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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.05.2023

Eindrücklich und filmisch erzählt

Komplizin
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Das Cover dieses Buches zeigt meiner Meinung nach schon, was dieses Buch bereithält. Frauen, die in Filmen oft in der Anonymität verschwinden, Systeme die korrupt und falsch sind und die Unbeteiligte zu ...

Das Cover dieses Buches zeigt meiner Meinung nach schon, was dieses Buch bereithält. Frauen, die in Filmen oft in der Anonymität verschwinden, Systeme die korrupt und falsch sind und die Unbeteiligte zu Kompliz:innen werden lassen.

Als ich den Klappentext gelesen habe, dachte ich, Winnie M Li erzählt fiktional die Harvey Weinstein Story nach. Jetzt, wo ich das Buch gelesen habe, erscheint es mir aber als viel mehr als nur ein Retelling. Ja, es ist die Story, die wir aus dem Weinstein-Skandal und der #MeToo Debatte kennen. Es ist gleichsam eine Parabel. Gleichzeitig fand ich, das Li eine ganz neue Sichtweise und eine neue Welt aufgemacht hat, die wir so noch nicht gehört haben.

Sarah ist eine junge Frau mit Ambitionen im Filmgeschäft. So weit, so gut. Was Li aber eindrücklich ausarbeitet, ist die Psychologie der jungen Jahre, die Psychologie einer Frau mit Migrationshintergrund, die es schaffen will. Und damit malt sie ein Bild der Ambivalenz bei der Protagonistin Sarah. Auf der einen Seite ist sie Betroffene, auf der anderen Seite wurde sie von einem System karrieretechnisch, psychisch und als Frau ausgelaugt, benutzt und damit zur Komplizin gemacht. Das macht sie als Charakter sehr vielschichtig, zeigt ihre Entwicklung aber auch ihre Selbstreflektion nachdem alles passiert ist.

Dafür ist der Interview-Stil, der sich durch das Buch zieht meiner Meinung nach perfekt gewählt. Es schafft auf der einen Seite einen fast filmischen Erzählflow, bei dem man ständig Bilder im Kopf hat. Auf der anderen Seite schafft es Nähe zu Sarah und den anderen Frauen in dieser Situation und ordnet damit auch die Rolle von Frauen im Filmgeschäft untereinander ein.

Alles in allem ein Buch, das mich sehr begeistert, geschockt und gefesselt hat - diese Geschichte wird mich lange nicht loslassen. Ich empfehle dieses Buch allen, die die Augen öffnen wollen. Außerdem ist es für mich die perfekte Begleitlektüre zu "She Said" von Jodi Kantor und Meghan Twohey - die beiden Journalistinnen haben damals Harvey Weinstein entlarvt.

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Veröffentlicht am 05.04.2022

Vielschichtiger als der Titel erwarten lässt

Die sieben Männer der Evelyn Hugo
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Schon der Klappentext und der Titel des Buches haben mich sofort angezogen. Der menschliche Drang nach Neugierde und ein bisschen Voyeurismus werden sofort angesprochen. Und das hat das Buch absolut eingelöst. ...

Schon der Klappentext und der Titel des Buches haben mich sofort angezogen. Der menschliche Drang nach Neugierde und ein bisschen Voyeurismus werden sofort angesprochen. Und das hat das Buch absolut eingelöst. Und zusätzlich noch so viel mehr getan. Es hat wichtige Themen angesprochen, den Spannungsbogen gut gehalten und Überraschungen bereitgehalten. So stelle ich mir eine Geschichte vor, die sich leicht lesen lässt.

Dazu trägt auch vor allem der Schreibstil von Taylor Jenkins Reid bei. Wenn Leute sagen, sie spickt ihre Seiten mit Ectasy verstehe ich warum. Der Stil ist leicht zu lesen und hält trotzdem den Spannungsbogen hervorragend. Man fliegt geradezu durch die Seiten und kann sehr lange Stücke am Stück lesen, ohne müde zu werden. Wenn man dann aber pausiert kommt man auch extrem leicht wieder in die Geschichte rein. Durch den Schreibstil spielt auch ein sehr guter Film vor dem inneren Auge finde ich und ich bin sehr gespannt, wie das ganze filmisch gelöst wird.

Auch die Figuren sind wunderbar ausgearbeitet. Sie haben die Komplexität echter Menschen und wirken nicht wie auf dem Reisbrett konzipiert. Das mag ich sehr. Und davon leben vor allem Evelyn und Monique. Beides tolle Frauen, mit denen man sich auf eine komische Weise identifizieren kann.

Das einzige was mit tatsächlich nicht gefällt, ist das deutsche Cover. Warum hat man hier nicht eines der anderen aus UK oder US genommen? Die sehen nicht nur schöner aus, sie passen auch besser zum Buch finde ich. Das deutsche Cover wirkt dageben billig (siehe schlechte Freistellung von Evelyns Arm), aber ich finde auch es macht Evelyn weniger mächtig, weniger einnehmend. Das finde ich wirklich schade.

Sonst ist es ein absolut wundervolles Buch, das glaube ich fast jede:n begeistert. Vor allem wenn man lange nicht gelesen hat ist dieses Buch die perfekte Einstiegsdroge und ich freue mich schon, mehr von TJR zu lesen!

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Veröffentlicht am 26.12.2021

Fantastisch!

Wie schön wir waren
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In "Wie schön wir waren" kämpft ein Dorf und darin mehrere Generationen für ihre Recht auf ein unbeschwertes Leben, gegen den Kolonialismus und gegen rassistische Aneignung. Die Geschichte wird aus den ...

In "Wie schön wir waren" kämpft ein Dorf und darin mehrere Generationen für ihre Recht auf ein unbeschwertes Leben, gegen den Kolonialismus und gegen rassistische Aneignung. Die Geschichte wird aus den Blickwinkeln der ältesten Generation im Dorf geschildert, die von Anfang an dabei war, von den Eltern, die ein besseres Leben für ihre Kinder wollen und von den Kindern selbst, die gegen die Ungerechtigkeit kämpfen, die ihnen die Kindheit genommen hat.

Das Buch ist so ergreifend. Durch den Schreibstil fühlt man sich mitten im Geschehen, er ist leicht zu lesen und transportiert doch so gut die Gefühle von Ungerechtigkeit und dem Drang, etwas zu verändern damit das Leben aller besser werden kann. Gerade als weiße Person fühlt man sich "schmutzig" wenn man erfährt, welche Klassengesellschaft immer noch existiert. Die Selbstbestimmung, die das Dorf von Kosawa zurückfordert ist mehr als verdient und stellt die Aneignung aftikanischen Guts durch die westliche Welt in das Licht in das sie gehört: Es ist widerlich und sollte nicht mehr passieren.

Alle vorgestellten Figuren waren so nahbar. Ihr Schmerz und ihre Entwicklung wurde mit viel Liebe zum Detail erzählt und man kann sie deshalb sehr gut verfolgen und nachvollziehen. Trotz der langen Zeitspanne, über die man die Charaktere begleitet, verliert man nie den Draht zu ihrer Geschichte.

"Wie schön wir waren" ist ein unfassbar menschliches Buch, dass jeder lesen sollte, der Rassismus auf einer anderen Ebene verstehen will. Gleichzeitig empfehle ich es jedem, der ein Fan guter Charakter-Gestaltung ist. Ich habe es geliebt!

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Veröffentlicht am 30.08.2024

Schwestern auf den Punkt gebracht

Blue Sisters
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Bei "Blue Sisters" merkt man total, wie Coco Mellors sich in ihrem Schreibstil weiterentwickelt und verfeinert hat, denn dieses Buch hat wirklich ins Schwarze getroffen. Die Blue Schwestern laufen praktisch ...

Bei "Blue Sisters" merkt man total, wie Coco Mellors sich in ihrem Schreibstil weiterentwickelt und verfeinert hat, denn dieses Buch hat wirklich ins Schwarze getroffen. Die Blue Schwestern laufen praktisch aus den Seiten heraus und man hat das Gefühl, sie wirklich treffen zu können wenn man in New York, Paris, London oder LA unterwegs ist. Und das, obwohl der Lebensstil der Schwestern alles andere als normal / realistisch für die Meisten Leser:innen sein sollte. Dennoch sitzt man quasi mit ihnen im Zimmer, fühlt ihre Emotionen, lebt ihre Kämpfe gegen verschiedene Dämonen mit.

Zu großen Teilen liegt das am tollen Schreibstil von Coco Mellors. Sie schreibt bildhafte Metaphern wie niemand sonst, den ich gelesen habe und das macht alles sehr plastisch und eingängig. Gleichzeitig ist alles mit trockenem Witz durchzogen und lockert viele schwere Situationen auf.

Und in diesem Buch werden so viele wichtige Themen angesprochen wie Familie, Endomitriose, Sucht etc. Ich denke damit macht Mellors viele interessante Diskussionen auf, die dringend geführt werden müssen. Außerdem zeigt sie diese oft vernachlässigte Beziehung unter Geschwistern so, wie sie wirklich ist. Mal gemein, mal unaussprechlich und dennoch immer verbunden. So, das man die anderen besser kennt als sich selbst. Und deshalb fand ich es auch so schön, dass wir die verstorbene Schwester Nicky nur durch die Augen ihrer Schwestern kennenlernen. Das schafft so viel Nuance und Verständnis für diese besondere Art von Beziehung, das war stilistisch unfassbar gut gemacht.

Zum Buch in der deutschen Übersetzung dürfen meiner Meinung nach zwei Dinge nicht unerwähnt bleiben: Das Cover ist wunderschön, es wäre ein perfektes Wandbild und passt so gut zu Mellors erstem Roman, Cleopatra und Frankenstein. Außerdem hat der Eichborn Verlag hier finde ich eine sehr innovative und angenehme Art gefunden, zu gendern. Mit einem einzigen Punkt oben statt einem Doppelpunkt fügt sich das sehr gut in den Lesefluss ein!

Dieses Buch ist ein Slowburn mit rasantem Tempo am Ende. Die Blue Schwestern werden mich gedanklich noch lange begleiten und ich bin sehr froh darum. Ich empfehle diese Charakterstudie allen, die gefahrenlos über Traumata lesen können, Geschwister haben oder einfach wissen wollen, wie sich das anfühlt.

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Veröffentlicht am 17.07.2024

Packend und hoffentlich nie wahr

VIEWS
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Was passiert mit unserer Gesellschaft, wenn ein verstörendes Video auftaucht? Eine sehr spannende und vor allem zeitgemäße Frage, der sich MUK da angenommen hat. Und in der Ausführung hat er meiner Meinung ...

Was passiert mit unserer Gesellschaft, wenn ein verstörendes Video auftaucht? Eine sehr spannende und vor allem zeitgemäße Frage, der sich MUK da angenommen hat. Und in der Ausführung hat er meiner Meinung nach brilliert.

Mit Views hat er ein gesellschaftlich dichtes Buch geschaffen, dass in seiner Kürze richtig tief in die menschlichen Abgründe und Komplexitäten eintaucht. Er schafft es, viele verschiedene Themen zu einem Buch zu verweben, ohne das man sich darin verliert und bildet damit das echte Leben ab, das eben manchmal verworren ist. Es geht um KI, Gewalt an Frauen, Fremdenhass und Radikalisierung, die in ihrem Gesamtbild leider gar nicht mal so abwegig wirkt.

Die Charaktere mögen an manchen Stellen klischeehaft wirken, dennoch finde ich sie alle toll und passend. Vor allem die Protagonistin Yasira zeigt echt Komplexität, ihre Gedanken sind nicht geschönt sondern sehr ehrlich und menschlich zwischen Emanzipation und politischer Korrektheit und das lässt einen wirklich mitfühlen.

Der Schreibstil trägt einen wirklich durch die Geschichte. Die ersten paar Seiten hatte ich das Gefühl, MUK muss seinen Stil noch finden aber danach liest es sich schnell weg, ist mit subtilem Humor und Hinweisen gespickt, die immer passend und nie pietätlos sind.

Wer offene Enden nicht mag, wird hier enttäuscht. Ich persönlich finde aber, es hätte gar nicht anders enden können. Hätten wir definitive Antworten bekommen, hätte man eine Lösung für das echte, gesellschaftliche Problem gehabt und die gibt es in dem Sinne nicht bzw. ich glaube MUK wollte sich hier nicht anmaßen, die Lösung parat zu haben. Und ich glaube es soll auch zeigen, dass es ungewiss ist, ob Sachen gut ausgehen und dass das ein Anreiz seine soll, die Radikalisierung zu stoppen weil wir eben selbst im Buch nicht wissen könne, ob am Ende alles gut wird. Dieses Buch lässt die Leser:innen an ihrem eigenen Kopf zweifeln, hinterfragt Moral und zeigt, wie Dinge eben nicht immer schwarz-weiß sind. Ein Buch, das hoffentlich nie Wahrheit wird aber unbedingt gelesen werden sollte.

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