Literatur als Therapie
Die schönste VersionJella und Yannick, Yannick und Jella. Die große Liebe. Und sie kippt. Jella erfährt Gewalt durch Yannick und fragt sich, wie es weitergehen kann und wie es dazu kommen konnte.
Jella hat nie gelernt, auf ...
Jella und Yannick, Yannick und Jella. Die große Liebe. Und sie kippt. Jella erfährt Gewalt durch Yannick und fragt sich, wie es weitergehen kann und wie es dazu kommen konnte.
Jella hat nie gelernt, auf sich selbst zu achten. Sexualität erlebte sie aus männlicher Sicht, gebar sich als Objekt, um zu gefallen. Ihre Begegnungen mit Jungs und Männern blendeten ihre Bedürfnisse aus, weil sie selbst nie den Anspruch hatte, das Gegenüber könnte auch ihre Bedürfnisse im Blick haben. Erste sexuelle Begegnungen waren schmerzhaft, schienen eher einvernehmlich und beruhten doch nicht auf Gegenseitigkeit. Und Jella fand „Es war ein guter Schmerz.“ Körperlichkeit wurde zum Kalkül, stark sexualisiertes Auftreten und Wahrnehmen waren die Folge. Mit Yannick wurde Sex orgiastischer, extrem vulgär und die innere Verbindung zu diesem Kerl schien ungekannt. Jella benimmt sich hörig, macht sich klein um ihm zu gefallen und gibt sich ihm hin. Geilheit, Trieb, Befriedigung und Liebe landen in einem Topf. Ein neuer Sinn tut sich auf, der dem anderen die Muse zu sein. Daraus erschöpft sich ein Glücksgefühl, das die eigene Würde ausblendet und trotzdem von Verlustängsten geprägt ist. Jellas Bedürfnisse und Emotionen gibt es höchstens im Background und doch brechen sie sich ab und zu Bahn. Yannick straft sie mal mit Achtung und mal mit Nichtachtung, sendet Double Binds und antwortet auch mit körperlichen Übergriffen. Glück und Unglück, Schwarz und Weiß, Liebe und Angst wechseln dann so schnell, dass ein Außenstehender sofort die Toxizität erkennt. Und Yannick sagt „Du bringst die schlechteste Version meiner selbst aus mir hervor, Jella.“
Ich kann den Plot so gut nachvollziehen. Das Buch kann wie eine Therapie sein. Mit versiertem Blick gelingt es der Autorin, die Facetten der Entwicklung der Protagonistin zu Yannicks Jella darzustellen. Sie arbeitet mit zwei Zeitebenen aus Sicht von Jella, zum einen der Gegenwart nachdem Yannick sie gewürgt hat und zum anderen den Rückblicken in ihr Leben, die eine Empathie für die Genese des Problems ermöglichen. Die direkte und unverblümte Sprache der Autorin ist drastisch und mag verstörend wirken, sie ermöglicht jedoch auf diese Weise auch eine Annäherung an das verstörende Phänomen häuslicher Gewalt. Die schriftstellerischen Mittel verstärken die Aussage des Buches.
Insgesamt ist dieses Buch für mich eines, dessen Zeit längst gekommen war. Lesenswert.