer fast kindlichen Kriegsbegeisterung als einfacher Soldat in die Wehrmacht ein. Man hat ihm zwar einen Posten weit hinter der Front als Arzt angeboten, aber er will eingedenk seiner kurzen Karriere als Motorradrennfahrer in seiner Jugend als Kurier dienen. Später wird er in einer militärpsychologischen Ambulanz Soldaten untersuchen, zahlreiche für gesund erachten und jene die es nicht sind, aussortieren. Ihr weiteres Schicksal interessiert ihn nicht. Wer den Umgang der Nazis mit (psychisch) Kranken kennt, wird unschwer erraten, was daraufhin folgt. Details hierzu sind noch (?) nicht bekannt. Konrad Lorenz denkt darüber nach, eine Praxis als Psychiater zu eröffnen. Konrad Lorenz wird 1944 von den Russen gefangengenommen und kehrt erst 1948 nach Österreich zurück.

In seiner Autobiografie, aus der Föger und Taschwer zitieren, schreibt er wenig über diese Jahre und das was er zu Papier bringt, klingt wie ein Abenteuerroman. Kann er die Gräuel des Krieges verdrängt haben? Ist er nach wie vor von der Richtigkeit des Regimes überzeugt? Wieviel hat er gewusst? Hat er, wie er launig erzählt wirklich nur einen einzige Schuss abgegeben? Kaum vorstellbar, vor allem, wenn er an anderer Stelle berichtet, der einzige gewesen sein soll, der mit dem schweren MG umzugehen wusste.

Seine Schlussfolgerung, krankes Erbmaterial müsse zur Erhaltung einer lebenstüchtigen Zivilisation ausgesondert werden, der er bis zu seinem Tod anhängt, lässt sein biologisch determinierten Gesellschaftsverständnis deutlich erkennen. So rückt er von seinen 1943 veröffentlichten Thesen noch in den späten 1960er-Jahren nicht ab.

1973 wurde ihm zusammen mit Karl von Frisch und Nikolaas Tinbergen der „Nobelpreis für Physiologie oder Medizin“ für Entdeckungen zur Organisation und Auslösung von individuellen und sozialen Verhaltensmustern verliehen.

Über die Hintergründe zur Verleihung des Nobelpreises, die trotz Lorenz‘ fragwürdiger Vergangenheit erfolgt ist, können die Autoren nicht viel schreiben, da die Unterlagen erst 50 Jahre nach der Verleihung also im Jahre 2024 veröffentlicht werden. Zur Drucklegung dieser Biografie (Ende 2023) liegen diese Dokumente also noch nicht vor.

Die Verleihung des Nobelpreises überlagert die Zuerkennung einer anderen Würdigung, nämlich jene des „Schillpreises des Deutschen Volkes“, der vom „Kulturwerk“, vergeben worden ist. Lorenz nimmt den Preis an, kann ihn krankheitshalber nicht übernehmen. An seiner Statt fahren Sohn Thomas und sein Schüler Irenäus Eibl-Eiblfeldt zur Überreichung und stehen auf der Bühne Flammenschalen und gekreuzten germanischen Schwertern gegenüber. Als Journalisten Konrad Lorenz darüber informieren, dass das „Kulturwerk“ vom Bundesverfassungsgericht als rechtsradikal eingestuft wird, überweist Lorenz das Preisgeld in der Höhe DM 10.000 an Amnesty International. Das Preisgeld hat er übrigens nicht erhalten, so dass er die Summe aus eigener Tasche bezahlt hat.

Selbstverständlich kommt in dieser sehr ausführliche Biografie, die mit zahlreichen Zitaten aus Lorenz‘ Schriften und Briefen sowie zahlreichen Abbildungen gespickt ist, auch sein Engagement für den Umweltschutz zu Sprache. Seine Stellungnahme zur Kernkraft führt dazu, dass das fertig gestellte Kernkraftwerk im niederösterreichischen Ort Zwentendorf nach einer Volksabstimmung 1978 nie in Betrieb geht. Ab 1985 ist er Namensgeber des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens gegen den Bau eines Wasserkraftwerks im Landschaftsschutzgebiet der Hainburger Au.

Ob sein Engagement zum Umweltschutz und die Verhinderung der beiden Kraftwerke seine Geisteshaltung „krankes Erbmaterial müsse zur Erhaltung einer lebenstüchtigen Zivilisation ausgesondert werden“ aufwiegt?

Das Autoren-Duo hat auch den Ehemann und Vater Konrad Lorenz beleuchtet. Mit seiner Frau Margarethe, einer Ärztin, die die Familie in jener Zeit als Lorenz keiner bezahlten Beschäftigung nachgegangen ist, erhalten hat, ist er von 1927 bis zu ihrem Tod 1986 verheiratet. Das Paar hat drei Kinder.

Fazit:

Diese sehr ausführliche und überarbeitete Biografie habe ich sehr gerne gelesen. Sie hat mich darin bestärkt, die Abneigung, die ich seit meine Jugend Konrad Lorenz gegenüber hege, nicht aufzugeben. Gerne vergebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 10.07.2024

EIne Leseempfehlung!

Das neue China
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Der Sinologe Helwig Schmidt-Glintzer hat sein kleines, aber feines Standardwerk über "Das neue China" von 2020 völlig neu bearbeitet. Der Autor stellt die Geschichte Chinas seit dem Untergang des Kaiserreichs ...

Der Sinologe Helwig Schmidt-Glintzer hat sein kleines, aber feines Standardwerk über "Das neue China" von 2020 völlig neu bearbeitet. Der Autor stellt die Geschichte Chinas seit dem Untergang des Kaiserreichs ab 1839 (meist) chronologisch dar und geht dabei vor allem auf die politische Situation des Landes ein.

Das Buch ist in sechs Epochen gegliedert:

Das Ende des Kaiserreiches (1839 - 1911)
Die Suche nach einem Neuanfang (1912 - 1927)
Revolutionsmodelle im Widerstreit (1927 - 1937) und antijapanische Einheitsfront (1934 - 1945)
Jahre des Übergangs und das Ende des sowjetischen Vorbilds (1945 - 1960)
Chinas wechselnde Identitäten und die fünfte Modernisierung (ab 1960 ..)
Chinas Aufbruch ins 21. Jahrhundert

Der Autor gibt mit diesem spannenden und kenntnisreichen Buch, einen qualifizierten Überblick über die Geschichte Chinas bis heute.

„Unsere Nation hat eine äußerst lange Geschichte hinter sich, und der Staub der Vergangenheit lastet schwer auf uns. Was wir der Welt beweisen müssen ist nicht, dass das alte China nicht tot ist, sondern das das neue China im Entstehen ist.“ (Li Dazhao 1888-1927).

Wenn sich heute chinesisches Kapital in zahlreiche westliche (bzw. afrikanische) Länder fließt, so könnte dies durchaus als Retourkutsche an die Europäer gesehen werden. Die haben China Ende des 19. Jahrhunderts von europäischen Krediten zum Bau von Infrastrukturprojekten wie Eisenbahn und Hafenanlagen abhängig gemacht. Als Sicherstellung ließen sich die Europäer ein Ausbeutungsmonopole für Rohstoffe einräumen lassen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Überblick über die chinesische Geschichte ab 1839 eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Veröffentlicht am 10.07.2024

Ein entzückendes Kinderbuch

OTTO fährt los – Ein Sommer in Schweden
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Otto auf großer Fahrt - Hej, Sverige!

Otto ist ein Campingbus, aber kein gewöhnlicher, sondern einer der ein paar menschliche Eigenschaften hat hat. Wenn er sich freut, klimpert er mit seinen Augen, pardon, ...

Otto auf großer Fahrt - Hej, Sverige!

Otto ist ein Campingbus, aber kein gewöhnlicher, sondern einer der ein paar menschliche Eigenschaften hat hat. Wenn er sich freut, klimpert er mit seinen Augen, pardon, Scheinwerfern. Er versteht die Menschen, die mit ihm auf Reisen gehen. Diesmal geht es mit seiner Reisefamilie, das sind die Geschwister Juli und Gusti, deren Eltern sowie Hund Anni, nach Schweden. Noch in der Nacht geht es los!

Otto rollt auf den Straßen gegen Norden, fährt in den Bauch einer Fähre ein und freut sich wieder Tageslicht zu sehen. Apropos Tageslicht: Das Highlight des Urlaubs ist das Fest zum Midsommer. In dieser Nacht ist es taghell. Otto und seine Reisefamilie parkt mitten in der Natur, was in Deutschland oder Österreich verboten ist.

Meine Meinung:

Ein gelungenes Kinderbuch zum Thema Campingurlaub. Diese Schweden-Reise ist die erste, die wir mit Otto erleben dürfen.
Die Reise durch Schweden wird richtig gut dargestellt. Dazu gibt es eine Landkarte, die die wichtigsten Stationen beinhaltet. Das Buch gibt einen tollen Überblick über das Land und macht richtig Lust auf einen Urlaub.

Der Schreibstil ist kindgerecht und das Buch liest sich flott und kurzweilig. Die schönen bunten Bilder passen sehr gut und machen richtig Spaß.

Man merkt Madlen Ottenschläger und Stefanie Reich an, dass Otto quasi ein Familienmitglied ist. Meine Freundin hat einen orangen Bulli, der Basti heißt.

Fazit:

Für dieses gelungene Kinderbuch gibt es eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Veröffentlicht am 07.07.2024

Eine klare Leseempfehlung!

Was Populisten wollen
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Die Wahl zum Europäischen Parlament 2024 hat gezeigt, dass rechte Populisten auf dem Vormarsch sind. Neben Giorgia Meloni in Italien, Herbert Kickl (FPÖ) in Österreich, Marine Le Pen (Rassemblement National), ...

Die Wahl zum Europäischen Parlament 2024 hat gezeigt, dass rechte Populisten auf dem Vormarsch sind. Neben Giorgia Meloni in Italien, Herbert Kickl (FPÖ) in Österreich, Marine Le Pen (Rassemblement National), Viktor Orbán (Fidesz) in Ungarn und die AfD in Deutschland: Der Aufstieg des Populismus scheint unaufhaltsam und die bisherigen Gegenstrategien gescheitert. Doch nicht nur Europa ist davon betroffen. Auch die USA mit Donald Trump und Argentinien mit Javier Milei lehren die Welt das Fürchten.

In sechs großen Kapitel, die noch weiter unterteilt sind, beschreibt die Methoden der Populisten, analysiert ihre Strategie und zeigt erfolgreiche Gegenstrategien.

Was Populisten unter Demokratie verstehen: Wahre Demokraten
Wen Populisten für das Volk halten: Identitäten und Scheinkonsens
Wie Populisten sich inszenieren: Widerstand
Wie Populisten das System verändern: Wir Alleinherrscher
Wer Populisten wählt: Wir hier unten
Was wir gegen Populisten tun können: die Stunde der Pluralisten


Anhand zahlreicher Beispiele, die uns verdeutlichen, welche Methoden die Populisten anwenden, um ihre potentiellen Wähler hinters Licht zu führen. Teilweise sind die Strategien aus dem Lehrbuch der Propaganda entnommen. Wie bei der Propaganda gilt auch für den Populismus: Erkenne die Methoden und Mechanismen, dann kannst du sie entlarven und ihnen etwas entgegen setzen.

Ein plakatives Beispiel ist Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Einst hat er von genau jenem Establishment und jenem Mann profitiert, das und den er jetzt mit einem Hass verfolgt, der schon an Paranoia grenzt: George Soros.

Als Österreicherin beschäftige ich mich schon lange mit den Themen Propaganda und Populismus. Als nach den Wahlen zum Nationalrat von 1999 die erste schwarz-blaue Regierung unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gebildet wurde, war der empörte Aufschrei in ganz Europa laut und deutlich zu hören. Österreich wurde seitens EU mit Sanktionen belegt.

Und heute, 2024? Rechte Regierungen erfreuen sich beim Volk (?) größter Beliebtheit. Der Aufschrei der Medien ist verstummt, weil sie zum Teil von Inseraten der Regierungen abhängig sind oder die staatlichen Rundfunkanstalten überhaupt gleich abgeschafft und durch willfährige Helfer ersetzt werden/worden sind. Kommt einem das bekannt vor? Damals hieß das „Gleichschalten der Medien“.

Die Rechtspopulisten versprechen das sprichwörtliche Blaue vom Himmel. Doch wenn sie dann an der Macht sind, entwickeln sie genau jene Attitüden, gegen die sie zuvor gekämpft haben: Da werden Ministerien und staatsnahe Firmen mit Günstlingen, Vertrauten und Parteigängern besetzt. Bei uns in Österreich heißt das lautmalerisch „umfärben“. Kollateralschäden wie die Zerschlagung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BVT) waren gewollt oder billigend in Kauf genommen.

Auch mit der „Politik für den kleinen Mann“ (Wo bleiben eigentlich die Frauen, die in Österreich die Mehrheit sind?) ist es schlagartig vorbei, wenn Populisten an die Macht kommen. So werden Sozialleistungen gekürzt, obwohl zunächst mehr Wohlstand für alle versprochen wurde. Wobei „alle“ wohl im Sinne der eigenen Parteigänger verstanden werden muss.

Wie sieht das Wahlprogramm einer populistischen Partei aus? Die meisten Wahlvorschläge enthalten „gegen etwas zu sein“. Konkrete Alternativen werden nur selten aufgezeigt.

Ob die im letzten Kapitel aufgezeigt Gegenstrategien Erfolg haben werden? Ich befürchte Schlimmes. Österreich wählt am 29. September 2024 zum 28. Mal seine Abgeordneten zum Nationalrat.

Rechtspopulismus ist leider salonfähig geworden.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser glasklaren Analyse, wie es zum Erstarken und zur Akzeptanz der Populisten gekommen ist, und welche Gegenmaßnahmen dringen erforderlich sind, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.