Aufrüttelnde Pflichtlektüre einer lebensgefährlichen Flucht
Die Trilogie „Die Glücksfrauen“ beleuchtet das Schicksal der drei Freundinnen und Exilantinnen Luise, Maria und Anni während des zweiten Weltkriegs. Teil zwei widmet sich der bewegenden Geschichte von ...
Die Trilogie „Die Glücksfrauen“ beleuchtet das Schicksal der drei Freundinnen und Exilantinnen Luise, Maria und Anni während des zweiten Weltkriegs. Teil zwei widmet sich der bewegenden Geschichte von Maria, ihrem Mann Jakob und den gemeinsamen Kindern Noah und Tabea. Um 1939 werden die Zustände in Deutschland für Juden und Jüdinnen immer unerträglicher und die jüdischen Buchhändler müssen der Wahrheit, dass es für sie keine Zukunft mehr in ihrer Heimat gibt, schweren Herzens ins Auge sehen. Die Familie wagt nach langem Zögern die gefährliche Flucht bis nach Brasilien.
Die Geschichte wird über zwei Zeitebenen erzählt. Neben den packenden Erzählungen aus Marias Zeit führt ein weiterer Erzählstrang in die Gegenwart zu Sandra und June, den Enkelinnen von Maria und Luise. Um ihr Erbe antreten zu können, müssen die beiden Annis Nachfahren ausfindig machen und reisen dafür Marias beschwerliche und von Gefahren gezeichnete Fluchtroute quer durch Europa nach.
Vom ersten Wort an schafft es Anna Claire in ihrem historischen Roman, einen in den Bann von Marias Gesichte zu ziehen. Ihr unmittelbarer, berührender Schreibstil katapultiert die Leserin mitten in Marias Gedanken. Bei jeder Ungerechtigkeit und Grausamkeit, die Maria und ihren Lieben widerfährt, zerreißt es einem das Herz, als ob man diese am eigenen Leib erfahren würde.
Man fiebert auf jeder Seite mit Maria mit. Werden sie und ihre Familie die lebensgefährliche Flucht überleben? Werden sie endlich ankommen und sich ein neues Leben aufbauen können? Umso fassungsloser lassen einen die Gräuel zurück, die Maria auch noch über sich ergehen lassen muss, als sie Deutschland bereits verlassen hat – wie auch zahlreiche andere geflüchtete Juden und Jüdinnen.
Trotz der fesselnden Erzählung fällt es ob der bedrückenden, aufwühlenden Thematik oftmals schwer weiterzulesen. Man will sich nicht weiter ausmalen, wie viel Juden und Jüdinnen in dieser Zeit noch über sich ergehen lassen mussten, kann es nicht mehr ertragen. Da kommen die Passagen rund um Sandra und June für eine Verschnaufpause mehr als recht.
Dennoch kann der Erzählstrang aus der Gegenwart nicht mit jenem aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges mithalten. Stellenweise zu aufgesetzt und oberflächlich wirkt das Verhalten von Sandra und June sowie deren persönliche Entwicklung. Zu glatt verläuft etwa die Liebesgeschichte, die sich zwischen Sandra und einem Bestsellerautor entspinnt.
Fazit:
Und doch kann ein leicht schwächelnder Erzählstrang dem Roman in seiner Gesamtheit nichts anhaben. „Die Glücksfrauen – die Kraft der Bücher“ bietet ein berührendes, aufwühlendes Leseerlebnis, das man nicht missen will. Es fühlt sich an, als ob man die beschwerliche Reise gemeinsam mit den Protagonisten und Protagonistinnen angetreten wäre – und man will den Weg mit ihnen definitiv auch im dritten Band der Trilogie weitergehen. Schließlich sind noch einige Fragen zum Verbleib von Marias Familie offengeblieben.
Auch die Thematik könnte – leider – nicht aktueller sein. Wie konnte eine Gesellschaft solche Gräuel zulassen? Wie kann sie es heute zulassen, dass sich Antisemitismus und Rassismus einen Weg in die gesellschaftliche Mitte bahnen? Fragen wie diese schwirren einem nach der Lektüre der Glücksfrauen unaufhörlich im Kopf. Da will man das Buch zur Pflichtlektüre für jeden einzelnen Menschen auf dem Planeten erklären.