Ein Herzensbuch
Evan muss für eine Woche weg, raus aus der gemeinsamen Wohnung. Nicht weil er es so will, er entscheidet selten etwas. Lorna, die Mutter seiner Kinder erträgt ihn nicht mehr. Er sieht es ihr an, in den ...
Evan muss für eine Woche weg, raus aus der gemeinsamen Wohnung. Nicht weil er es so will, er entscheidet selten etwas. Lorna, die Mutter seiner Kinder erträgt ihn nicht mehr. Er sieht es ihr an, in den seltenen Momenten, in denen er seine Stimme an sie richtet, so wie jetzt: „Du willst, dass ich gehe? Für wie lange? Wohin?“
Lorna kneift die Augen zusammen, sieht ihn nicht an, ihre Backenzähne mahlen. Sie atmet hörbar aus. Es ist ihr egal, sie braucht einfach eine Auszeit, trägt Evan nicht mehr mit, der sich schwerste Vorwürfe macht, weil seine kleine Tochter an seiner schlafenden Schulter erstickt ist.
Er fährt an die Küste, für eine Woche denkt er. Mietet sich in Grace Cottage ein, eine derbe, ältere, großgewachsene Frau mit eigenwilligem Kleidungsstil, die meistens in Begleitung eines räudigen Köters ist.
Die ersten Tage schläft Evan nur, liegt auf der Couch in dem düsteren kleinen Steinhaus, das nach Erde riecht und hört der Flut zu. Zuerst antwortet Lorna nicht auf seine unzähligen Mails und als sie sich doch äußert, ist Evan so überfordert, dass er das alte Kajak von Grace nimmt und entmutigt und ahnungslos in die Dunkelheit fährt, einzig von Grace beobachtet.
Fazit: Diese Geschichte von Roisin Maguire ist genau nach meinem Geschmack. Der Erzählstil ist leicht, schnörkellos und direkt. Die Protagonistin so schön eigenwillig, wie ich selbst immer schon sein wollte. Sie ist raubeinig und schert sich nicht um Konventionen. Die Szenen sind wundervoll gezeichnet. Fast jeder Satz schafft Bilder und lässt mich eintauchen ins Meer, in Grace, Evan und in die schroffe Küstenlandschaft. Menschen und Umgebung gestaltet durch Jahrhunderte durchrüttelnde Gezeiten. Die Autorin hat mich das Meer schmecken und den Tang riechen lassen, mich vor Kälte mit den Zähnen klappern und das prickelnde Nass auf meiner Haut spüren lassen. Ich habe Liebe erlebt und tiefe Zuneigung empfunden. Eine durch und durch gelungene Aufführung, mit zartem Gespür für die Herausforderungen des Lebens, voller hoffnungsfroher Resilienz. Absolute Leseempfehlung.