Profilbild von tinstamp

tinstamp

Lesejury Star
offline

tinstamp ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit tinstamp über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.08.2017

Stimmungsvoller Familienroman im Herzen Andalusiens

Ein Haus voller Träume
0

Hope, die Mutter unserer drei Hauptprotaginisten Tom, Jo und Lucy, war ein Kind der wilden Siebziger. Ein lebensfroher Freigeist, die nach ihrem viel zu frühen Tod drei Kinder von drei verschiedenen Vätern ...

Hope, die Mutter unserer drei Hauptprotaginisten Tom, Jo und Lucy, war ein Kind der wilden Siebziger. Ein lebensfroher Freigeist, die nach ihrem viel zu frühen Tod drei Kinder von drei verschiedenen Vätern hinterlässt. Diese kommen nun gemeinsam mit Hopes Freunden und weiteren Verwandten ins Haus ihrer Kindheit zusammen, um gemeinsam Abschied zu nehmen. In der "Casa de Suenos", Hopes Haus in Andalusien, soll statt den Begräbnisfeierlichkeiten eine Party gefeiert und anschließend Hopes Asche im nahegelegenen Wald vertreut werden. Danach soll das Haus, das für sie und ihre Kinder stets ein Domizil zum Träumen und Entspannen war, verkauft werden. Die Geschwister treffen nacheinander aus England, ihrer Heimat, wo auch Hope zuletzt von ihrer jüngsten Tochter Lucy gepflegt wurde, zur Hausstandauflösung ein. Nur Hope selbst, deren Urne Jo in ihrem Koffer gepackt hatte, ist am falschen Flughafen gelandet. Ob sie es noch rechtzeitig zu ihrer eigenen Abschiedsparty schaffen wird?

Nach und nach lernen wir Tom, Jo und Lucy näher kennen, die von der Autorin sehr liebevoll und authentisch gezeichnet wurden. Tom, dem der Lebensstil seiner Mutter immer ein Gräuel war und sein Leben gerne strukturiert hat, ist mit Belle verheiratet und hat zwei Söhne, Alex und Ethan. Belle ist eine nach außen hin sehr kontrolllierte Frau, die nicht wirklich herzlich zu sein scheint und der es sehr wichtig ist, die Fassade nach außen hin aufrecht zu erhalten.
Jo, die Zweitälteste, ist eine erfolgreiche, etwas chaotische alleinerziehende Mutter. Sie bedrückt schon immer, dass ihre Mutter ihr nie den Namen ihres leiblichen Vaters verraten hat und erhofft sich nun endlich Antworten. Ivy, ihre vierjährige Tochter, hat nicht nur das Herz ihrer Tante Lucy, sondern auch mein Herz sofort erobert.
Lucy ist der Nachzügler und stand ihrer Mutter besonders nahe. Sie hat auch die größte Bindung zur Casa de Suenos, wo sie den Großteil ihres Lebens verbracht hat. Ihre Ehe mit Art steht gerade an einem Wendepunkt. Die ungewollte Kinderlosigkeit und die gegensätzlichen Lebensverläufe (Art beginnt als Schauspieler gerade Karriere zu machen, während Lucy ihr Partyservice zugunsten der Pflege ihrer Mutter immer mehr vernachlässigt hat) hat die Beiden von einander entfernt.
Neben den drei Geschwistern und deren Ehepartnern gibt es jede Menge Nebencharaktere, die ich lange Zeit sehr schwer zuordnen konnte. Auch meinen Mitlesern in der Leserunde ging es ähnlich. Trotz der vielen Figuren ist der Roman nicht zu voll gepackt.

Für Hope, die man aus immer wieder eingestreuten Erzählungen kennenlernt, konnte ich keine Sympathie empfinden. Zu sehr stellt sie sich selbst immer wieder in den Mittelpunkt, lebt ihr Leben und ist keine echte Mutter für ihre Kinder. Auch verschwieg sie meiner Meinung vorallem Tom und Jo sehr wichtige Dinge, die einschneidend sind und Auswirkungen auf ihr weiteres Leben haben. Allen ihren Kindern fehlte die Stabilität im Leben. Vorallem Tom sehnt sich danach und kompensiert diesen Wunsch mit seinem geregelten und durchgeplanten Tagesablauf und dem nach außen hin perfekten Familienleben.

Obwohl Hope immer gerne im Mittelpunkt stand und für "ihre Party" einige Überraschungen für ihre Kinder bereithält, werden in diesem Roman keine brisanten und dramatischen Geheimnisse gelüftet, wie es oft in diversen Familiensagen passiert. Es geht eher um das Abschied nehmen und um den Familienzusammenhalt. Trotzdem gibt es einige verblüffende Wendungen und für den einen oder anderen Gast eine doch noch größere Überraschung.

Die Geschichte ist eher ruhig und warmherzig. Sie lebt vorallem von der Charakterstudie und der tollen Atmosphäre. In der Mitte kommt es jedoch zu einigen Längen. Obwohl sich die Handlung nur über vier Tage erstreckt, erlebt man ein intensives Wochenende, bei dem jede Menge Konflikte ausbrechen.
Am Ende hat man allerdings das Gefühl, dass nur wenige davon gelöst wurden und einige Handlungsstränge offen bleiben.

Schreibstil:
Der sehr atmosphärische Schreibstil, von der mir noch unbekannten Autorin Fanny Blake, hat mir sehr gut gefallen. Die andalusische Landschaft wird sehr bildhaft dargestellt. Auch die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und sind sehr lebensecht mit ihren Ecken und Kanten. Die Atmosphäre und die Beschreibung der Casa de Suenos, dem Haus voller Träume, sind lebendig und voller Flair.
Die Kapitel erzählen abwechselnd von Tom, Jo oder Lucy und deren Erlebnissen und Gefühlen.


Fazit:
Ein leiser Roman mit viel Atmosphäre, der innehalten und das eigene Familienleben reflektieren lässt. Die Längen in der Mitte haben das Leseerlebnis leider etwas getrübt. Ansonsten ein sehr stimmungsvoller Roman, der noch ein bisschen Potential gehabt hätte.

Veröffentlicht am 12.07.2017

Ein Food Truck namens Nancy

Sommer in der kleinen Bäckerei am Strandweg
0

Nach fast einem Jahr durfte ich wieder auf die Gezeiteninsel nach Mount Polbearne reisen und mit Polly, Huckle und meinem Lieblingsvogel Neil Zeit verbringen.
Schnell tauchte ich wieder in der Geschichte ...

Nach fast einem Jahr durfte ich wieder auf die Gezeiteninsel nach Mount Polbearne reisen und mit Polly, Huckle und meinem Lieblingsvogel Neil Zeit verbringen.
Schnell tauchte ich wieder in der Geschichte ein, doch obwohl mich der Schreibstil von Jenny Colgan schon im ersten Buch überzeugen konnte, sprang der Funken diesmal nicht ganz über.

Polly hat sich in Mount Polbearne gut eingelebt und ist mit Huckle und Neil in den Leuchtturm eingezogen. Alles scheint perfekt zu laufen bis Mrs Manse, die Vermieterin der Bäckerei, stirbt. Nachfolger wird ihr Neffe Malcolm, der Pollys Ideen von gutem Backwerk nicht teilt und stattdessen effizient und billig arbeiten möchte. In Plastik verpackte Eclairs und Brötchen mit Ablaufdatum bis zum Nimmerleinstag sind da nur einige Ideen, die er umsetzten will. Es dauert nicht lange bis sich Malcolm und Polly in die Haare kriegen und sie schlussendlich kündigt. Bald sind Pollys Geldreserven aufgebraucht, der Leuchtturm gehört saniert und der Kauf eines Food Trucks verschlingt das letzte Pfund. Huckle will Polly helfen und geht zurück in die Staaten, um mehr Geld zu verdienen und sie zu unterstützen. Er versucht der Freundin seines Bruders Dubose auf der Farm unter die Arme zu greifen, die sein kleiner Bruder mit der ganzen Arbeit einfach hängen gelassen hat und stattdessen in der Weltgeschichte herumfährt. Zu guter Letzt taucht auch noch die Witwe von Tarnie in Mount Polbearne auf....

Polly war mir im ersten Buch sehr sympathisch. Leider konnte ich in diesem Band keine großartige Entwicklung bei ihr feststellen - im Gegenteil! Nachdem sie von Malcolm nur schikaniert wird und er alles versucht, dass sie mit ihren Backwaren keinen Fuß mehr auf die Insel setzen kann, wirkt Polly hilflos und verschüchtert. Wo bleibt die starke Frau aus dem ersten Band?
Polly kam mir im ersten Teil stärker vor und hatte mehr Durchsetzungsvermögen. Gegenüber von Malcolm ist sie so eingeschüchtert, dass es sogar mir, die sich auch nur schwer durchsetzen kann, zu bunt wurde. Sooo nett kann man doch gar nicht sein, dass man sich all diese Schikanen gefallen lässt! Polly versinkt in Selbstmitleid. Sie vermisst Huckle und Neil, den sie auf Anraten von Tierarzt Patrik wieder in die Papageienkolonie gebracht hat. Bis sie aus ihrer Lethargie erwacht, haben sich einige Längen in die Geschichte eingeschlichen.
Leider verliert auch Huckle an Sympathie. Er ist eigentlich ein netter Typ, doch die Beweggründe noch länger in seiner Heimat zu bleiben, konnten mich nicht wirklich überzeugen. Nicht nur die Entfernung, sondern auch die Unvernunft der Beiden, alles zu beschönigen und die Probleme nicht anzusprechen, beginnt sie immer weiter auseinander zu bringen. Der Kitschfaktor, der im ersten Band fehlte, kommt diesmal doch ein bisschen zum tragen.

Der Charme des ersten Teiles kann sich leider nur teilweise durchsetzen. Die Geschichte wirkt manchmal etwas plump und einige Dinge kennen wir schon aus Band Eins. Trotzdem kommt gerade an diesem Punkt, wo sich Pollys Schicksal wiederholt, wieder mehr Schwung in die Handlung. Einige unvorhersehbare Wendungen und die tolle Beschreibung des Lebens auf der Gezeiteninsel konnten ebenfalls punkten.
Ich werde sicherlich auch noch den dritten Band der Reihe rund um Polly, Huckle und Neil lesen, der in der Weihnachtszeit spielen wird.

Noch ein Tipp:
Man sollte zuerst "Die kleine Bäckerei am Strandweg" lesen, sonst könnte man mit den vielen Personen und deren Schicksale etwas überfordert sein!

Schreibstil:
Auch schon in Band 1 konnte mich Jenny Colgans flüssiger und sehr bildhafter Schreibstil überzeugen. Die Geschichte wird in der dritten Person erzählt und zu Beginn jedes Kapitels ist ein Leuchtturm abgebildet.
Die vielen facettenreichen Nebencharaktere bereichern den Roman und natürlich ist Neil, der Papageientaucher, wieder der Liebling aller, auch wenn er diesmal nicht so

Fazit:
Leider reicht Band 2 nicht an die süße Geschichte aus dem Vorjahr heran. Sie wirkt diesmal etwas plumper und kitschiger, aber für alle Freunde von Polly, Huckle und Neil liest sich auch "Sommer in der kleinen Bäckerei am Strandweg" nett und lädt zum Entspannen ein.

Veröffentlicht am 26.06.2017

Oxfords Geheimngesellschaften

Die Schule der Nacht
0

Bei diesem Buch hat mich die Inhaltsangabe wirklich sehr neugierig gemacht und so landete der Roman sehr schnell auf meiner Wunschliste. Ehrlich gesagt wusste ich aber nicht genau welchem Genre ich "Die ...

Bei diesem Buch hat mich die Inhaltsangabe wirklich sehr neugierig gemacht und so landete der Roman sehr schnell auf meiner Wunschliste. Ehrlich gesagt wusste ich aber nicht genau welchem Genre ich "Die Schule der Nacht" zuordnen sollte, denn alleine von der Beschreibung des Inhaltes konnte es sich um Fantasy/Mystery, als auch um Gegenwartsliteratur handeln. Auch die Frage, ob Jugendbuch oder Erwachsenenliteratur stellte sich.
Wer nun genauso neugierig ist wie ich, dem kann ich verraten, dass es sich hier eher um Gegenwartsliteratur im Erwachsenenbereich mit kleinen Mysteryelementen zum Ende hin handelt. Da ich eher kein Fantasyleser bin, war es für mich perfekt und stimmig. Ähnliche Elemente findet man auch in der "Diana & Matthew Trilogie" von Deborah Harkness. Für ausgesprochene Fantasyleser wird dieser Roman aber sicher eine Enttäuschung sein.

Unsere Protagonistin Cassandra, genannt Cassie, hat eine schwere Kindheit hinter sich. Nachdem ihre Mutter Selbstmord begangen hat, wuchs sie in verschiedenen Pflegefamilien auf. Erst ein mysteriösen Päckchen aus England rüttelt sie wach. Die Botschaft an ihre verstorbene Mutter lautet: »Du kannst dich nicht für immer vor der Wahrheit verstecken. Bitte komm zurück, und bring alles zu einem guten Ende.«
Dabei liegt ein Foto ihrer Mutter in der Robe der Raleigh University in Oxford. Um an diese priviligierte Universität zu gelangen, benötigt Cassie allerdings eine passende Schulausbildung. Sie gibt ihr verpfuschtes Leben auf und beginnt die Schule nachzuholen, bis sie zu den besten Studentinnen gehört. Ihr Ziel ein Auslandstipendium an der Raleigh University zu bekommen lässt sie nie aus den Augen, denn sie muss unbedingt herauszufinden, was diese mysteriöse Botschaft bedeuten soll und warum ihre Mutter England plötzlich verlassen und ihren Namen geändert hat. Mit Mitte Zwanzig hat Cassie ihr Ziel erreicht und erhält das begehrte Auslandssemester....
Ich muss zugeben, dass mir diese Erklärung, wie Cassie es doch noch nach England geschafft hat, etwas unglaubwürdig erschien. Da aber das Raleigh College eine fiktive Universität ist, drücke ich hier mal ein Auge zu.

Die Geschichte beginnt mit der Ankunft von Cassie in Oxford. Die junge Frau versucht sich einzuleben und die Abläufe an der Universität kennenzulernen. Anna A. McDonald führt dabei die Leser langsam in die Umgebung ein. Das Leben an der Uni wird sehr detailliert beschrieben und nimmt nur sehr langsam an Fahrt auf. Von Beginn an steht Cassie im Mittelpunkt und erst nach und nach lernt man weitere Charaktere kennen - genauso wie Cassie sich wohl selbst als neue Mitstudentin fühlen muss. Sie ist eine eher zurückgezogene junge Frau, die in ihrem Leben schon jede Menge erlebt hat. Immer ihr Ziel vor Augen forscht sie in alten Unterlagen und stöbert in Kellern und Bibliotheken. Erst nach und nach findet sie Anschluss. Ihre Mitbewohnerin Evie versucht sie in ihrem Freundeskreis zu integrieren, die alle der höheren Gesellschaftsschicht angehören. Hier lernt sie auch Olivia und ihren Kusin Hugo kennen, einen gut aussehenden jungen Mann mit einer dunklen Aura, von der sie zugleich angezogen und abgestoßen wird. Und sie hört das erste Mal von der Schule der Nacht, über die auch Evie ihre Abschlussarbeit schreiben möchte. Doch Cassie tritt mit ihren Nachforschungen auf der Stelle....leider nicht nur unsere Hauptprotagonistin, sondern an dieser Stelle auch der Leser.
Denn nach der Einführung begleiten wir Cassie nur während ihres Studiums an der Universiät und der Bibliothek, so dass sich immer mehr Längen einschleichen. Ich hoffte auf etwas mehr Spannung und Tempo.
Doch dann gibt es einen Paukenschlag und ab der Hälfte kommt nun endlich die erhoffte Dramatik auf. Es geschehen Dinge, die Cassandra in große Gefahr bringen. Die düstere Atmosphäre, die zuerst unterschwellig vorhanden ist, nimmt immer mehr zu und spannende Wendungen und unvorhersehbare Ereignisse ließen mich wieder zurück in die Geschichte finden. Die Geheimnisse rund um die Schule der Nacht, eine Geheimgesellschaft unter den Mauern des alten Colleges, in der Prestige, Ehre und Tradition über alles gestellt wird, werden spannend erzählt, aber erst im letzten Drittel richtig aufgegriffen. Eine Liebesgeschichte gibt es im Roman nicht, was ich gut fand, auch wenn es zwei Männer gibt, die Cassies Leben ein bisschen durcheinander bringen.
Der Roman hat seine Auf und Abs, hat mich eigentlich gut unterhalten, aber insgesamt fehlte mir jedoch das gewisse Etwas...

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, anschaulich und sehr bildhaft. Während Cassie sehr authentisch beschrieben wurde, blieben die anderen Figuren für mich eher blass. Punkten kann die Autorin allerdings mit einer sehr bildhaften Beschreibung der Orte und Umgebung. Ich hatte die Universität immer vor Augen, ebenso die unheimlichen unteriridischen Gänge oder die Parks und Gärten in den Cassie ihre Joggingrunden drehte.


Fazit:
Ein Roman, der erst ab der Hälfte an Fahrt aufnimmt. Die tollen Ortsbeschreibungen und die düstere Atmosphäre in der Erzählung hat mir gut gefallen, während der Rest ein bisschen auf der Stelle tritt. Meiner Meinung kamen die Geheimnisse rund um die Schule der Nacht etwas zu kurz, das Collegeleben wurde hingegen sehr detailliert beschrieben. Mich hat der Roman gut unterhalten, aber insgesamt fehlte mir das gewisse Etwas.

Veröffentlicht am 21.07.2024

Ich habe aufgehört ein Kind zu sein

Solito
0

Gleich vorab möchte ich sagen, dass Geschichten, wie diese von Javier Zamora sehr, sehr wichtig sind. Ich bin froh, dass ich seinen mühevollen Weg von El Salvador bis in die USA in Buchform miterleben ...

Gleich vorab möchte ich sagen, dass Geschichten, wie diese von Javier Zamora sehr, sehr wichtig sind. Ich bin froh, dass ich seinen mühevollen Weg von El Salvador bis in die USA in Buchform miterleben durfte. Meine eher mittelmäßige Bewertung bezieht sich auf die leider etwas mühsam lesbare Umsetzung, den trockenen Schreibstil und die Übersetzung bzw. die nicht vorhandene Übersetzung vieler spanischer Sätze und Phrasen.

Bereits der Einstieg gestaltete sich schwierig. Der autobiografische Roman wird aus der Sicht des erst neunjährigen Javier in sehr einfacher Sprache erzählt. Behütet wächst er bei seinen Großeltern auf. Seine Eltern sind bereits vor längerer Zeit aus El Salvador in die USA geflüchtet. An seinen Vater kann sich Javier nicht erinnern und doch fiebert er den Tag entgegen, an dem er sich selbst auf den Weg nach "la USA" machen darf. Bis Guatemala begleitet ihn sein Großvater, danach ist er auf sich alleine gestellt. Marcelo aus seinem Dorf soll sich dem Jungen annehmen, doch dieser hat keinerlei Interesse daran. So werden Cheno, Patricia und ihre Tochter Carla zur Javiers Ersatzfamilie, die ihn über Wochen begleiten, während seine eigene Familie nicht weiß, wo er sich gerade aufhält und ob er es schaffen wird.

Es gibt sehr viele Wiederholungen, die vorallem alltägliche Dinge bis ins kleinste Detail nacherzählen. Diese sind mit der Zeit ermüdend. Doch am meisten haben mich die vielen spanische Phrasen, Sätze und Wörter gestört. Sie werfen einem beim Lesen völlig aus dem Lesefluss. Es gibt kaum ein Kapitel ohne spanische Ausdrücke, die oftmals auch mit schulspanisch nicht ganz verständlich sind. Am Ende gibt es ein 17-seitiges Glossar, welches aber nicht alphabetisch geordnet ist, sondern nach Kapitel. Kommt ein Wort später erneut vor, findet es man deshalb kaum mehr. Sehr mühsam!
Diese unterschiedlichen spanischen Wörter (es werden landestypische Wörter, Redewendungen und Slang verwendet) werden auch in der Geschichte angesprochen, denn Javier und die anderen Menschen aus El Salvador sollen sich als Mexikaner ausgeben, haben falsche Pässe und müssen aufpassen mexikanisches Spanisch zu sprechen, wobei sie oftmals die Wörter gar nicht kennen.

Gerne hätte ich zu Beginn auch etwas über die politische Lage in El Salvador zu dieser Zeit erfahren und warum Javiers Eltern geflüchtet sind. Ein bisschen Vorahnung hatte ich durch den Roman von Isabel Allende "Der Wind kennt meinen Namen", die in ihrem letzten Roman in einem der drei Handlungsstränge ebenfalls eine Flucht aus El Salvador beschreibt.
Gefehlt hat mir auch eine Landkarte, die den langen Fluchtweg von El Salvador über Guatemala und Mexiko in die USA aufzeigt.

Der Roman lädt trotzallem sehr zum Nachdenken ein und erzählt ein Schicksal, welches viel zu viele Menschen am eigenen Leib erfahren müssen. Es ist schwierig dieses Buch zu rezensieren, denn es ist die wahre Fluchtgeschichte eines Kindes, welches von unzuverlässigen Schleppern illegal in die USA gebracht wird. Es zeigt die Strapazen und die Gerissenheit der Schlepper, die hier Kojoten genannt werden, sehr detailliert auf. Vorallem die Flucht durch die Sonora-Wüste, der ewige Durst und die wiederholten Versuche endlich über die mexikanische Grenze zu gelangen und auch im ersehnten "Gringoland" bleiben zu dürfen, bleiben haften und nehmen den Leser mit.

Für den Autor war "Solito" eine therapeutische Aufarbeitung.
Diesen Satz gebe ich euch noch mit: "Ich habe aufgehört ein Kind zu sein, als ich ging."


Fazit:
Ein sehr wichtiges Thema und umso aktueller, denn je. Trotzdem konnte mich das autobiografische Werk des mittlerweile 34jährigen Javier Zamora nicht so bewegen, wie erhofft. Durch die vielen Längen alltäglicher Dinge, aber vorallem die spanischen, oft landestypischen Sätze, die einem aus dem Lesefluss reißen, bleibt man schwer im Lesefluss.
Ein ganz wundervolles Buch zum Thema Flüchtlingsproblematik ist zum Beispiel "Vor uns das Meer" von Alan Gratz. Es ist zwar ein Jugendbuch und ebenfalls aus der Sicht von Kindern oder Jugendlichen geschrieben, aber diese Geschichten über Flucht zu unterschiedlichen Jahrzehnten berühren und bleiben in Erinnerung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.07.2024

Konnte mich nicht wirklich begeistern

Nächsten Sommer am See
0

Ich liebe Second Chance Geschichten und vorallem welche, bei denen man sich nach Jahren wiedertrifft oder sich vornimmt sich nach einer gewissen Zeitspanne wiederzusehen.
Mit Carley Fortunes Roman "Nächsten ...

Ich liebe Second Chance Geschichten und vorallem welche, bei denen man sich nach Jahren wiedertrifft oder sich vornimmt sich nach einer gewissen Zeitspanne wiederzusehen.
Mit Carley Fortunes Roman "Nächsten Sommer am See" erhoffte ich mir - nach dem Lesen des Klappentextes - genauso eine Geschichte.
Die bekam ich zwar auch, aber richtig mitreißen konnte mich die Story trotzdem nicht.

Fern hat vor Jahren ihr Elternhaus verlassen, um in Toronto auf eigenen Beinen zu stehen. Vorallem aber möchte sie nichts mit dem Ferienresort ihrer Mutter zu tun haben. Ihr Traum ist ein eigenes Café zu eröffnen. Doch der plötzliche Tod ihrer Mutter bringt ihre Pläne durcheinander, denn ihr wurde das Ferienresort am Smoke Lake vererbt. Fern erkennt, dass die romantischen Blockhütten, als auch das Hotel renoviert und außerdem ein neues Konzept erstellt werden muss, um wieder mehr Gäste anzulocken. Aber eigentlich will sie alles hinter sich lassen und das Ferienresort am liebsten verkaufen. Ihre Jugendliebe Jamie, der das Hotel inzwischen übergangsmäßig leitet, will jedoch nichts davon hören.
Als eines Tages ein Finanzberater vor der Tür steht, den ihre Mutter noch zu Lebzeiten engagiert hat, fällt Fern aus allen Wolken. Es ist Will Baxter, der Mann, der ihr das Herz gebrochen hat. Vor zehn Jahren hat sie einen ganz besonderen Tag mit ihm verbracht, doch das Versprechen sie ein Jahr später am Smoke Lake wiederzutreffen, hat er nicht eingelöst. Nun steht er neun Jahre später vor ihr...

Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Im Rückblick in die Vergangenheit erleben wir den 14. Juni vor zehn Jahren, an dem sich Will und Fern kennenlernen. Fern hat gerade ihr Studium abgeschlossen und jobbt in einem Café. Will ist ein idealistischer Künstler, der für das Café ein Wandgemälde malen soll. Von Beginn an sprühen die Funken und die Beiden verstehen sich auf Anhieb. Fern vertraut Will an, dass sie nicht nach Hause zurückkehren und im Familienresort mitarbeiten möchte. Auch Will erzählt ihr, dass er Künstler werden will und keinesfalls in einem Büro landen möchte. Außerdem stecken sowohl Will, als auch Fern, in einer Beziehung. Deshalb entschließen sie sich, in einem Jahr, genau am selben Tag, wiederzutreffen.
Diese Abschnitte in der Vergangenheit mochte ich sehr. Obwohl die beiden nur einen Tag miteinander verbringen, spürt man die Emotionen und das Knistern zwischen ihnen. Ich hätte Beiden so viel mehr gemeinsame Zeit gewünscht...

In der Gegenwart muss sich Fern entscheiden, ob sie dauerhaft an den Ort ihrer Kindheit zurückkehrt und das Lebenswerk ihrer Mutter und Großeltern fortsetzt oder es zu verkaufen und nach Toronto zurückzukehren. Als sie auf Will trifft, kommen die Empfindungen von früher hoch. Beide sind erwachsener geworden und nähern sich zaghaft wieder an. Doch die Frage warum aus dem Künstler und Freigeist Will, plötzlich ein Finanzberater wurde und er Fern vor neun Jahren so enttäuscht hat, steht immer im Raum und war auch nicht aus meinem Kopf zu bekommen. Was ist damals passiert?

Der Schreibstil ist flüssig und liest sich angenehm. Die Handlung plätschert jedoch sehr lange vor sich hin - ohne große Konflikte oder Dramen. Ich brauche keine große Dramatik, aber hier wartet man oft vergeblich auf etwas mehr Dynamik in der Geschichte. Die Handlung konnte teilweise nicht wirklich fesseln und meine Gedanken schweiften ab. Meiner Meinung nach, hätte man ruhig hundert Seiten streichen können.

Die Entwicklung der Handlung und auch der Spannungslevel waren leider nicht gut gelungen. Auch die Nebenfiguren bleiben blass. Dazu kommen noch Tagebuchaufzeichnungen von Ferns Mutter, die nicht wirklich zur Geschichte beitragen. Die im Klappentext angesprochene Mutter-Tochter-Beziehung und die Trauerbewältigung, die als roter Faden durch die Geschichte führen sollte, wird ebenfalls nur angerissen. Und das große Geheimnis, warum Will keine Beziehung mit Fern eingehen möchte, ist ausgesprochen enttäuschend. Ich verstand Wills Probleme nicht wirklich. Dabei hätte man aus dem Plot und der tollen Location viel Potential für einen großartigen Roman nehmen können.


Fazit:
Ein tolles Thema, denn ich liebe "Second Chance-Geschichten" und der Roman spielt noch dazu in Kanada. Leider hat die Geschichte so einige Längen und plätscherte oftmals nur vor sich hin. Während ich den Vergangenheitsstrang sehr mochte, fehlte es mir in der Gegenwart an Dynamik und einer fesselnden Handlung. Schade - für zwischendurch okay, aber das wars auch schon.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere