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Veröffentlicht am 27.09.2024

Zwei Generationen zivilen Ungehorsams treffen aufeinander

Tage mit Milena
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In „Tage mit Milena“ prallen zwei Generationen zivilen Ungehorsams aufeinander. Die eine ist Annika, eine Frau in ihren 50ern, die sich zusammen mit ihrem Mann Hendrik in einem beschaulichen Leben in Lübeck ...

In „Tage mit Milena“ prallen zwei Generationen zivilen Ungehorsams aufeinander. Die eine ist Annika, eine Frau in ihren 50ern, die sich zusammen mit ihrem Mann Hendrik in einem beschaulichen Leben in Lübeck eingerichtet hat. Sie führt einen Schreibwarenladen, ihr Mann baut pestizidfreie Schnittblumen an. Ihre Vergangenheit in der Hausbesetzerszene der Hamburger Hafenstraße in den 1980er Jahren hat sie so ziemlich ausgeblendet. Die andere ist Luzie, eine 17-jährige Klimaaktivistin der letzten Generation. Luzie kauft bei Annika Sekundenkleber, um sich kurz darauf auf einer Lübecker Straßenkreuzung festzukleben. In dieser brenzligen Situation steht Annika ihr bei und versucht sie zu schützen. Durch diese Situation bricht in Annika die lang verdrängte Vergangenheit wieder auf, sie fühlt sich schuldig am Tod ihrer Freundin Milena, die seinerzeit bei den Demonstrationen in der Hafenstraße ums Leben kam. Der Versuch, Luzie davor zu bewahren, sich durch unüberlegte Aktionen in Gefahr zu bringen bzw. einen nicht wiedergutzumachenden Fehler wie Annika in ihrer Jugend zu begehen, wird auch zu einer Reise in die eigene Vergangenheit. Im Verlauf der Geschichte erkennt sie, dass die Ereignisse in der Hafenstraße wohl doch ganz anders abgelaufen sind als in ihrer Erinnerung.
In dieser von der ersten bis zur letzten Seite rasant geschriebenen, fesselnden Geschichte geht es vor allem um verdrängte Traumata, Aufarbeitung der Vergangenheit, Liebe, Schuldgefühle, Irrtum und Gerechtigkeit.
Gleichzeitig erhält man interessante Einblicke in die Hamburger Hausbesetzerszene der 80er Jahre sowie die aktuelle Klimaschutzbewegung.
Aktuelle, gesellschaftsrelevante Themen eingebunden in eine packende Geschichte machen die „Tage mit Milena“ zu einem absolut lesenswerten Buch.

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Veröffentlicht am 17.07.2024

Altern - Mach was draus, es liegt an Dir!

Altern
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Alter ist ein Thema, das jeden irgendwann trifft. Und wer könnte besser darüber schreiben als ein Mensch, der sich mitten in dieser Lebensphase befindet. Und wenn man dann noch so hellwach, belesen, scharfsinnig ...

Alter ist ein Thema, das jeden irgendwann trifft. Und wer könnte besser darüber schreiben als ein Mensch, der sich mitten in dieser Lebensphase befindet. Und wenn man dann noch so hellwach, belesen, scharfsinnig – und auch scharfzüngig – wie Elke Heidenreich ist, kann dabei nur ein kluges und absolut lesenswertes Essay über das Altern entstehen. Jeder Satz ist bemerkenswert und ich habe mich in vielen Aussagen wiedergefunden.

Sie schreibt ein sehr persönliches Buch darüber, wie sie das Altwerden empfindet, reflektiert ihr vergangenes Leben und beschreibt, wie sie den verbleibenden Teil des Lebens zu gestalten und genießen gedenkt. Viele Zitate von bekannten Philosophen, Schriftstellern, Dichtern, Schauspielern und Musiker zum Thema „Altern“ sind eingeflossen, was mir persönlich sehr gut gefallen hat und Anregungen für weitere Lektüren bietet.

Das Buch liefert keine neuen Erkenntnisse, sondern bestätigt, was man ohnehin weiß: am Alter kommt keiner vorbei, also bringt es auch nichts, miesepetrig darüber zu lamentieren. Es liegt an jedem selbst, das Beste daraus zu machen. Und das bedeutet Disziplin, Neugier und Konzentration. Das ist auch gut so, denn Nichtstun macht nicht glücklich. Das Schöne ist, dass man selbst entscheidet, was man tut, weil man eben nicht mehr muß!

Elke Heidenreich weiß natürlich um ihre privilegierte Situation (gesund, finanziell abgesichert, aktiv, mit einem sozialen Umfeld), es ist weitaus schwerer mit dem Altern zurechtzukommen, wenn man alt, arm, krank und einsam ist (jung, arm und krank ist auch nicht besser!).

Mit „Altern“ hat Elke Heidenreich mir ein paar vergnügliche Lesestunden beschert und sollte ich mal wieder mit mir selbst oder meinem Altwerden hadern, werde ich den einen oder anderen Satz aus ihrem Büchlein noch einmal nachlesen. Hey, es ist doch toll: „Ich sitze hier und atme“. Was will ich mehr!

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Veröffentlicht am 10.07.2024

Gelungene Familiengeschichte zum Schmunzeln

Makarionissi oder Die Insel der Seligen
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Fünf Generationen umspannt das großartige Familienepos von Vea Kaiser. Es beginnt in den 1950er Jahren in dem kleinen, vergessenen Bergdorf Varitsi an der griechisch-albanischen Grenze und reicht bis in ...

Fünf Generationen umspannt das großartige Familienepos von Vea Kaiser. Es beginnt in den 1950er Jahren in dem kleinen, vergessenen Bergdorf Varitsi an der griechisch-albanischen Grenze und reicht bis in die Gegenwart auf der imaginären griechischen Insel „Makarionissi“. Auf der Suche nach ihrem individuellen Glück begleiten wir die Familienmitglieder ins niedersächsische Hildesheim, ins österreichische St. Pölten, nach Zürich und Chicago.

Zentrale Figuren dieser Geschichte sind Eleni und ihr Cousin Lefti, einander versprochen im Kindesalter. Ihre Großmutter Yiayia Maria Kouzis hatte entschieden, dass die beiden heiraten sollten, da es für ihren einzigen männlichen Enkel keine geeignete Frau in Varitsi gab.

In ihrer Kindheit sind die beiden befreundet, doch sie entwickeln sich sehr unterschiedlich – die rebellische Aktivistin Eleni schließt sich linken Gruppen an und hält überhaupt nichts von der Ehe, während Lefti sich ein ruhiges, friedliches Leben wünscht und mit Politik nichts zu tun haben will.
Doch dann übernimmt 1967 die Junta die Macht in Griechenland und alles ändert sich.

Vea Kaisers Schreibstil ist unkompliziert und leicht. Sie beschreibt die Charaktere in so warmherziger und humorvoller Weise, dass man Eleni und Lefti, aber auch alle anderen Figuren sofort in sein Herz schließt, mit ihnen leidet, bangt und hofft. Dank der detailreichen Beschreibung von Orten und gesellschaftlichen Zusammenhängen fühlte man sich mittendrin in der Geschichte und ganz dabei.
Sehr gelungen ist auch die Einbindung von historischen Ereignissen der jüngeren Geschichte Griechenlands, griechischen Mythen und Märchen.

Insgesamt ist „Makarionissi“ eine gelungene Familiengeschichte, die alles hat, was so eine Geschichte braucht – Liebe, Trennung, Lügen, Schmerz, die Suche nach dem persönlichen Glück, etc. Das Buch hat mir einige unterhaltsame Lesestunden beschert und mich oft zum Schmunzeln gebracht. Mit Vea Kaisers erstem Roman „Blasmusikpop“ konnte ich seinerzeit nicht so viel anfangen. Aber nach der Lektüre von „Makarionissi“ werde ich ihrem Debütroman eine zweite Chance geben.

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Veröffentlicht am 08.07.2024

Was für ein Sommer!

Der große Sommer
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Der große Sommer“ spielt in den 1980er Jahren in einer süddeutschen Stadt und erzählt von vier Jugendlichen. Frieder hat so schlechte Noten bekommen, dass seine Versetzung in die nächste Klasse gefährdet ...

Der große Sommer“ spielt in den 1980er Jahren in einer süddeutschen Stadt und erzählt von vier Jugendlichen. Frieder hat so schlechte Noten bekommen, dass seine Versetzung in die nächste Klasse gefährdet ist. Daher darf er nicht mit der Familie in Urlaub fahren, sondern muss die Sommerferien bei den Großeltern verbringen, um unter der Aufsicht seines strengen (Stief-)Großvaters für die Nachprüfungen in Mathe und Latein zu lernen. Auch seine fast gleichaltrige Schwester Alma bleibt in der Stadt, da sie während der Ferien ein Praktikum absolviert. Und dann sind da auch noch Frieders bester Freund Johann und Beate, das Mädchen im flaschengrünen Badeanzug, in die er sich bei einer zufälligen Begegnung im Schwimmbad sofort verliebt.
Auch wenn es sich nicht so anlässt, wird es für Frieder in jeder Hinsicht ein großer Sommer, in den sechs Ferienwochen erlebt er die erste große Liebe, wird mit Krankheit und Tod konfrontiert und lernt die Konsequenzen seiner Handlungen zu tragen. Außerdem lernt er seinen Großvater, einen strengen und unnahbaren Mann, den Frieder bis zu seinem zwölften Lebensjahr siezen musste, ganz neu kennen.
Ewald Arenz ist es wunderbar gelungen, die Stimmung der 1980er Jahre einzufangen (Pommes im Freibad, es gab noch keine Handys, sondern man brauchte Groschen für die Telefonzellen, etc.). Auch wenn die Geschichte keine großen Überraschungen bietet, so ist sie zwar unaufgeregt, aber einfühlend, humorvoll und unterhaltsam geschrieben. Es fällt nicht schwer, sich in die Welt eines jungen Menschen, der in kurzer Zeit auf intensive Weise viele Dinge zum ersten Mal erlebt, hineinzuversetzen.
Klare Leseempfehlung für alle, die sich an den eigenen großen Sommer zurückerinnern lassen möchten.

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Veröffentlicht am 08.07.2024

der 20. Mai ändert alles - oder doch nichts?

Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin
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Mathilde ist 40 und seit dem Unfalltod ihres Mannes vor zehn Jahren alleinerziehende Mutter von drei Söhnen. Durch diesen Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen, ist es ihr doch gelungen, ihr Leben wieder ...

Mathilde ist 40 und seit dem Unfalltod ihres Mannes vor zehn Jahren alleinerziehende Mutter von drei Söhnen. Durch diesen Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen, ist es ihr doch gelungen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Als starke, tatkräftige Frau bringt sie Kinder und eine gut bezahlte Stelle als stellvertretende Marketingdirektorin erfolgreich unter einen Hut. Doch dann beginnt ihr Vorgesetzter, mit dem sie immer gut zu Recht kam, ihr das Leben schwer zu machen.
Mathilde werden mehr und mehr Aufgaben entzogen, Informationen werden ihr vorenthalten, sie wird von ihren Kollegen isoliert, einem klärenden Gespräch weicht ihr Vorgesetzter aus.
Thibault hat, ebenfalls wegen eines Schicksalsschlags in jungen Jahren, seinen Plan, Chirurg zu werden, aufgeben müssen und hetzt als Rettungsarzt durch Paris, von einem Patienten zum nächsten. Er trifft auf viele einsame Menschen, aber auch auf knallharte Geschäftsleute, die sich die Ärzte ins Büro rufen, um Zeit zu sparen. Von seiner Geliebten Lila, hat er sich getrennt, da sie Thibaults Gefühle nicht wirklich erwidert, sondern eher gleichgültig in der Beziehung ist.
Laut der Prophezeiung einer Wahrsagerin, ist der 20. Mai der Tag, an dem es zu einem Wendepunkt in Mathildes Leben kommen soll. Es ist auch der Tag, an dem sich Thibault von Lila trennt. Delphine de Vigan erzählt wie Mathilde und Thibault diesen Tag erleben, zwei Menschen, die zwar in derselben Stadt wohnen, sich aber nie über den Weg gelaufen sind und beide, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, auf einen Burn-Out zustreben.
Delphine de Vigan hat einen großartigen Schreibstil, klar und zurückgenommen, aber doch gefühlvoll. Das Buch nahm mich schon nach wenigen Seiten gefangen und ich habe mit Mathilde und auch Thibault mitgelitten und ihre Verzweiflung nachfühlen können. Auch die Vereinsamung des modernen Menschen in der aktuellen Gesellschaft war fast körperlich spürbar.
Ein absolut lesenswertes Buch und eine klare Leseempfehlung. „Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin“ ist sicher nicht das letzte Buch von Delphine de Vegan, das ich gelesen habe.

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