Ehemaliger König auf Wanderschaft
Nach langem Warten erscheint wieder einmal ein Roman des österreichischen Schriftstellers Arno Geiger, dessen Werk im Allgemeinen als vielseitig angesehen werden kann. Mit "Reise nach Laredo" veröffentlicht ...
Nach langem Warten erscheint wieder einmal ein Roman des österreichischen Schriftstellers Arno Geiger, dessen Werk im Allgemeinen als vielseitig angesehen werden kann. Mit "Reise nach Laredo" veröffentlicht er jedoch seine bisher ungewöhnlichste Geschichte, die im 16. Jahrhundert spielt.
Die ersten knapp vierzig Seiten, eine Art längerer Prolog, erinnern beinahe an Bücher von Gabriel García Márquez, etwa "Der Herbst des Patriarchen" oder "Der General in seinem Labyrinth", in denen ein bejahrter Regent auf seine einstige Herrschaft zurückblickt. Geigers Protagonist Karl, ein ehemaliger Kaiser und König, hat sein Amt niedergelegt und sich in ein Kloster zurückgezogen. Alt und krank erwartet er nicht mehr viel vom Leben. Literarisch bildet dieser Einstieg in den Roman den stärksten Teil des Buches, sowohl sprachlich, als auch inhaltlich. Karl wird als ein altersschwacher Mensch dargestellt, der ohne seine einstige Macht nur noch ein Schatten seiner selbst ist, und mit seinem gebrechlichen Körper kämpft. Seit der Niederlegung der Krone unterscheidet ihn nichts mehr von anderen Männern seines Alters, mit dem Verlust der Macht sind auch seine angeborenen Privilegien entschwunden, und seine Mitmenschen verhalten sich ihm gegenüber nicht mehr mit der zeitlebens gewohnten Ehrerbietigkeit.
Eines Nachts entschließt sich Karl zur Flucht. Gemeinsam mit dem elfjährigen Jungen Geronimo begibt er sich auf eine Reise, dessen erklärtes Ziel die Stadt Laredo ist. Ähnlich wie in Stephen Kings "Der dunkle Turm" ist der eigentliche Zweck des Zielorts kaum definiert. Vielmehr geht es um die Reise an sich, und um die Abenteuer, die Karl und Geronimo währenddessen erleben. Begleitet werden sie schon recht bald von dem Wegführer Honza, sowie dessen Schwester.
Mit dem Antritt der Reise verlässt der Roman nicht nur das Kloster, sondern weitestgehend auch ein sattelfestes literarisches Gebiet. Magische Reisebeschreibungen sind vor allem in der Fantasyliteratur zu finden oder Bestandteil locker fröhlicher Roadmovies- bzw- bücher, beides Genres, die mir persönlich nicht im mindesten zusagen. Auch Arno Geiger bedient sich üblicher Komponenten dieser Genre, thematisch geht es um Freundschaft, Zusammenhalt, der Suche nach Glück, aber auch Tod und Verlust.
Wie bei nahezu allen Romanen Geigers bleibt am Ende der Lektüre die Frage offen, was der Autor dem Leser mitzuteilen versucht. Der Text ist flüssig zu lesen, phasenweise unterhaltsam, und das Zweigespann aus Karl und Geronimo kann verzaubern. Darüber hinaus ist jedoch nur wenig Mehrwert zu erkennen, vor allem in literarischer, wenn gar intellektueller Hinsicht. Als Kunstwerk ist die Geschichte durchaus vielversprechend angelegt, die Handlungswelt wirkt magisch aufgeladen, das Lesen bereitet Freude, und die einzelnen Stationen der Reise werden bildreich beschrieben; nur wirkt die Handlung dabei vor allem im Mittelteil äußerst inhaltsleer und belanglos. Das Niveau der ersten Seiten kann nicht gehalten werden und entwickelt sich zu einem Abenteuerroman für ein breites Publikum.
Weiterhin ist "Unter der Drachenwand" Arno Geigers stärkster Roman. Wie die restlichen Bücher seines Werks ist "Reise nach Laredo" zwar durchaus lesbar und vergnüglich, aber als Beitrag zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur vernachlässigbar.