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Veröffentlicht am 14.07.2024

Unterhaltsames Porträt der Queen of Crime

Agatha Christie
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MEINE MEINUNG
In ihrer neuen unterhaltsamen Romanbiografie „Agatha Christie - In der Liebe sucht sie nach Hoffnung, mit ihren Krimis erobert sie die Welt“ widmet sich die deutsche Autorin Susanne Lieder ...

MEINE MEINUNG
In ihrer neuen unterhaltsamen Romanbiografie „Agatha Christie - In der Liebe sucht sie nach Hoffnung, mit ihren Krimis erobert sie die Welt“ widmet sich die deutsche Autorin Susanne Lieder dem Leben und Schaffen der weltberühmten englischen Krimiautorin. Hierin zeichnet sie ein vielschichtiges und glaubhaftes Porträt der erfolgreichen "Queen of Crime" und gewährt uns faszinierende Einblicke nicht nur in die frühen Etappen ihrer schriftstellerischen Karriere sondern auch in ihr bewegtes Privatleben.
„Agatha Christie“ fügt sich somit in die lose, im Aufbau Verlag erscheinende Romanreihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe" ein, die sich speziell an alle Fans von bekannten historischen Frauenfiguren richtet.
Basierend auf vielfältigem Quellenmaterial hat die Autorin viele aufschlussreiche Informationen zum spannenden Lebensweg dieser bemerkenswerten Frau zusammengetragen. Geschickt hat Lieder viele biografische Fakten mit fiktionalen Elementen und literarischen Ausschmückungen zu einer unterhaltsamen Handlung verwoben und ein lebendiges Bild von Agatha Christies Persönlichkeit und der damaligen Epoche gezeichnet. Wie die Autorin in ihrem ergänzenden und sehr lesenswerten Nachwort anmerkt, hat sie allerdings bedauerlicher Weise gleich zwei bedeutsame und hinlänglich bekannte Episoden aus Christies Biografie nicht in ihren Roman eingearbeitet.
Dank des mitreißenden und abwechslungsreichen Schreibstils der Autorin lässt sich die Romanbiografie sehr angenehmen lesen.
Sehr eindrucksvoll und kenntnisreich portraitiert die Autorin die verschiedenen Lebensphasen in den Jahren von 1908 bis 1928 und lässt uns Anteil nehmen an Christies schriftstellerischer Entwicklung von ihrer jugendlichen Passion, den ersten ernsthaften Versuchen in der Literaturwelt Fuß zu fassen, den Misserfolgen bis hin zur erfolgreichen Krimiautorin.
Zu Beginn erhalten wir faszinierende Einblicke in ihre recht behütete Jugendzeit, ihre Internatszeit und ursprünglichen Ambitionen Pianistin zu werden, ihre Rolle als bemühte, aber enttäuschte Ehefrau und liebevolle Mutter sowie ihre Reisen in ferne Länder.
Mit viel Feingefühl lässt die Autorin uns auch an Christies Gedanken- und Gefühlswelt teilhaben wie ihrer Suche nach Liebe und Geborgenheit aber auch ihren inneren Konflikten und unterdrückten Emotionen. Gekonnt beleuchtet die Autorin Christies komplexe Persönlichkeit aus unterschiedlichen Blickwinkeln und zeigt uns auch ihre weniger bekannte Seiten auf.
Fesselnd ist es vor allem mitzuerleben, auf welche Weise persönliche Erfahrungen und gesellschaftliche Umstände Christies schriftstellerische Tätigkeit beeinflussten, als Inspiration dienten und ihr Werk geprägt haben. So widmet Lieder sich auch den faszinierenden Hintergründen der Entstehungsgeschichte von Christies berühmten Ermittlerfiguren Hercule Poirot und Miss Jane Marple, die als treue Begleiter in ihrem Leben lebendig wurden.
Susanne Lieder versteht es hervorragend, Christies Leben und Werk in den historischen Kontext einzubetten, in dem sie bedeutsame historische Ereignisse und auch die vielen alltäglichen Details aus jener Zeit lebendig einfängt. Authentisch und facettenreich zu vermittelt sie uns die damalige Zeit und Stimmung in der britischen Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts sowie die sich wandelnde Rolle der Frau, so dass man sich gut in Christies Lebensalltag hineinversetzen kann. Anschaulich beleuchtet sie die gesellschaftlichen Normen und Erwartungen der spätviktorianischen Ära, in der Christie groß wurde und ihr Lebensbild nachhaltig prägte. Einen harten Einschnitt in ihre eher privilegierte Kindheit und Jugend markierte der Tod ihres Vaters, der deutliche Auswirkungen auf den sozialen Status hatte und die Familie vor finanzielle Schwierigkeiten stellte. Zudem geht die Autorin in weiteren interessanten Episoden nicht nur auf Christies Erlebnisse während des Ersten Weltkriegs ein, als sie sich zur Krankenschwester ausbilden ließ und später als Apothekenhelferin in einem Kriegslazarett arbeitete, sondern gewährt uns auch Einblicke in die harte Kriegszeit und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Fesselnd sind die detailreichen Beschreibungen von Christies Reisen in die britischen Kolonien und Einblicke in die Kolonialzeit zu lesen, die sie nachhaltig inspiriert und vielfach in ihre Werke Eingang gefunden haben.
Allerdings hat mich das abrupte und vage Ende des Romans im Jahr 1928 etwas überrascht und enttäuscht, denn gerne hätte ich auch noch mehr über ihr späteres Leben und Wirken in den weiteren beinahe fünfzig Jahren erfahren.
Der Autorin ist insgesamt aber eine sehr überzeugende und nuancierte Darstellung von einem bedeutsamen Ausschnitt aus Christies Lebensweg gelungen, in dem wir viel über ihre beeindruckende Persönlichkeit erfahren konnten.
FAZIT
Eine unterhaltsame und kenntnisreich verfasste Romanbiografie über eine der einflussreichsten Krimiautorinnen des 20. Jahrhunderts Agatha Christie, die allerdings nicht ihr gesamtes Leben abgedeckt – mit interessanten Einblicken in ihre faszinierende Persönlichkeit, persönliche Entwicklung und die Entstehung ihrer berühmten Werke und Charaktere.
Nicht nur für Christie-Fans sehr lesenswert!

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Veröffentlicht am 07.07.2024

Berührender Roman

Der Wind kennt meinen Namen
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MEINE MEINUNG

In dem neuesten Roman „Der Wind kennt meinen Namen“ beleuchtet die chilenisch-US-amerikanische Erfolgsautorin Isabel Allende in einer bewegenden, kunstvoll verwobenen historischen Saga die ...

MEINE MEINUNG

In dem neuesten Roman „Der Wind kennt meinen Namen“ beleuchtet die chilenisch-US-amerikanische Erfolgsautorin Isabel Allende in einer bewegenden, kunstvoll verwobenen historischen Saga die vielfältigen menschlichen Schicksale, die durch Verfolgung, Gewalt, Vertreibung und den Verlust der elterlichen Geborgenheit verursacht wurden. Im Mittelpunkt ihres auf verschiedenen Zeitebenen angelegten Romans stehen die beklemmenden Lebenswege von jungen Menschen, die in ihrer Heimat zu verschiedenen Zeiten der Geschichte und auf unterschiedlichen Kontinenten Opfer politischer Willkür wurden. Traumatisiert und entwurzelt sind sie alle auf der Suche nach einem menschenwürdigen Leben in Geborgenheit und Sicherheit. Im ersten Handlungsstrang lernen wir im Wien von 1938 den 5-jährigen jüdischen Violinvirtuosen Samuel Adler und seine Familie kennen. Aufgrund der zunehmenden antisemitischen Repressionen der Nationalsozialisten und der Deportation seines Vaters wird er von seiner verzweifelten Mutter allein im Zuge eines Kindertransports nach England in die vermeintliche Sicherheit geschickt. Seine Eltern wird er niemals wiedersehen. Ein weiterer Handlungsstrang dreht sich um die junge Leticia, die 1981 das grausame Massaker von El Mozote in El Salvador durch Zufall mit ihrem Vater überlebt hat, bei dem die Armee während des Bürgerkriegs rund 900 Menschen ermordete. Gemeinsam mit ihm flüchtet sie in die den Vereinigten Staaten und versucht sich dort ein Leben aufzubauen. In einem weiteren Handlungsstrang lernen wir schließlich die kleine siebenjährige, sehbehinderte Anita kennen, die 2019 mit ihrer Mutter aus El Salvador vor einem gewaltsamen Mann flieht und in eine bessere Zukunft aufbricht. An der Grenze von den amerikanischen Behörden von ihrer Mutter getrennt muss Anita nun mutterseelenallein in einem Heim zurecht kommen – ein Schicksal, das sie mit zahlloser Migrantenfamilien teilt.

Sehr eindringlich schildert Allende die Ängste und vielfältigen schweren Traumata, welche die Kinder durch politische Unterdrückung, gewaltsame Trennung von ihren Bezugspersonen und dem Verlust ihrer Heimat durchleben und ihr weiteres Leben nachhaltig prägen. Ob nun durch die allgegenwärtigen Repressalien der Nationalsozialisten, rechtsgerichteten Todesschwadronen, Drogenkartelle oder sexuelle Belästigungen – sie alle flüchten in der Hoffnung auf ein sichereres Leben und nicht aus finanziellen Anreizen. Geschickt verknüpft Allende die persönlichen Erlebnisse ihrer Protagonisten mit den historischen und politischen Geschehnissen, und scheut sich auch nicht Fehlentwicklungen in der US-amerikanischen Außenpolitik anzuprangern.

Kunstvoll verwebt Allende die mitreißend erzählten, viele Jahrzehnte auseinander liegenden Handlungsstränge allmählich miteinander, lässt die verschiedenen Lebenswege ihrer Charaktere sich kreuzen und erzählt uns schließlich ihre gemeinsame, höchst bewegende Geschichte in der Gegenwart, die uns zum Ausklang des Romans durchaus hoffnungsvoll stimmt.

Allende ist es gut gelungen, die verschiedenen Protagonisten mit ihren facettenreichen Persönlichkeiten einzufangen und mit ihren psychischen Defiziten sowie ihrer Verzweiflung und Hoffnung auf ein besseres Leben glaubwürdig darzustellen. Nachhaltig in Erinnerung bleiben wird vor allem mit das erschütternde Schicksal der kleinen Anita bleiben, die sich in ihren Seelenqualen in eine Fantasiewelt flüchtet. Teilweise hätte ich mir bei einigen Charakteren allerdings etwas mehr Tiefgründigkeit gewünscht.

FAZIT
Ein bewegender und fesselnder Roman über die fatalen Auswirkungen politischer Unterdrückung auf die Schwächsten der Gesellschaft!
Nicht ihr bestes, aber ein bedeutsames und lesenswertes Werk der Autorin, das sehr nachdenklich stimmt!

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Veröffentlicht am 07.07.2024

Ein schicksalhafter Sommer

Der Sommer, in dem alles begann
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MEINE MEINUNG
In ihrem atmosphärischen und berührenden Roman „Der Sommer, in dem alles begann” erzählt die französische Autorin Claire Léost eine geheimnisvolle und bewegende Geschichte über Verluste, ...

MEINE MEINUNG
In ihrem atmosphärischen und berührenden Roman „Der Sommer, in dem alles begann” erzählt die französische Autorin Claire Léost eine geheimnisvolle und bewegende Geschichte über Verluste, dunkle Schatten der Vergangenheit und Neuanfang sowie die Suche nach Liebe, Freiheit und Heimat. Der Roman führt uns in ein kleines abgelegenes Dorf Bois d'En Haut im Herzen des herben Finistère, fernab der touristischen Regionen der Bretagne, wo die drei höchst unterschiedlichen Frauen- die exzentrische Französischlehrerin Marguerite aus Paris, die junge Schülerin Hélène und die verbitterte Witwe und Dorfladenbesitzerin Odette - auf schicksalhafte Weise aufeinandertreffen, die gesellschaftliche Ordnung im Dorf allmählich aus den Fugen gerät und die tragischen Geschehnisse schließlich ihren Lauf nehmen. Angesiedelt ist die Handlung auf drei verschiedenen Zeitebenen, die von den 1940ern über die frühen 1990er bis ins Jahr 2015 reichen.
Im Mittelpunkt der Haupthandlung steht die bewegende Coming-of-Age Geschichte der 16-jährigen Teenagerin Hélène, die sich nichts sehnlicher wünscht als ihrem vorgezeichneten Lebensweg als künftige Lehrerin und Yannicks Ehefrau in der Bretagne zu entgehen und in die spannende weite Welt zu entfliehen. Mit der Heimkehr der Protagonistin Hélène in ihre bretonische Heimat nach 20 Jahren ist der Autorin ein packender Einstieg gelungenen, denn gebannt fragt man sich nach den Gründen für ihr Verschwinden nach dem tragischen vom tragischen Tod ihres Vaters und von Marguerite in jenem Sommer.
Durch geschickte Zeitsprünge versteht es die Autorin, die von Beginn an schwelende subtile Spannung immer weiter anzuziehen, denn erst am Ende des Romans erfahren wir die erschütternden Hintergründe und die ganze Tragweite der damaligen Geschehnisse.
Geschickt verwebt die Autorin zudem Hélènes Geschichte der Gegenwart mit dem Handlungsstrang der Vergangenheit, in dem sie sehr eindrücklich über das traurige Schicksal und wichtige Details aus dem Leben der bretonischen Waise Odette im Paris von 1944 erzählt. Sehr überraschen konnte mich die Autorin zum Ende mit einer völlig unerwarteten und etwas konstruiert wirkenden Wendung.
Der sprachlich sehr ansprechende Erzählstil der Autorin ist prägnant und leider bisweilen eher distanziert. Léost gelingt es mit ihren atmosphärisch dichten Beschreibungen hervorragend, uns in den herben Charme der Bretagne eintauchen zu lassen und eine eindringliche, oftmals mystisch-unheilvolle Atmosphäre heraufzubeschwören. Auch das facettenreiche Bild des vermeintlich beschaulichen und friedlichen Dorflebens zwischen Traditionen, Klatsch, Sonntagsmesse, nationalistischen Strömungen und keltischer Folklore ist sehr authentisch und lebendig eingefangen.
Léost zeichnet facettenreiche und weitgehend glaubwürdige Charaktere, die von ihren starken Familiengeschichten und bretonischen Herkunft geprägt sind.
Die charakterliche Entwicklung von Hélène hat Léost sehr einfühlsam und behutsam ausgearbeitet, so dass ich ihre vielfältigen Gefühle und Beweggründe gut nachvollziehen konnte. Besonders die emotionalen Passagen um Hélènes Vater und die Auseinandersetzung mit seinem frühen Tod sorgten für äußerst berührende Momente. Bei den beiden anderen Frauenfiguren hätte ich mir jedoch etwas mehr Nuancen und Tiefgang gewünscht, um mich besser in sie hinein versetzen zu können. Ihre Handlungen blieben für mich leider oft im Dunkeln und wenig plausibel.
FAZIT
Ein fesselnder Roman über drei miteinander verwobene Frauenschicksale - mit interessanten Charakteren und schönem Bretagne-Flair!

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Veröffentlicht am 07.06.2024

Fesselnde Romanbiografie

Das verborgene Genie
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MEINE MEINUNG
Die amerikanische Autorin Marie Benedict bringt uns in ihrer interessanten Romanbiografie "Das verborgene Genie" die Lebensgeschichte der herausragenden, leider heutzutage nahezu unbekannten ...

MEINE MEINUNG
Die amerikanische Autorin Marie Benedict bringt uns in ihrer interessanten Romanbiografie "Das verborgene Genie" die Lebensgeschichte der herausragenden, leider heutzutage nahezu unbekannten britischen Naturwissenschaftlerin Rosalind Franklin, die mit ihren bahnbrechenden Forschungsarbeiten einen wesentlichen Beitrag zur Entdeckung der DNA-Doppelhelix-Struktur leistete – in wissenschaftlichen Kreisen jedoch keine Anerkennung für diese Leistung erhielt. Stattdessen sind die Namen von drei männlichen Forscherkollegen Watson, Crick und Wilkins im Zusammenhang mit der Strukturaufklärung unserer Erbsubstanz in die Annalen eingegangen. Im Jahr 1962 erhielten diese sogar den Nobelpreis für die Aufklärung der DNA-Struktur.
Mit ihrem Roman setzt Marie Benedict ihre faszinierende Reihe über bemerkenswerte starke und talentierte Frauen fort, die häufig in ihrer von Männern dominierten Arbeitswelt diskriminiert und weniger Anerkennung als ihre männlichen Kollegen erhielten. Im Mittelpunkt steht nun mit Rosalind Franklin eine weitgehend verkannte Wissenschaftlerin und insbesondere zu Unrecht in Vergessenheit geratene Pionierin der Genetik, über deren Persönlichkeit jedoch wenig Fundiertes und viel Widersprüchliches überliefert ist.
Geschickt zeichnet Benedict daher aus den wenigen bekannten Hintergrundinformationen zu Franklins Privatleben und Charakter ein beeindruckendes und durchaus plausibles Portrait, das allerdings mit vielen Annahmen und Spekulationen behaftet bleiben muss. Sehr lesenswert ist das interessante Nachwort der Autorin. Benedict versteht es hervorragend, die bewegende Lebensgeschichte und das außergewöhnliche Wirken der Wissenschaftlerin Rosalind Franklin in chronologisch angelegten Episoden sehr lebendig, authentisch und anschaulich zu schildern. Bereits in ihrer Jugend folgt sie aus einer angesehenen jüdischen Familie stammend ihren analytischen Begabungen und ihrer Leidenschaft für Naturwissenschaften. Eindrucksvoll und abwechslungsreich lässt uns die Autorin an Franklins wissenschaftlichen Werdegang teilhaben und gibt uns einen fesselnden Einblick in die damalige Welt der Grundlagenforschung. Ob nun ihre beschwerliche Studienzeit in Cambridge, ihre Zeit in Paris rund um die Röntgenkristallographie bis hin zu ihrer genialen Forschungsarbeit am Londoner King's College – Benedict gelingt es hervorragend nicht nur die komplexen Wissenschaftszusammenhänge verständlich und kompetent darzustellen, sondern auch Franklins Leidenschaft und Begeisterung hierfür nachvollziehbar zu machen. Hautnah erleben wir mit, welche vielfältigen Schwierigkeiten, Herabsetzungen und Intrigen ihr als Frau trotz aufopferungsvollem Arbeitseinsatz, enormer Entbehrungen und brillanter Ergebnisse in der gnadenlosen Wissenschaftswelt begegneten. Durch die gelungene facettenreiche Charakterzeichnung dieser talentierten, ehrgeizigen, eigensinnigen und passionierten Wissenschaftlerin werden auch ihre Stärken und Schwächen, ihre Höhen und herben Enttäuschungen für uns greifbar, auch wenn die Protagonistin als Ich-Erzählerin glaubhaft aber bisweilen etwas zu distanziert wirkt.
Es ist insbesondere sehr fesselnd, die Entwicklungen rund um die Entschlüsselung der DNA-Struktur mit zu verfolgen, bei denen ihre Analysen zentrale Rolle spielten und die Grundlage für das später nobelpreisgekrönte Doppelhelix-Modell von Watson und Crick darstellten. So fanden ihre spektakulären Forschungsergebnisse zur Strukturaufklärung kaum Anerkennung und wurden von ihrem Chef an weitere DNA-Forscher heimlich weitergegeben, die schließlich sämtliche Lorbeeren einheimsten ohne auf ihren bedeutenden Beitrag Bezug zu nehmen. Später widmete sie sich der Erforschung des Tabakmosaikvirus. Sehr bewegend ist auch ihre Krebserkrankung im Alter von nur 37 Jahren und ihr viel zu früher Tod an Eierstockkrebs, der möglicherweise mit der hohen Strahlenbelastung bei ihrer Forschung in Zusammenhang stand.
Mich hat diese Romanbiografie dazu angeregt, mehr über die faszinierende Forschungsarbeit dieser viel zu früh verstorbenen Wissenschaftlerin zu recherchieren!
FAZIT
Eine fesselnde und lesenswerte Romanbiografie und eine gelungene Hommage an eine Pionierin und zugleich an alle Frauen, deren besondere Leistungen im Wissenschaftsbetrieb viel zu wenig gewürdigt und viel zu oft in den Schatten gerückt werden!

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Veröffentlicht am 16.05.2024

Eindrucksvolles Debüt

Krummes Holz
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MEINE MEINUNG
Mit ihrem Debüt «Krummes Holz» ist der deutschen Autorin Julja Linhof ein tiefgründiger, emotional aufrüttelnder Roman gelungen, der mich mit seiner tragischen Familiengeschichte sehr fesseln ...

MEINE MEINUNG
Mit ihrem Debüt «Krummes Holz» ist der deutschen Autorin Julja Linhof ein tiefgründiger, emotional aufrüttelnder Roman gelungen, der mich mit seiner tragischen Familiengeschichte sehr fesseln und zum Nachdenken anregen konnte. Feinfühlig und sehr eindringlich erzählt die Autorin in ihrem Roman die beklemmenden Folgen von transgenerationaler Traumatisierung.
Im Mittelpunkt steht der 19-jährige Protagonist Georg, von allen Jirka genannt, der nach vielen Jahren erstmals zurück auf den herunter gewirtschafteten Gutshof seiner Familie kommt und sich dort nicht nur seiner feindseligen älteren Schwester Malene sondern auch unguten, sorgsam verdrängten Erinnerungen stellen muss.
Die Autorin versteht es mit ihren sehr bildhaften Beschreibungen hervorragend, eine unheilvolle, melancholische Atmosphäre heraufzubeschwören, so dass sich schon bald ein großes Unbehagen beim Lesen aufbaut. Allmählich erhalten wir in Rückblenden kurze Einblicke in Jirkas traumatische Kindheit und sein dysfunktionales familiäres Umfeld mit einem gewalttätigen Vater, seiner depressiven Mutter, die sich viel zu früh aus dem Leben verabschiedete, und einer meist lieblosen Großmutter. Seine eher lückenhaften Erinnerungen an vergangene Geschehnisse lassen unendliche Demütigungen, Ängste und Einsamkeit eines sensiblen Kindes erahnen. Geschickt lässt die Autorin in verstörenden Andeutungen vieles im Vagen und doch lässt sich in den angerissenen Flashbacks ein schreckliches Leben mit allgegenwärtigem Stillschweigen in einer Familie ohne Liebe und Zuneigung erkennen. Der fließende Wechsel zwischen den Zeitebenen, eingestreute Erinnerungsfetzen und implizierte Vorahnungen über ein düsteres Geschehnis erzeugen ein beklemmendes Gefühl und steigern die Spannung ungemein. Äußerst gelungen ist auch der anschauliche, bildgewaltige Schreibstil der Autorin mit vielen faszinierenden Schilderungen der sommerlichen Landschaft und des allgegenwärtigen Verfalls des alten Gutshofs sowie bisweilen recht ungewöhnlichen Sprachbildern, die perfekt die widersprüchliche und aufgewühlte Gefühlswelt des Protagonisten spiegeln.
Sehr greifbar fängt Linhof die hochemotionalen Schwingungen in all ihren Facetten ein, von denen Jirka bei seiner Heimkehr überwältigt wird – von Wut, Aggressionen, Verzweiflung, Einsamkeit, Unverständnis, Scham, Vorwürfen bis hin zum kindlichen Eskapismus reicht die komplexe Bandbreite. Aus den vielen sich langsam zusammenfügenden Leerstellen, über die Jirka allmählich Gewissheit erlangt, ergibt sich schließlich ein bedrückendes und nachdenklich stimmendes Gesamtbild von seiner Gefühlswelt.
Geschickt hat sie die komplizierte Dynamik zwischen den zwei Geschwistern und ihrer labilen Beziehung zueinander herausgearbeitet, die trotz herber Enttäuschungen und Verbitterung auf eine versöhnliche Annäherung hoffen lassen.
Hervorragend gelungen sind der Autorin ihre unterschiedlichen Charaktere, die sie sehr vielschichtig, einfühlsam und mit nuancierten Persönlichkeiten ausgearbeitet hat. Mit außerordentlich gutem Feingespür und großer Eindringlichkeit enthüllt sie menschliche Sehnsüchte und Abgründe, tiefe seelische Verletzungen sowie folgenschwere Fehlurteile.
FAZIT
Ein eindringlicher und fesselnder Roman über eine tragische Familiengeschichte und ein anspruchsvolles und intensives Leseerlebnis, auf das man sich erst einlassen muss!

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