Heideidylle der Unschuld beraubt
Von Norden rollt ein DonnerJannes führt die Familientradition weiter und ist Jungschäfer geworden. Seine Schnucken prägen und formen das Landschaftsbild der Lüneburger Heide. Aber die Idylle bekommt einen jähen Riss, als die Rückkehr ...
Jannes führt die Familientradition weiter und ist Jungschäfer geworden. Seine Schnucken prägen und formen das Landschaftsbild der Lüneburger Heide. Aber die Idylle bekommt einen jähen Riss, als die Rückkehr des Wolfes im Heideland vermeldet wird. Schnell schließen sich die Reihen zu einer Art Bürgerwehr gegen den natürlichen Feind der Schafe, doch es sind Wölfe im Schafspelz unter ihnen, die die Stimmung mit ihrem braunen Gedankengut vergiften...
Markus Thielemann erzählt in leisen, aber sehr eindringlichen Worten von Familientraditionen, Heimatverbundenheit und Heideidylle und die Leserinnen fühlen sich wie in einer Art Heimatfilm. Es ist nämlich in keinerlei Art und Weise erkennbar, was hinter dem vermeintlichen Idyll schwelt und wie weit zurück in die Vergangenheit Jannes blicken muss, um die Zusammenhänge von heute zu verstehen.
Heimatverbundenheit, Traditionen und Brauchtumspflege wecken auf der eine Seite positive Assoziationen und lassen die Heide wie in den Versen des Heidedichters Löns romantisch und angenehm erscheine. Doch wer genau hinsieht, entdeckt hinter dieser Leibe zur Region einen klugen Schachzug der Ewiggestrigen, die auf Beutezug gehen. Das Bild des Wolfes, der die Schafes reißt, steht hier sinnbildlich für die Machenschaften, die nicht immer auf den ersten Blick zu durchschauen sind - es sind eben Wölfe im Schafspelz, die sich unter die ahnungslosen Dorfbewohner:innen mischen.
Geheimnisse der Großelterngeneration, das damit verbundene Schweigen, die Zusammenhänge kriegsbedingter Ereignisse und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Kriegsenkel werden vom Autor in eine fast schon poetisch-mystische Geschichte verpackt. Daraus entsteht ein Roman, den man nur sehr schwer wieder zur Seite legen kann. Die Figuren sind allesamt überzeugend und nehmen die Lesenden an die Hand, um ihnen ein Begleiten auf Augenhöhe zu ermöglichen. Einfühlsame Szenen wechseln sich mit schwerwiegenden Ereignissen ab und bedienen so die ganze Klaviatur der Gefühle.
Ein sehr tiefsinniges und gedankenreiches Buch, das an Aktualität nichts verloren hat.