Rundum gelungene Fortsetzung
MEINE MEINUNG
Nach seinem erfolgreichen Roman „Kalmann“ hat der in Island lebende Schweizer Autor Joachim B. Schmidt mit "Kalmann und der schlafende Berg" eine fesselnde und zugleich herzerwärmende Fortsetzung ...
MEINE MEINUNG
Nach seinem erfolgreichen Roman „Kalmann“ hat der in Island lebende Schweizer Autor Joachim B. Schmidt mit "Kalmann und der schlafende Berg" eine fesselnde und zugleich herzerwärmende Fortsetzung vorgelegt, die uns erneut in die faszinierende Welt seines einzigartigen Protagonisten und legendären Sheriff von Raufarhöfn Kalmann Óðinsson eintauchen lässt.
Wie schon beim Auftakt handelt es sich trotz einiger typischer Elemente aus Krimis und Thrillern wie einem Mord und allerlei packende Entwicklungen nicht um einen Kriminalroman im eigentlichen Sinne, sondern ein interessanter Genre-Mix, der mich mit faszinierenden Charakterstudien, der einfühlsamen Beleuchtung aktueller brisanter Themen sowie einem wundervollen Humor sehr begeistern konnte.
Gekonnt hat Schmidt vertraute Elemente aus dem ersten Roman mit einigen neuen Charakteren und Schauplätzen verwoben, wodurch wir einen tiefgründigen Blick auf Kalmanns Welt und seine persönlichen Beziehungen erhalten.
Neben Gesellschaftskritik macht der Autor in dieser tiefgründigen Geschichte vor allem auch auf aktuelle ökologische und politische Themen insbesondere die Problematik der skrupellosen Umweltverschmutzung aufmerksam.
Vor allem lebt der Roman aber von seinem wundervollen Protagonisten Kalmann, der als Ich-Erzähler im Mittelpunkt der Geschehnisse steht und eher unabsichtlich in abenteuerliche und fatale Verwicklungen hineingezogen wird.
Inspiriert wurde die Fortsetzung von Kalmanns Geschichte von realen zeitgeschichtlichen Ereignissen, insbesondere den Unruhen am Washingtoner Kapitol am 6. Januar 2021, wodurch wir uns in recht unerwartete Gefilde begeben. Aber auch dunkle Familiengeheimnisse lassen uns schließlich tief in die Ära des Kalten Kriegs und geheimdienstlichen Machenschaften im Hintergrund abtauchen.
Angesiedelt ist die Geschichte diesmal nicht nur in dem kleinen, schon etwas heruntergekommenen Fischerdorf Raufarhövn im Nordosten Islands, sondern führt uns weit über die bekannten Grenzen in die weite Welt hinaus. So konnte mich der überraschende Einstieg, bei dem wir Kalmann bei einem Verhör im FBI-Hauptquartier in Washington D.C. begegnen, auf Anhieb fesseln.
Mit der ungewöhnlichen Erzählstimme seines liebenswerten Ich-Erzählers, dem abwechslungsreichen Schreibstil und wundervoll poetischen Passagen wurde ich schnell in die Geschichte hineingezogen. Äußerst faszinierend und oftmals auch sehr amüsant ist es, die Welt mit all ihren komplexen Problemen aus Kalmanns einzigartiger Perspektive zu betrachten.
Mit dem 35-jährigen Außenseiter Kalmann hat Schmidt einen wundervollen, sehr vielschichtig angelegten Charakter geschaffen, der einem rasch ans Herz wächst. Es ist sehr erfrischend, die Geschehnisse ungefiltert aus der ungewöhnlichen Sicht dieses grundehrlichen, gutmütigen, eigenbrötlerischen und geistig etwas beeinträchtigen Manns zu erleben, der allerdings manchmal zu Blackouts und unkontrollierbaren Wutausbrüchen mit meist selbstverletzendem Verhalten neigt. Kalmann sorgt so manches Mal mit seinem unkonventionellen, verschrobenen Verhalten für sehr humorvolle Episoden. Zugleich konnte er mich mit seiner kindlichen Naivität, seinem Gespür für Ungerechtigkeiten, guter Beobachtungsgabe und vor allem einer beeindruckend scharfsinnigen Sicht auf das Leben beeindrucken. Ein besonderes Augenmerk legt der Autor auf Kalmanns Beziehung zu seiner Mutter und arbeitet sehr anschaulich ihre Entbehrungen, den aufopferungsvollen Einsatz bei der Erziehung und ihre grenzenlose Liebe für ihren Sohn heraus. Mit viel Feingefühl behandelt Schmidt auch Kalmanns Verarbeitung von Einsamkeit, Verlust und Trauer und der Suche nach einer Vaterfigur in seinem Leben. Sehr authentisch beschreibt er die Auseinandersetzung mit seiner Gefühlswelt und den emotionalen Reifeprozess seines Protagonisten im Laufe der Handlung.
Das faszinierende Setting mit der einzigartigen, kargen isländischen Landschaft, dem unwirtlichen Wetter sowie die verschrobenen Bewohner von Raufarhöfn wird von Joachim B. Schmidt sehr stimmungsvoll und authentisch eingefangen und bildet eine faszinierende, atmosphärisch dichte Kulisse für diesen Roman.
Der Autor versteht es hervorragend, den Spannungsbogen in der anfangs recht ruhigen Geschichte immer mehr anzuziehen. Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und die fesselnde Handlung gipfelt in einem sehr packenden, actionreichen Showdown, bei dem Kalmann erneut zum Helden von Raufarhövn wird.
Ich bin sehr gespannt, ob Kalmanns Geschichte fortgeführt wird und würde mich sehr über einen dritten Kalmann-Band freuen.
FAZIT
Ein tiefgründiger Roman mit einer fesselnden Geschichte und einem wundervollen Protagonisten! Sehr lesenswert!