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Veröffentlicht am 24.07.2024

33 perfekt erzählte Kurzgeschichten aus der Nachkriegszeit

Klassische deutsche Kurzgeschichten
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„Klassische deutsche Kurzgeschichten“ ist eine Kurzgeschichten-Anthologie, die von Werner Bellmann herausgegeben worden ist. Versammelt sind hier 33 Kurzgeschichten, die in der Nachkriegszeit (zwischen ...

„Klassische deutsche Kurzgeschichten“ ist eine Kurzgeschichten-Anthologie, die von Werner Bellmann herausgegeben worden ist. Versammelt sind hier 33 Kurzgeschichten, die in der Nachkriegszeit (zwischen 1945 und 1965) erschienen sind. Dementsprechend starker Tobak ist z. T. der Inhalt der einzelnen Kurzgeschichten. So werden Kriegsereignisse (z. B. in „Wanderer kommst du nach Spa…“ von Heinrich Boll), das karge Leben im zerstörten Deutschland (z. B. in „Die rote Katze“ von Luise Rinser), der Verlust geliebter Menschen (z. B. in „Nachts schlafen die Ratten doch“ von Wolfgang Borchert) oder die NS-Vergangenheit (z. B. in „Saisonbeginn“ von Elisabeth Langgäser) thematisiert. Quantitativ spielen besonders Texte von Borchert, Böll, Ilse Aichinger und Marie Luise Kaschnitz eine wichtige Rolle innerhalb der Anthologie. Alle Kurzgeschichten eint, dass sie wirklich perfekt erzählt sind: Die Handlung baut sich behutsam auf, sodass eine permanente Spannung entsteht, die sich jeweils in einem großen Finale bzw. Wendepunkt entlädt. Abgerundet wird die Anthologie durch ein Nachwort von Werner Bellmann, in dem einerseits kurz die Gattungsgeschichte des Genres „Kurzgeschichte“ beleuchtet wird, andererseits der historische Kontext, in dem die 33 ausgewählten Kurzgeschichten entstanden sind, dargestellt wird.

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Veröffentlicht am 24.07.2024

Ein abwechslungsreicher literarischer Adventskalender

Reclams klassischer Adventskalender
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„Reclams klassischer Adventskalender“, herausgegeben von Karl-Heinz Göttert, ist ein literarischer Adventskalender, in dem klassische Texte versammelt sind, die sich um das Weihnachtsfest drehen. Ohne ...

„Reclams klassischer Adventskalender“, herausgegeben von Karl-Heinz Göttert, ist ein literarischer Adventskalender, in dem klassische Texte versammelt sind, die sich um das Weihnachtsfest drehen. Ohne die konkreten Texte verraten zu wollen: Goethe trifft hier auf Mann, Fontane und Rilke; Luther gesellt sich zu Liselotte von der Pfalz und Borchert. Der Schwerpunkt des Adventskalenders liegt dabei auf Gedichten und literarischen Prosatexten, allerdings findet sich auch die ein oder andere historische Quelle, in der das Weihnachtsfest zu anderen Zeiten beleuchtet wird. Zeitlich sind die meisten Texte im 18. und 19. Jahrhundert verortet, es gibt allerdings auch einzelne Ausreißer ins 16./17. sowie ins 20. Jahrhundert. Jedem Text ist eine kleine Einleitung vorangestellt, die kurz den Entstehungskontext des jeweiligen Textes beleuchten. Insgesamt ist „Reclams klassischer Adventskalender“ ein abwechslungsreicher literarischer Adventskalender, der die Zeit aufs Weihnachtsfest schön verkürzt.

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Veröffentlicht am 24.07.2024

Eine eindrückliche Erzählung über das Erwachsenwerden, die kaum Aktualität eingebüßt hat

Unterm Rad
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Inhalt: Hans Giebenrath ist Klassenprimus, gleichzeitig aber auch ein Einzelgänger. Von den Erwachsenen in seinem Umkreis – seinem Vater, dem Rektor und dem Priester – wird er zum intensiven Lernen angehalten, ...

Inhalt: Hans Giebenrath ist Klassenprimus, gleichzeitig aber auch ein Einzelgänger. Von den Erwachsenen in seinem Umkreis – seinem Vater, dem Rektor und dem Priester – wird er zum intensiven Lernen angehalten, damit er das Landesexamen besteht, um in der Klosterschule Maulbronn zum Landesbeamten ausgebildet werden zu können. Dies gelingt ihm auch, allerdings erwarten ihn in Maulbronn erneut intensive Lernphasen – und langsam, aber sicher wird alles zu viel für Hans…

Persönliche Meinung: „Unterm Rad“ ist eine 1906 erschienene Erzählung von Hermann Hesse, die man heute dem Coming of Age-Genre zuordnen würde. Eine große Rolle innerhalb der Erzählung spielt die Selbstfindung von Hans, der in seinem Heimatdorf und in der Klosterschule permanent unter Druck steht: Seine – durchweg männlichen – Erzieher/Lehrer sehen Hans nur vor dem Hintergrund des Leistungsaspekts; wie Hans innerlich ist bzw. was er tatsächlich möchte, wird nicht berücksichtigt. Ein weiteres Coming of Age-Element, das in „Unterm Rad“ eine wichtige Rolle spielt, ist die (erste) Liebe: Zwei Mal verliebt sich Hans, wobei die eine Liebe eher eine geistige, die andere eine körperliche ist. Innerhalb der Erzählung findet sich zudem scharfe Kritik am Schulwesen um 1900, das, so der Erzähler und einzelne Figuren, zu verkopft sei und lediglich dazu diene, obrigkeitstreue Staatsdiener zu formen. Druck ist das Signum dieses Schulwesens – und die Erzählung zeigt, dass man durch diesen Druck zerbrechen kann. Erzählt wird „Unterm Rad“ von einem auktorialen Erzähler, der oft in die Perspektive von Hans schlüpft. Dabei wird ein vergleichsweise komplexer, leicht verschnörkelter Sprachstil mit häufiger Hypo- und Parataxen-Verknüpfung genutzt (das tut dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch). Insgesamt ist „Unterm Rad“ eine eindrückliche Erzählung über das Erwachsenwerden, die auch ein Jahrhundert nach ihrem Erscheinen kaum Aktualität eingebüßt hat.

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Veröffentlicht am 17.07.2024

Ein fesselnder Thriller

Das Baumhaus
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Inhalt: Henrik und Nora reisen mit ihrem fünfjährigen Sohn Fynn nach Västernorrland, um den Alltag hinter sich zu lassen. Während Henrik Inspiration für sein neues Kinderbuch sucht, möchte Nora Abstand ...

Inhalt: Henrik und Nora reisen mit ihrem fünfjährigen Sohn Fynn nach Västernorrland, um den Alltag hinter sich zu lassen. Während Henrik Inspiration für sein neues Kinderbuch sucht, möchte Nora Abstand gewinnen. Denn: Sie hat einen Fehler begangen, von dem niemand erfahren soll. Anderswo in Västernorrland gibt sich Rosa Lundqvist ihren forensischen Forschungen hin, um sich davon abzulenken, dass sie ihren Bruder pflegen muss. Bei einer Grabung entdeckt sie unvermittelt das Skelett eines Kindes. Als Fynn plötzlich verschwindet, wird Rosa von der Polizei als Ermittlerin eingesetzt, um den Fall zu lösen. Denn: Nur sie kennt sich wirklich in den Wäldern Schwedens aus.

Persönliche Meinung: „Das Baumhaus“ ist ein Thriller von Vera Buck. Erzählt wird der Thriller aus mehreren Ich-Perspektiven: So wird neben den Perspektiven Henriks, Noras und Rosas auch die Sichtweise von Marla, einem jungen Mädchen, das in einem Baumhaus lebt, eingenommen. Der Thriller ist durchweg spannend: Das Haus, in dem Henrik und Nora den Urlaub verbringen möchten, sowie die Wälder Västernorrlands werden atmosphärisch dicht beschrieben und weisen eine gewisse Bedrohlichkeit auf. Zusätzlich gibt es mehrere potentielle Täterfiguren, die für die Entführung Fynns verantwortlich sein könnten, wodurch man mehrmals auf falsche Fährten geführt wird. Daneben erweist Henrik sich als unzuverlässiger Erzähler: Mehrfach dichtet er seine Erlebnisse aus, lügt offen und scheint Erinnerungslücken zu besitzen. Zuletzt finden sich innerhalb der Handlung auch einige richtig überraschende Wendungen, die einen eiskalt erwischen. Der Schreibstil von Vera Buck ist sehr lebendig und anschaulich, sodass während der Lektüre ein schönes Kopfkino entsteht. Insgesamt ist „Das Baumhaus“ ein spannender sowie rätselhafter Thriller, in dem wenig so ist, wie es auf den ersten Blick erscheint.

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Veröffentlicht am 17.07.2024

Ein spannender und vielversprechender Reihenauftakt

Die Sehenden und die Toten
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Inhalt: Die ehemalige Mordermittlerin Carla Seidel möchte es ruhiger angehen – auch für ihre hochsensible Tochter Lana. Deshalb hat sie sich von Hamburg ins Wendland versetzten lassen, wo sich, im Vergleich ...

Inhalt: Die ehemalige Mordermittlerin Carla Seidel möchte es ruhiger angehen – auch für ihre hochsensible Tochter Lana. Deshalb hat sie sich von Hamburg ins Wendland versetzten lassen, wo sich, im Vergleich zum trubeligen Hamburg, Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Doch mit der Ruhe ist es plötzlich vorbei: Ein 18-jähriger junger Mann, Sohn eines lokalen Geldadeligen, wird tot aufgefunden; die Augen durch Spiegelscherben ersetzt. In der Schule sowie innerhalb der Familie galt der junge Mann als unauffällig, doch je weiter Carla ermittelt, desto mehr erfährt sie über die dunkle Seite des Mannes…

Persönliche Meinung: „Die Sehenden und die Toten“ ist ein Kriminalroman mit Lokalbezug von Sia Piontek. Es handelt sich um den Auftakt einer neuen Krimireihe, die sich um die Ermittlerin Carla Seidel dreht. Erzählt wird die Handlung des Romans aus zwei personalen Perspektiven: Carlas Perspektive bildet die Hauptperspektive, daneben findet sich aber in einzelnen Kapiteln auch die Sichtweise von Lana, die ihre Mutter bei dem Fall unterstützt. „Die Sehenden und die Toten“ ist insgesamt eine fesselnde Lektüre: Der Fall ist spannend konstruiert, es passiert ziemlich viel (sodass es wirklich kein Längen gibt) und das Erzähltempo ist hoch. Zusammen mit dem anschaulichen sowie lebendigen Erzählstil ist „Die Sehenden und die Toten“ daher ein Schmöker der besten Art, den man gar nicht weglegen möchte. Die Auflösung des Falls mit einem überraschenden Twist rundet dabei das Lektüreerlebnis ab. Sehr gut hat mir auch die Gestaltung der Figuren gefallen: Die Bandbreite der Figuren ist groß – vom schusseligen Polizeichef, über wichtigtuerische Lokalprominenz zur hochsensiblen Tochter, die über sich hinauswächst. Dabei sind alle Figuren – trotz leichterer Überzeichnungen – lebensnah. Insgesamt ist „Die Sehenden und die Toten“ ein vielversprechender, spannender Reihenauftakt, der neugierig auf die Folgebände macht.

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