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Veröffentlicht am 15.02.2024

Der alte Mann, das Schachspiel, der kleine Junge und das Wunder einer großen Freundschaft

Der Schacherzähler
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Im Mittelpunkt dieser herzerwärmenden Geschichte stehen der Grundschüler Janne, seine alleinerziehende Mutter Malu und Witwer Walter, nur Oldman genannt. Alle drei Figuren hadern auf ihre eigene Art mit ...

Im Mittelpunkt dieser herzerwärmenden Geschichte stehen der Grundschüler Janne, seine alleinerziehende Mutter Malu und Witwer Walter, nur Oldman genannt. Alle drei Figuren hadern auf ihre eigene Art mit dem Leben. Der intelligente, aber im standardisierten Schulsystem unterforderte und gelangweilte Janne eckt in der Schule ständig an, genau dies belastet seine alleinerziehende Mutter zusätzlich und bereitet ihr Sorgen, Oldman, vermisst seine verstorbene Frau, versucht mehr zu überleben als zu leben und seinen Alltag trotz der Trauer und Einsamkeit sinnvoll zu strukturieren. Ein wichtiger Teil dieser Struktur ist das tägliche Schachspiel im Park.

Durch Zufall entdeckt Janne beim Skaten im Park Oldman mit seinem Schachspiel und ist sofort fasziniert. Was in der Schule nicht gelingen will, wo ihm immer wieder mangelnde Aufmerksamkeit attestiert wird, im Schachspiel mit dem knurrigen Oldman ist Janne ganz bei sich selbst. Interessiert und aufmerksam entdeckt er das Spiel und saugt jede Information des alten Mannes auf.

Der Roman ist ein echter Wohlfühlroman, der ans Herz geht. Vieles ist vorhersehbar, trotzdem berührt die Geschichte um die entstehende Freundschaft dieser zunächst ungleichen Freunde.

Wirklich toll finde ich, wie der Roman am Beispiel der jungen Mutter Malu die ganz besonderen Herausforderungen von Alleinerziehenden bei komplett abwesendem Vater herausarbeitet. Denn dies bedeutet, wirklich mit ALLEM allein zu sein, IMMER - mit allen Sorgen, Freuden, Herausforderungen und nicht zuletzt der Verantwortung für sich selbst und einen weiteren kleinen Menschen. Auch die Vereinsamung älterer Menschen am Beispiel von Oldmann wird einfühlsam dargestellt.

Sprachlich konnte der Roman mich jedoch nicht vollständig überzeugen. Zwar ist die Geschichte flüssig geschrieben. Zu oft gibt es jedoch grammatikalische Konstruktionen und auch echte Fehler, die meinen Lesefluss getrübt haben, wie etwas auf Seite 85 - „Es ist wie Versprechen auf mehr Freiheit“ oder auf Seite 128 „Es ist absolut ungewohnt, dass jemand anders Janne etwas vorliest“. Auch kleinere Logikfehler haben mein Leseerlebnis etwas gemindert, da werden zum Essen extra Bandnudeln eingekauft, und auf dem Tisch verwandeln sie sich in Kartoffeln, oder eine aufgebrochene Tür, ist als solche nicht mehr zu erkennen. Warum Malus Vater Weidenfeld heißt, die Tochter aber Westphal und sein Vorname erst Helmut ist, während er später plötzlich mit Opa Karl für Janne unterzeichnet, bleibt das Geheimnis der Autorin.

Insgesamt ist der Schacherzähler ein schöner Wohlfühlroman mit Schwächen, der die Herausforderungen von Alleinerziehenden und Einsamkeit im Alter thematisiert und uns das Wunder von Freundschaft und Wahlfamilie verdeutlicht.

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Veröffentlicht am 04.12.2024

Über Familiensekten und andere Katastrophen oder: niemand ist freiwillig in Kassel

Aus dem Haus
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In Aus dem Haus blickt die Ich-Erzählerin ausgehend von einem Besuch am Grab ihres Vaters auf ihre Familiengeschichte zurück - das Aufwachsen in Weinheim an der Bergstraße, der Umzug nach Kassel und der ...

In Aus dem Haus blickt die Ich-Erzählerin ausgehend von einem Besuch am Grab ihres Vaters auf ihre Familiengeschichte zurück - das Aufwachsen in Weinheim an der Bergstraße, der Umzug nach Kassel und der Gipfel des Unglücks: der Bau des Hauses.

Unterhaltsam ist dabei nicht nur die Charakterisierung der Eltern, die modebewusste, attraktive Mutter stets mit Zeitproblemen, die aber deshalb nicht weniger stets an ihr eigenes Unglück glaubt und in Klage und Melancholie versinkt, der Vater, erfolgreich im Beruf, jedoch gleichsam an das eigene Unglück glaubend und im oft verzweifelten Versuch die eigene Frau zu verstehen, beide sich stets ausnutzend lassend, jedoch mit deutlichen Defiziten im Sozialverhalten.

Wirklich eingängig und überraschend ist auch der Stil in dem Miriam Böttger diese Geschichte erzählt. Klug, pointiert und oft bissig charakterisiert die Autorin nicht nur die Eltern, sondern auch Familienkonstellationen und - Dynamiken, die kulturellen und sprachlichen Eigenheiten und Unterschiede zwischen Weinheim an der Bergstraße und Kassel, die Idealisierung des Autofahrens und nicht weniger als die Gesellschaft und ihre sozialen Dynamiken als solches.

Dieser bissig-ironische Ton überdeckte dabei für mich jedoch oft die eigentliche Tragik der Geschichte. Die ständige Unzufriedenheit, Negativität und Depressionen, die das Leben der Eltern begleiteten und geprägt haben. Nie ist etwas gut genug, die anderen haben es immer besser und wenn das Unglück nicht da ist, redet man es herbei. Völlig in den Hintergrund gerät dabei auch, was dies für ein Kind bedeuten kann in solchen Dynamiken aufzuwachsen. Natürlich kann man damit reflektiert und mit ironischer Distanziertheit umgehen, wie die Ich-Erzählerin. Das Aufwachsen geprägt durch Negativität und Destruktivität kann jedoch auch andere Folgen haben und prägend für das weitere Leben sein.

Ich bin daher insgesamt etwas zwiegespalten in meinem Urteil. Der gesellschaftskritische, ironische Ton und die Analyse sozialer Dynamiken gefallen mir grundsätzlich sehr gut und ich habe nun auch einiges über die Unterschiede zwischen Kasseler, Kasselaner und Kasselener gelernt. Gleichzeitig hätte ich mir mit Blick auf die Figurenentwicklung etwas mehr Tiefgang und Einordnung, der doch nicht unerheblichen destruktiven Dynamiken gewünscht.

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Veröffentlicht am 21.09.2024

Inhaltlich interessant und zum Ende spannend, Schreibstil ausbaufähig

Bombenjahre
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Ein geheimnisvoller Mord, Macht, Geld und geheime Botschaften - das sind die Zutaten von Bombenjahre, angesiedelt in der Region um das wunderschöne Sterzing. Im Mittelpunkt stehen die junge, ehrgeizige ...

Ein geheimnisvoller Mord, Macht, Geld und geheime Botschaften - das sind die Zutaten von Bombenjahre, angesiedelt in der Region um das wunderschöne Sterzing. Im Mittelpunkt stehen die junge, ehrgeizige Reporterin Marie, die mehr über den Mord erfahren möchte und geheime Botschaften erhält. Zunächst widerwillige Unterstützung erhält sie vom ehemaligen Journalisten Tom aus Deutschland, der eine Auszeit vor Ort genießt. Immer tiefer tauchen die beiden bei ihren zunehmend gefährlichen Recherchen in die Geschichte Südtirols und die Bombenjahre ein.

Die Story als solches mit den Einblicken in diese geschichtliche Epoche Südtirols und den aktuellen politischen Bezügen hat mir gut gefallen. Sprachlich konnte mich der Roman jedoch nicht überzeugen. Die Sätze wirken oft sehr einfach und stückhaft, als ob kein richtiger Schreibfluss entsteht und Zusammenhänge nur durch ausdrückliche Nennung eines jeden Gedankens und jedes Handelns, hergestellt werden können. Zum Teil wird die Handlung inkonsistent, etwa wenn Marie in einem völlig dunklen Haus unterwegs ist und dann angeblich ein Foto des Wohnzimmers macht. Zum Ende hin nimmt der Roman jedoch noch einmal Fahrt auf und entwickelte eine gute Spannung.

Bombenjahre ist ein gewohnt guter Lokalkrimi aus dem Verlagshaus Athesia. Ein fesselnder Thriller war es für mich allerdings nicht und auch sprachlich konnte er mich leider nicht wie bisherige Publikationen überzeugen.

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Veröffentlicht am 16.07.2024

Sehr amerikanisch und klischeebeladen

Weil ich an dich glaube – Great and Precious Things
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Weil ich an dich glaube erzählt die (Liebes-)Geschichte von Willow und Camden, eingebettet in das beschauliche Alba in Colorado. Die Story setzt ein mit der Rückkehr Camdens von seiner Militärzeit. Vor ...

Weil ich an dich glaube erzählt die (Liebes-)Geschichte von Willow und Camden, eingebettet in das beschauliche Alba in Colorado. Die Story setzt ein mit der Rückkehr Camdens von seiner Militärzeit. Vor vielen Jahren hat er seinem Heimatdorf den Rücken gekehrt. Was zuvor, und während dieser Zeit passiert ist, wird erst Stück für Stück freigelegt und jeweils aus den Perspektiven von Willow und Camden erzählt. Beide verbindet durch ihre Familien eine Kindheitsfreundschaft, die Mütter waren beste Freundinnen, Camden und seine Brüder sind mit Willow und ihrer Schwester quasi aufgewachsen. Obwohl Camden und Willow immer eine besondere Beziehung hatten, ist es letztlich der jüngste Bruder Sullivan mit dem sie zusammenkommt, bis dieser jung sein Leben verliert. Dieser Schicksalsschlag schwebt über der Handlung, nicht nur ist Willow die Frau, die er liebt, Witwe seines Bruders, auch fühlt er sich verantwortlich für den Tod seines Bruders. Für die Beziehung zu Willow ergibt sich so ein scheinbar unlösbarer Konflikt für ihn, der dazu führt, dass er sich trotz seiner Gefühle unbedingt von ihr fernhalten möchte.

Der Schicksalsschlag um Sullivan ist nicht der Einzige in der Familie, die Mutter der Daniels Brüder ist früh durch einen Pumaangriff verstorben, der Vater hat nun Alzheimer und kommt immer weniger zurecht. In diese schwierige Familiensituation kehrt Camden nun zurück, will sie lösen, will helfen. Wir ihm dies gelingen? Und wie soll er Willow begegnen? So thematisiert die Autorin um die Liebesgeschichte von Willow und Camden auch sehr ernste Themen wie Alzheimer, Traumata, PTBS, Verlust und Trauer.

Für mich war es das erste Buch der Autorin, auch vor dem Hintergrund des Hypes um ihre Fourth Wings Reihe, der mich neugierig gemacht hat. Leider konnte mich die Story nicht wirklich erreichen. Dies lag zum einen an der Orts- und Themenwahl. Die Autorin porträtiert das Leben in einer amerikanischen Kleinstadt und die Folgen der Armyzugehörigkeit, beides Themen, die sehr weit weg für mich sind und für die es bei einer sachlichen Auseinandersetzung damit wesentlich bessere Literatur für mich gibt. Zum anderen konnte mich jedoch auch der Stil und Spannungsaufbau nicht erreichen. Zu klischeebeladen war für mich die Story, zu platt viele Dialoge, und dadurch keine echte Nähe zu den Protagonistinnen aufbaubar.

Für Fans einfacher Liebesromane mag das Buch interessant sein, auch wenn ich vermute, dass es selbst in diesem Kontext kein echtes Highlight wird. Mich konnte es leider nicht überzeugen.

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Veröffentlicht am 02.04.2024

Auf dem Bauernhof sind Kinder zum Arbeiten da…

Mühlensommer
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Maria freut sich auf ein entspanntes Bergwochenende mit Freunden und ihren zwei Teenagertöchtern, da holt sie ein Anruf ihrer Mutter aus allen Plänen, der Vater ist verunglückt, sie muss sofort kommen ...

Maria freut sich auf ein entspanntes Bergwochenende mit Freunden und ihren zwei Teenagertöchtern, da holt sie ein Anruf ihrer Mutter aus allen Plänen, der Vater ist verunglückt, sie muss sofort kommen und auf dem heimischen Hof helfen. Der Kontrast zu ihrem Stadtleben als Werbeexpertin mit eigener Agentur könnte größer kaum sein. So wie sie aufgewachsen ist, findet sie auch nun den Bauernhof, mit Kühen, Schweinen, Hühnern, und der alten Mühle wieder vor. Der unverhoffte Besuch ihrer Heimat und Familie entwickelt sich immer mehr zu einer Erinnerungsreise und nicht zuletzt einem Wiederfinden ihrer Wurzeln.

Abwechselnd erzählen in Mühlensommer zum einen die junge Maria über das Aufwachsen auf dem Hof mit allen Entbehrungen, viel Arbeit, aber ebenso Freiheiten und Freuden. Und zum anderen reflektiert in der Gegenwart die erwachsene Maria über ihr Leben und was für sie Heimat bedeutet.

Das Buch überzeugt mit authentischen Einblicken in das Aufwachsen auf dem Bauernhof, Schlachtungen, Geburten und auch die Hopfenernte werden wirklichkeitsgetreu und wo angemessen humorvoll beschrieben. Sprachlich konnte mich der Roman jedoch nicht überzeugen, oft sind Formulierungen recht blumig. Vermutlich hätte eine tatsächlich autobiografische Umsetzung mehr meinen Geschmack getroffen, denn sowohl inhaltlich als auch sprachlich haben mir die Passagen am besten gefallen, in denen ohne viel sprachliche „Dekoration“ das Leben auf dem Bauernhof beschrieben wird.

Mühlensommer ist ein warmherziger, authentischer Roman über das Aufwachsen auf dem Land, der mich inhaltlich sehr angesprochen hat, jedoch sprachlich nicht ganz überzeugen konnte.

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