Gefühlvoller Roman vor stimmungsvoller Kulisse
"Mitternachtsschwimmer" von Roisin Maguire spielt im kleinen irischen Küstendorf Ballybrady. Hier lebt Grace alleine und zurückgezogen mit ihren Tieren. Sie wirkt stur und schroff, zeigt aber auch liebevolle ...
"Mitternachtsschwimmer" von Roisin Maguire spielt im kleinen irischen Küstendorf Ballybrady. Hier lebt Grace alleine und zurückgezogen mit ihren Tieren. Sie wirkt stur und schroff, zeigt aber auch liebevolle Züge. Um Geld zu verdienen, vermietet sie ein Cottage an Evan, der einen schweren Verlust erlitten hat. Eine Woche am Meer soll ihm helfen, wieder ins Leben zurückzufinden. Doch aufgrund des Corona-Lockdowns wird aus seiner geplanten Auszeit ein längerer Aufenthalt.
Die Geschichte dreht sich um Grace und Evan, beide leiden an ihren seelischen Verletzungen. Bei Evan sind die psychischen Belastungen und die Trauer noch frisch, Grace lebt mit ihren seelischen Narben bereits seit längerer Zeit. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen erfährt man so nach und nach, was Grace in ihrer Jugend erlebt hat. Evan knüpft trotz der Umstände Kontakte zur Dorfgemeinschaft und schöpft langsam neue Hoffnung. Durch den Besuch seines taubstummen Sohnes bekommt die Geschichte eine unerwartete Dynamik.
Die Autorin beschreibt die ernsten Themen sehr einfühlsam, die Schicksalsschläge der beiden Protagonisten sind spürbar und geben dem ganzen Roman eine melancholische Atmosphäre. Dazu passt die schroffe und eindrucksvolle Natur an der irischen Küste. Der Blick auf den einzelnen Menschen und die Beschreibungen der zwischenmenschlichen Begegnungen gelingen Maguire sehr gut, insbesondere die leisen Töne und kleinen Begebenheiten sind bedeutend und machen das Lesen so angenehm.
Der Roman hat mir gut gefallen, es handelt sich um eine kluge und mitfühlende Geschichte mit authentischen Protagonisten und einem stimmungsvollen Handlungsort. Erwähnen muss ich allerdings auch, dass die mit den Lockdowns verbundenen Maßnahmen (z.B. Abstandsregelung, Ausgangssperre) beim Lesen tatsächlich ein Beklemmungsgefühl bei mir ausgelöst haben. Der Mensch verdrängt viel, aber beim Lesen der damaligen Einschränkungen sind die Gefühle der Lockdownzeit bei mir sofort wieder präsent gewesen.