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Veröffentlicht am 11.06.2024

Gedanken einer verlorenen Generation

Mitten im Sommer
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Der autofiktionale Roman thematisiert die Desillusioniertheit und Orientierungslosigkeit der in den 90er Jahren geborenen Spanier/innen, ihre Sehnsucht nach der Sicherheit traditioneller Werte und gleichzeitig ...

Der autofiktionale Roman thematisiert die Desillusioniertheit und Orientierungslosigkeit der in den 90er Jahren geborenen Spanier/innen, ihre Sehnsucht nach der Sicherheit traditioneller Werte und gleichzeitig ihren Wunsch nach Abgrenzung und Eigenständigkeit gegenüber ihren Eltern.

Die Protagonistin Ana Iris ist hin- und hergerissen zwischen der vertrauten, liebgewonnenen und traditionellen Lebensweise ihrer Ahnen einerseits und den modernen, vorgeblich fortschrittlichen Lebensentwürfen ihrer Generation andererseits, die gewisse Freiheiten versprechen, aber mit großen Unsicherheiten und neuen Zwängen einhergehen.

Ana Iris wächst fest eingebettet in die Geborgenheit einer herzlichen und liebevollen Großfamilie in einem kleinen Ort in der spanischen Mancha auf. In jedem Kapitel ist die große Verbundenheit mit ihrer Familie, dem Bruder, den Eltern, Großeltern, Onkeln und Tanten, Cousins und Cousinen spürbar, die Figuren sind liebevoll und detailliert gezeichnet, und ich hatte sie beim Lesen alle lebendig vor Augen.

Ich habe durch den Roman einiges über die spanische Kultur erfahren. An einigen Stellen hatte ich jedoch Mühe, dem Inhalt zu folgen bzw. die Gedanken Ana Iris' nachvollziehen zu können, da Kenntnisse der neueren spanischen Geschichte und der politischen Strömungen vorausgesetzt werden. Auch viele spanische Dichter, Musiker und Musikrichtungen spielen eine Rolle, die mir unbekannt waren und das Verständnis beeinträchtigten. Sprachlich hat mich das Buch leider nicht überzeugt, da meiner Meinung nach immer wieder deutlich spürbar war, dass es sich um eine Übersetzung handelt.

Das Buch beinhaltet einige interessante und durchaus provokante Gedanken, insgesamt fehlt mir aber das gewisse Etwas, die Protagonistin blieb mir fremd und konnte mich emotional nicht erreichen. Die vielen einzelnen Episoden aus der Kindheit der Protagonistin erzeugen zwar ein eindrückliches Stimmungsbild ihrer Kindheit und Jugend, aber ich konnte keinen übergeordneten Mehrwert aus dem Buch ziehen.

Der Roman war ein großer Erfolg in Spanien, und so bin ich mit entsprechenden Erwartungen ins Buch gestartet. Leider wurden diese nicht ganz erfüllt, was möglicherweise auch an kulturellen Unterschieden liegt.

Ich würde das Buch vorrangig Leser/innen empfehlen, die mit der spanischen Politik, Kultur und Geschichte vertraut sind oder bereit sind, sich zusätzlich entsprechend einzulesen.

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Veröffentlicht am 18.01.2023

Informativ und altersgerecht

Guinness World Records für Erstleser - Tiere (Rekordebuch zum Lesenlernen)
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Das Buch ist durch das auffällige Cover ein echter Blickfang und hat gleich das Interesse meines Sohnes geweckt.

Wir haben es das erste Mal gemeinsam gelesen, seither nimmt er es immer wieder gerne selbst ...

Das Buch ist durch das auffällige Cover ein echter Blickfang und hat gleich das Interesse meines Sohnes geweckt.

Wir haben es das erste Mal gemeinsam gelesen, seither nimmt er es immer wieder gerne selbst zur Hand und liest darin. Ihm gefällt das Buch sehr gut, meine Meinung ist zwiespältig.

Das Buch ist in 4 Kapitel eingeteilt: Die Größten und Kleinsten, die Schnellsten und Langsamsten, die Giftigsten und Gefährlichsten, die Verrücktesten und Erstaunlichsten. Gleich auf der ersten Seite empfand ich den Text zum Blauwal als etwas unglücklich. Er wird als schwerstes Tier angekündigt, im Text aber generell als größtes Tier bezeichnet, wobei aber nur auf das Gewicht Bezug genommen wird. Da ihm das größte Landtier gegenübergestellt wird und hier Gewicht und Größe angegeben sind, ist das etwas verwirrend.

Die Illustrationen des Buches hätten gerne etwas aufwändiger ausfallen können, im wesentlichen ist das Tier auf 1-2 Bildern dargestellt und ein Textfeld mit einer kurzem Information daneben. Da bin ich von Ravensberger normalerweise schöneres gewohnt.

Positiv fiel mir auf, dass die Autoren bemüht waren, für die Geschwindigkeiten, Längen, Gewichte etc. kindgerechte Vergleiche zu finden und so die Vorstellung zu erleichtern. Auch die Texte sind sprachlich für die Altersgruppe gut verständlich.

Alles in allem ganz nett, aber ich hatte mir etwas mehr erwartet.

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Veröffentlicht am 09.01.2023

Spannende Spurensuche in der Familiengeschichte

Saubere Zeiten
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Jakob Auber, Journalist in Berlin und Enkel eines ehemals reichen Waschmittelfabrikanten, fährt zu seinem im Sterben liegenden Vater nach Hause in seine alte Heimat Trier. Der Kontakt ist seit Jahren lose, ...

Jakob Auber, Journalist in Berlin und Enkel eines ehemals reichen Waschmittelfabrikanten, fährt zu seinem im Sterben liegenden Vater nach Hause in seine alte Heimat Trier. Der Kontakt ist seit Jahren lose, die Mutter tragisch früh verstorben,  die Verhältnisse innerhalb der Familie von Sprachlosigkeit geprägt. Über das Vermächtnis seines Vaters wird er mit der Geschichte seiner Familie im Dritten Reich, der Nachkriegszeit und der Zeit des Wirtschaftswunders konfrontiert. Er macht sich auf Spurensuche und taucht ein in eine Geschichte aus Opportunismus und Verdrängung, Aufstieg und Niedergang, Schuld und Sühne, Liebe und Verlust und kommt dunklen Geheimnissen auf die Spur.

Der Roman ist spannend geschrieben und eng verbunden mit der deutschen Geschichte in den 30er bis 50er Jahren. Nach anfänglicher Begeisterung wurden meine hohen Erwartungen leider nicht ganz erfüllt. Die Dialoge empfand ich häufig als platt und inhaltsleer. Der Protagonist und sein ständiger Alkoholkonsum wurden mir im Verlauf des Buches immer fremder und seinen besten Freund Ben empfand ich als oberflächlich und unsympathisch. Umso gelungener fand ich die Zeichnung seines Vaters Hans, der mir sehr ans Herz wuchs und dessen Schmerz und Einsamkeit ich sehr gut mitfühlen konnte.

Das Vorgehen von Jakob Auber bei seinen Nachforschungen erscheint mir erstaunlich unstrukturiert für einen studierten Journalisten. Er geht nur die Dokumente im Archivzimmer des Vaters durch und stellt keine weiteren Recherchen an. Ich hätte erwartet, dass er über Behörden, die örtliche jüdische Gemeinde und offizielle historische Archive zumindest versucht, mehr darüber herauszufinden, was mit dem Ehepaar Stein passiert ist und wie die genauen Umstände der Enteignung waren. Auch dass er die Schlüsselfigur Bella nicht googelt oder telefonisch kontaktiert oder überhaupt in Erfahrung bringt, ob sie noch lebt, bevor er nach Rio fliegt, wirkt auf mich etwas seltsam. 

Die Geschichte ist in Teilen sicher die Geschichte vieler Familien im Deutschland der damaligen Zeit. "Saubere Zeiten" greift die Schatten der Vergangenheit gekonnt auf, bleibt aber stellenweise zu sehr an der Oberfläche. Ich hätte mir manchmal noch mehr Tiefgang gewünscht und auch einen ausführlicheren und tiefer gehenden Austausch zwischen Jakob und Bella. 

Der Roman bietet insgesamt eine interessante und lesenswerte Geschichte, die zum Nachdenken anregt und mich dazu gebracht hat, über meine eigene Familie und das, was letztlich bleibt, zu reflektieren.

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Veröffentlicht am 18.07.2024

Leider enttäuschend

Elsie und das Karibu
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Elsie ist 10 Jahre alt und lebt mit ihrem Vater und ihrer älteren Schwester Desiree zusammen, ihre Mutter ist aus nicht näher genannten Gründen seit Kurzem „verschwunden“. Bei der Wohnungsauflösung eines ...

Elsie ist 10 Jahre alt und lebt mit ihrem Vater und ihrer älteren Schwester Desiree zusammen, ihre Mutter ist aus nicht näher genannten Gründen seit Kurzem „verschwunden“. Bei der Wohnungsauflösung eines Bekannten der Familie, der ins Seniorenheim zieht, sucht sich Elsie den ausgestopften Karibukopf aus, der fortan an der Wand ihres Zimmers hängt und zu ihrer Überraschung mit ihr spricht. Als Elsie sich auf die Suche nach ihrer Mutter macht, steht ihr das Karibu mit Rat zur Seite.

Die Familiensituation wirkte von Anfang an sehr merkwürdig auf mich. Der Vater verschweigt, weshalb die Mutter „verschwunden“ ist, eine echte Kommunikation in der Familie findet nicht statt. Elsie sollte mit zehn Jahren alt genug sein, die Wahrheit zu verstehen, wenn sie ihr altersgerecht vermittelt wird. Die Figuren wirken allesamt sehr oberflächlich, so dass es mir schwerfiel, eine emotionale Beziehung zu ihnen aufzubauen. Elsie handelt derart naiv und unwissend, dass es für eine Zehnjährige äußerst unglaubwürdig wirkte und zunehmend nervig war. Sie wirkte auf mich wie eine Erstklässlerin. Mein Sohn, ebenfalls zehn Jahre alt, hat das Buch nach einem Drittel abgebrochen, da er Elsie zu „kindisch“ fand.

Leider wird nicht erklärt, warum das Karibu, das Elsie bereits seit Jahren kennt, plötzlich sprechen kann. Elsie nimmt das nach anfänglichem kurzem Erstaunen auch einfach so hin. Die Bemerkungen und Ratschläge des Karibus sind teilweise durchaus humorvoll formuliert, konnten die Geschichte letztendlich jedoch auch nicht retten.

Das Buch enthält einige schwarzweiße Zeichnungen, die leider ebenfalls nicht unseren Geschmack trafen. Sie wirken sehr flüchtig hingekritzelt und teilweise unpassend. So sieht der jugendliche Freund der Schwester wie ein Mann Mitte 40 aus.

Insgesamt hat das Buch unsere Erwartungen nicht erfüllt. Zehnjährige Kinder, die bereits an deutlich komplexere Geschichten mit intelligenten Charakteren und elaborierten Plots gewöhnt sind, werden mit diesem Buch leider deutlich unterfordert.

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Veröffentlicht am 23.05.2024

Leider enttäuschend und sachlich ungenau

Die kurze Stunde der Frauen
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Anhand der Kurzbeschreibung hatte ich eine tiefgehende, stichhaltig begründete und differenzierte Analyse der Lebensrealität der Frauen in der Nachkriegszeit und deren Auswirkungen auf das Geschlechterverständnis ...

Anhand der Kurzbeschreibung hatte ich eine tiefgehende, stichhaltig begründete und differenzierte Analyse der Lebensrealität der Frauen in der Nachkriegszeit und deren Auswirkungen auf das Geschlechterverständnis erwartet. Leider wurde ich enttäuscht. Miriam Gebhardt räumt zwar mit dem Mythos der Trümmerfrauen auf (dies ist allerdings nicht neu), bleibt aber analytisch doch sehr an der Oberfläche. Es fehlt ein stringenter roter Faden, und vieles wiederholt sich in den Kapiteln, zum Teil sogar wortwörtlich. Dem wichtigen Aspekt der Schuldfrage bzw. dem Unschuldsmythos der deutschen Frauen widmet sie leider nur ein kurzes Kapitel. Hier hatte ich mir eine deutlich ausführlichere Auseinandersetzung erhofft.
Auch mit Miriam Gebhardts Herangehensweise konnte ich mich nicht anfreunden. Besonders stört mich, dass sie von der aktuellen Warte der Emanzipation heraus urteilend auf die Frauen der Nachkriegszeit blickt. Dies klingt teilweise herablassend und geht für mich an der damaligen Lebensrealität der normalen Bevölkerung unmittelbar nach Kriegsende vorbei: „Der Lohn der Frauen war nicht die Karriere, nicht einmal die gleiche Bezahlung, wenn sie arbeiten gingen, sondern die Würdigung als Überlebenskünstlerinnen. Sie ließen sich davon überzeugen, dass sie beim Einkochen, beim Feilschen auf dem Schwarzmarkt und bei ihren viele km langen Märschen mit schweren Rucksäcken Bedeutendes leisteten.“ Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwa im Hungerwinter 1946/47 potentielle Karrieremöglichkeiten für die durchschnittliche Frau maßgeblich waren, und ich sehe ihre Leistung, die Familie unter widrigsten Umständen durchzubringen, durchaus als bedeutend an.
Einige Stellen klingen doch sehr bemüht feministisch, beispielweise wenn die Autorin den Umstand, dass zum Trümmerräumen Frauen vor allem dann zwangsverpflichtet wurden, wenn sie in der NSDAP oder anderen NS-Organisationen politisch aktiv waren, kommentiert mit: „Als müssten sie sich, weil sie sich vermeintlich männlich verhalten hatten, auch männlich im Ertragen der Sühnemaßnahme zeigen.“
Als wirklich ärgerlich empfinde ich, dass Gebhardt zur Unterstützung ihrer Thesen häufig einseitig argumentiert und dabei relativierende Fakten unter den Tisch fallen lässt. So schreibt sie beispielsweise: „Die jungen Frauen müssen die neuen Frauenpflichten, die das NS-Regime verordnet - wie den Reichsarbeitsdienst, den Sanitätsdienst oder Haushaltsausbildungen - in ihre Laufbahn einbauen.“ Hier suggeriert der Begriff „Frauenpflichten“ eine einseitige Belastung der Frauen, doch der Reichsarbeitsdienst ab 1935 galt für beide Geschlechter – er war für junge Männer verpflichtend und für Frauen bis 1939 freiwillig. An anderer Stelle heißt es: „Das Schicksal der oft vaterlos aufgewachsenen Frauen und der Kriegerwitwen, die meistens auf eine tragische Art und Weise miteinander verstrickt waren, stand den Babyboomern als Menetekel vor Augen. (…) Vor diesem Hintergrund – der Weitergabe von Einstellungen zwischen den Generationen – ist meines Erachtens die weltweit unvergleichlich hohe weibliche Teilzeitquote in Deutschland, sprich: die zögerliche Beteiligung der Frauen am Arbeitsleben, noch immer eine Folgeerscheinung der Nachkriegszeit.“ Hier bleibt unerwähnt, dass in Europa die weibliche Teilzeitquote heute in Österreich, den Niederlanden und der Schweiz deutlich höher ist als hierzulande. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der Neutralität der Schweiz im Zweiten Weltkrieg durchaus relevant, da es der These des Buches zuwiderzulaufen scheint. Ferner spielen für die „Beliebtheit“ der Teilzeitarbeit bei Frauen neben traditionellen Normen noch weitere Faktoren eine Rolle, etwa die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsrechts, der Sozialversicherung und die Möglichkeiten der Kinderbetreuung. Auch die Stundenzahl, die unter Vollzeit verstanden wird, variiert innerhalb Europas stark.
Ebenfalls deutliche Unstimmigkeiten weisen die Fallbeispiele im Buch auf. In Kapitel 5 bezieht sich Gebhardt auf ein Klassenbuch von Abiturientinnen aus dem Jahr 1932: Im Abschnitt „Hoch abgesprungen …“ schreibt sie zunächst, dass Ilse mit dem Tod ihres Mannes im Krieg fertigwerden musste. Später in „Verkäuferinnen“ steht jedoch, dass sich Ilse und ihr Mann nach dem Krieg aufgrund der langen Trennung auseinandergelebt hatten und sich dann trennten. Auch das Fallbeispiel um Bernhardine S. in Kapitel 9 weist bezüglich Alters- und Jahresangaben gleich drei Widersprüche auf. Diese Schludrigkeiten lassen bei mir Zweifel an der Sorgfalt der Quellenarbeit aufkommen. Ebenfalls sehr ärgerlich ist, dass in vielen Fallbeispielen die Quelle nicht wörtlich zitiert, sondern bereits zusammengefasst und interpretiert wiedergegeben wird. So kann ich mir als Leser*in kein eigenes Bild machen. In der Kurzbeschreibung ist davon die Rede, dass Gebhardt für dieses Buch „in bis dahin unerreichter Dichte Selbstzeugnisse von Frauen ausgewertet“ hat. Leider geht nirgendwo hervor, wie viele Quellen hierfür wirklich herangezogen wurden. Die Zahl der im Buch aufgeführten Fallbeispiele ist jedoch recht überschaubar.
Insgesamt bleibt das Buch weit hinter meinen Erwartungen zurück. Neue Erkenntnisse konnte ich kaum daraus gewinnen. Die Informationen zu den bekannten politisch prägenden Frauen wie Elisabeth Schwarzhaupt und den vier weiblichen Mitgliedern des Parlamentarischen Rates waren mir bereits bekannt. Aufgrund zahlreicher Unstimmigkeiten und vieler schwammiger und eher oberflächlicher Aussagen kann ich das Buch leider nicht empfehlen.

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