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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.07.2024

Hätte nach dem grandiosen Start fast abgebrochen

Wolke Sieben ganz nah
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Kirsty Greenwood zeigt in dieser humorvollen RomCom, wie wirksam ein drastischer Schups aus der Komfortzone sein kann. Delphie stirbt einsam in ihrer Wohnung und landet als Jungfrau ohne Führerschein in ...

Kirsty Greenwood zeigt in dieser humorvollen RomCom, wie wirksam ein drastischer Schups aus der Komfortzone sein kann. Delphie stirbt einsam in ihrer Wohnung und landet als Jungfrau ohne Führerschein in einer Übergangsphase zwischen Leben und Tod bei der Jenseits-Therapeutin Merritt. Durch eine Verwaltungspanne lernt sie ihren Seelenverwandten Jonah kennen und bekommt durch ein Ultimatum die Chance, sich zu verlieben. Die ersten Kapitel haben mich total begeistert. Merritt ist göttlich und die Story war originell, witzig und spannend. Dann wird die Lesereise allerdings sehr vorhersehbar, ein bisschen kitschig und es werden alle Klischees und beliebten Tropes aufgefahren, puh. Da hätte mich der Roman fast verloren. Allerdings spielt Kirsty Greenwood charmant und selbstironisch damit, und schaffte es, dass ich dranbleiben wollte. Letztlich gab es einiges, was mir gefallen hat. Ob Mrs Ernestines auserlesender Seriengeschmack, die anfängliche Playlist meiner Lieblingsstelle, oder Delphies tolle Entwicklung und ihre wunderbaren Freunde. Die Charaktere sind herrlich überspitzt und amüsant. Zum Ende hin gibt es eine Wendung, die konnte mich dann wirklich überraschen. Insgesamt hat mir das Buch so viel Spaß gemacht, dass ich über die anfänglich erwähnten Schwächen gut hinwegsehen kann. Fans von RomComs werden auf ihre Kosten kommen und eine Leserunde mit dem Buch, wäre bestimmt auch spaßig.

Veröffentlicht am 12.07.2024

Ein ironisches Anerkennen des gesellschaftlichen Scheiterns

Geile Zeit
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Die Autobiographie «Geile Zeit» von Niclas Seydack ist für Millennials eine Zeitreise voller Nostalgie. Aber auch die Gen Z wird sich, vor allem in der zweiten Hälfte des Buches, wiederfinden. Niclas Seydack ...

Die Autobiographie «Geile Zeit» von Niclas Seydack ist für Millennials eine Zeitreise voller Nostalgie. Aber auch die Gen Z wird sich, vor allem in der zweiten Hälfte des Buches, wiederfinden. Niclas Seydack erzählt von seiner Kindheit in den Neunzigern, mit Schnürren vom Dorfbäcker, Pokémon, Ronald McDonald und Pisspottschnitt; von seiner Jugend mit dem verhassten Teuro, zwei Ikonen der Nullerjahre und LAN-Partys, bis in die Gegenwart. Dabei geht es nicht nur um seine persönlichen Erinnerungsmomente, sondern überwiegend um gesellschaftliche Ereignissen in Kultur, Politik und Weltgeschichte, die eine ganze Generation (einschlägig) geprägt haben.

Niclas Seydack fasst das deprimierte Lebensgefühl der Millennials humorvoll zusammen und spricht für eine ganze Generation, der die Leichtigkeit abhandengekommen ist: „Eigentlich müsste es uns viel wütender machen…“ Denn es „gärte und brodelte und schimmelte. In Deutschland. Auf der ganzen Welt.“ Sehr schön fand ich die Kapitelüberschriften denkwürdiger Sprüche ihrer Zeit, die wir alle kennen. Ich habe einige Textstelle markiert, aber mein Lieblingssatz ist folgender: „Meine Altersvorsorge bestand in der Hoffnung, dass eines Tages die aktive Sterbehilfe legalisiert werden würde.“ Ich habe geschmunzelt, sogar gelacht, fühlte mich verstanden und manchmal war mir zum Heulen zumute. Ja, es kann überfordert, denn „während die Millennials erwachsen werden, ist die Welt mehrmals eine andere geworden.“ Wenn ich auch nicht alles so unterschrieben würde, gibt es viele Überschneidungen und Momente der Wiedererkennung. Für mich ist es eine wichtige Autobiographie, die eine Stellt-euch-nicht-so-an-Genration ins Licht rückt, die bittersüß geschrieben ist und wehmütig macht. Es ist aber vor allem eine subjektive Bestandsaufnahme ohne Perspektiven, die von geilen Zeiten, Krisen, Weltschmerz und Depression erzählt, wobei immer wieder die Gefühlslage des Autors durchschimmert und zunehmend eine bedrückende Stimmung entsteht. Insgesamt eine unterhaltsame Zusammenfassung der letzten drei Jahrzehnte; schöner Art und harter Realität, die auch viel über die Gegenwart und Generationsunterschiede verrät.

Veröffentlicht am 12.06.2024

Nostalgische Romanze im Krankenhaus

Yours Truly
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Briana hat den Glauben an die Liebe verloren, nachdem ihr Mann sie betrogen hat und die Scheidung kurz bevorsteht. Zudem braucht ihr kleiner Bruder eine Organspende und die Sorgen zerren an ihrer Kraft. ...

Briana hat den Glauben an die Liebe verloren, nachdem ihr Mann sie betrogen hat und die Scheidung kurz bevorsteht. Zudem braucht ihr kleiner Bruder eine Organspende und die Sorgen zerren an ihrer Kraft. Als dann der neue Kollege Jacob auch noch die Beförderung zum Oberarzt einstreichen soll, ist sie so verärgert, dass sie es Jacob spüren lässt, was gar nicht zu ihr passt. Als sie ihm ein Stück entgegenkommt, bedankt sich Jacob auf seine Art und schreibt ihr einen Brief, der einige Missverständnisse aus dem Weg räumt. Daraus entwickelt sich eine Freundschaft, die für beide ein Lichtblick darstellt.

Briana ist unkompliziert, sympathisch, verständnisvoll und lebt für ihren Job als Ärztin. Jacob hingegen ist introvertiert, schüchtern, großmütig und sammelt Pflanzen. Er leidet an einer sozialen Phobie und hat ebenfalls gerade eine schmerzhafte Trennung erlebt. Die beiden Protagonisten sind glücklicherweise überhaupt nicht stereotyp und haben einiges an Gewicht zu tragen, was zu einem Hin und Her führt, trotzdem ist die Geschichte überwiegend humorvoll und man fühlt sich mit den Figuren wohl. Ihr Verhalten wird nachvollziehbar geschildert und besonders in Jacob konnte ich mich oft wiederfinden.

"Yours Truly“ ist eine romantische Geschichte, mit einigen nostalgischen Referenzen, die ich sehr mochte. Die Ideen sind nicht neu, aber die Umsetzung ist so charmant, herzerwärmend und sympathisch, dass ich mich daran überhaupt nicht gestört habe. Besonders die erste Hälfte hat meinen Geschmack getroffen und mich beim Lesen zum Lächeln gebracht. Auch das Ende war schön, aber dazwischen wurden meine Nerven mit konstruierten Zufällen, fehlender Kommunikation und falschen Annahmen strapaziert. Es geht einfach nicht ohne Drama. Diese künstliche Spannung hätte es nicht gebraucht, allerdings waren auch hier die Ängste und Zweifel schlüssig und glaubhaft. Letztlich fand ich dieses Buch aber trotzdem schön und werde Briana und Jacob nicht so schnell vergessen, dabei mag ich gar keine Krankenhausserien.

Veröffentlicht am 12.06.2024

Ungewöhnlich, bedrückend, unvorhersehbar

Das andere Tal
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«Das andere Tal» ist das Debüt von Scott Alexander Howard und erzählt die Geschichte von Odile Ozanne, in der es um Schicksal und Zeitreisen geht.
Als Sechszehnjährige blickt sie auf eine lieblose Kindheit ...

«Das andere Tal» ist das Debüt von Scott Alexander Howard und erzählt die Geschichte von Odile Ozanne, in der es um Schicksal und Zeitreisen geht.
Als Sechszehnjährige blickt sie auf eine lieblose Kindheit ohne Vater zurück. Ihre Mutter erwartet, dass sie sich, nach ihrem Abschluss, zur Conseillère ausbilden lässt. Dafür beweist sie mit ihrer gnadenlosen Regelkonformität Hingabe, weshalb sie in die engere Auswahl rückt. Der schüchterne Edme Pira gerät in Odiles Aufmerksamkeit, als er sie vor einem Mobbingangriff rettet, und sie ist wie gelähmt, als sie verbotenerweise, durch eine zufällige Begegnung mit seinen zeitreisenden Eltern, erfährt, dass ihm etwas zustoßen wird.

Erzählt wird zwar in der Ich-Perspektive, aber Odile bleibt in ihrem inneren Erleben distanziert, während äußere Eindrücke lebendig beschrieben werden. Im zweiten Teil des Buches ist Odile sechsunddreißig Jahre alt und lebt in einer bedrückenden Wahrheit. Die Handlung ist unvorhersehbar, was auch an Odiles unberechenbarerem Charakter liegt. Generell ist der ganze Schreibstil wenig gefühlsduselig und orientiert sich authentisch an Odile. Ich kann mir eine Verfilmung des Stoffes vorstellen, da die Idee originell ist, weshalb ich gar nicht mehr verraten möchte. Mich hat lediglich gestört, dass es manchmal etwas langatmig war, ich mich deshalb zum Weiterlesen überwinden musste, und mir das Lesen erschwert wurde, weil keine Anführungszeichen die wörtliche Rede gekennzeichnet haben. Ansonsten war es ein ungewöhnliches Buch, dass mich überrascht hat. Fazit: Unbedingt durchhalten und bis zum Ende lesen.

Veröffentlicht am 12.06.2024

Muss ich mir Sorgen machen?

Das kleine Buch der großen Risiken
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«Das kleine Buch der Risiken» ist eine unterhaltsame Alphabet-Sammlung akuter Bedrohungen unserer Zeit von A wie Atombombe bis Z wie Zombies.

„Wollen wir uns jedoch wirklich auf die Vernunft der Menschen ...

«Das kleine Buch der Risiken» ist eine unterhaltsame Alphabet-Sammlung akuter Bedrohungen unserer Zeit von A wie Atombombe bis Z wie Zombies.

„Wollen wir uns jedoch wirklich auf die Vernunft der Menschen verlassen?“

Jakob Thomä gelingt ein gut recherchierter Spagat, denn die Kapitel basieren auf wissenschaftlichen Fakten, sind aber trotzdem verständlich und humorvoll geschrieben. Alle haben das Ziel der Aufklärung, um Panikmache zu vermeiden. Dabei helfen auch die abschließenden Worte bei jedem Kapitel, damit man nicht in Sorgen versinkt. Die Mischung aus realistischen existenziellen Risiken, die durchaus beängstigend sind und weniger Besorgnis erregenden Themen, fand ich gelungen. Es ist angenehm kurzweilig (pro Kapitel 10-20 Minuten Lesezeit) und kann auch quer gelesen werden, was allerdings zur Folge hat, dass einiges zu kurz kommt. Insgesamt eine kritische und unterhaltsame Zusammenfassung bedrohlicher Szenarien und ihrer Wahrscheinlichkeiten.

„Man darf vielleicht nicht jeder Studie glauben, die durch den deutschen Blätterwald gejagt wird.“