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Veröffentlicht am 27.03.2017

Ungewöhnlich, spannend, überraschend und ziemlich unkorrekt

Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte
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Der Titel ist ziemlich lang und ziemlich ungewöhnlich und enthält einige Wörter, die im normalen Sprachgebrauch eher selten benutzt werden: Huren und Taubensuppe.

Und so ungewöhnlich wie der Titel ist ...

Der Titel ist ziemlich lang und ziemlich ungewöhnlich und enthält einige Wörter, die im normalen Sprachgebrauch eher selten benutzt werden: Huren und Taubensuppe.

Und so ungewöhnlich wie der Titel ist auch das Buch.
Es geht um eine Familie und deren Freunde, die im Ruhrpott leben und eng mit dem sogenannten "halbseidenen Milieu" verbandelt sind.

Omma ist inzwischen zwar alt - aber noch recht fit im Kopf. Und sie führt mit einer Freundin eine Pension. Aber früher, da war Omma ein "heißer Feger", 5 Kinder von 3 Männern, und das alles unter 30. Und "Wirtschafterin" in einem Hotel - das aber ein Bordell war. Natürlich innerhalb der Sperrzone. Und die Mitzi, die war eine der Huren. Und die Mitzi konnte nie so richtig aufhören mit den Freiern - es gibt einfach zu viel Geld zu verdienen mit diesem Beruf.

Mit diesem Statement fängt es schon an, das politisch unkorrekte. Hier werden nur Huren beschrieben, die ihren Beruf freiwillig ausüben. So etwas gibt es doch eigentlich nicht, meint jedenfalls die Mitbewohnerin von Bianca. Und schon entspinnt sich ein großer Streit zwischen Bianca und ihrer Mitbewohnerin. Und die Mitbewohnerin zieht aus.
Und Bianca muss nun sehen, wie sie den zweiten Mietanteil hereinbekommt. Aber Bianca ist ja begabt. Glaubt sie jedenfalls. Sie hat ziemlich lustlos Germanistik studiert, wollte dann als Schauspielerin arbeiten, das hat nicht geklappt. Jetzt nennt sie sich "Designerin" und näht Seidenunterwäsche. Allerdings ist der Erfolg bisher bescheiden. Aber Bianca liebt Seide. Dabei ist sie doch eher mit Blick auf halbseidene Verhältnisse aufgewachsen. Bianca ist nämlich die Enkelin der Omma. Und die Mitzi, das war immer ihre "Wahl-Oma".

Aber nun zieht die Omma zu Bianca nach Kreuzberg, weg aus ihrem geliebten Ruhrpott. Das mit dem Mietanteil ist jetzt schon einmal geregelt. Und Biancas Vater zieht gleich hinterher.. Warum das alles? Und was passiert noch?
Das alles lässt sich sehr vergnüglich in diesem Buch nachlesen. Es wird übrigens auch spannend. Und Liebe gibt es auch. Echte - und die der Huren. Und es ist alles nicht nur leicht und witzig, sondern zwischendurch auch nachdenklich und traurig. Denn natürlich gibt es auch Gewalt. Auch bei Huren, die den Beruf freiwillig ausüben.


Habe mich selten so amüsiert, über die "Omma" (ja, natürlich mit zwei M), den Ruhrpottslang, die unsentimentale Schilderung des Huren-Alltags (Prostituierte scheint eher eine Schimpfwort zu sein als Hure...?). die tollen Milieuschilderungen (sowohl die über das Bordell als auch die über das auch so coole Kreuzberg). Und die nachdenklichen Zwischentöne, die schönen Bilder (so von wegen Seide und Glanz und das alles mit einer Omma im Versandhaus-Shirt mit Leopardendruck) haben das Lese-Vergnügen abgerundet.

Und nachher weiß man auch, was das schöne bunte Cover für eine Bedeutung hat.

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Veröffentlicht am 21.07.2024

Stilistisch sehr gut, konnte mich aber nicht komplett begeistern

Long Island
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Brooklyn von Colm Toibin hatte mich vor Jahren restlos verzaubert. Der Sprachstil, diese ruhige und doch eindringliche Geschichte. Deshalb wollte ich unbedingt Long Island lesen, denn dort begegnen wir ...

Brooklyn von Colm Toibin hatte mich vor Jahren restlos verzaubert. Der Sprachstil, diese ruhige und doch eindringliche Geschichte. Deshalb wollte ich unbedingt Long Island lesen, denn dort begegnen wir der Protagonistin aus Brooklyn wieder.

Eilis wohnt mittlerweile mit Mann und zwei Kindern auf Long Island in einem Haus, das von den Häusern der Schwiegerfamilie umzingelt ist. Und so fühlt sich Eilis auch manchmal, umzingelt, eingegrenzt und nur so halbwegs akzeptiert. Als sich dann herausstellt, dass Ihr Mann eine Affäre hatte und aus dieser ein Kind unterwegs ist, das bei der Familie ihres Mannes aufwachsen soll, flieht Eilis vor allem zurück in ihre Heimat Irland. 20 Jahre war sie nicht mehr dort und irgendwie scheint vieles unverändert. Auch Jim ist noch da, ihre Jugendliebe. Gibt es eine Chance auf einen Neubeginn? Denn da sind noch ihre beiden Kinder und ihre ewig quengelnde Mutter, eine geheime Affäre von Jim und überhaupt die ewig neugierige Bevölkerung der Kleinstadt. Raum für Dramen also. Auf den ersten Blick passiert aber zunächst gar nicht so viel, das ist aber nur gefühlt so, denn der Autor erzählt sehr speziell. Toibin ist quasi ein Meister der personalen Erzählung. Dadurch sind wir als Leser:innen den Protagonisten zwar irgendwie nahe, erfahren jedoch fast nichts über die Motivation ihrer Entscheidungen. Nichts wird analysiert, nicht psychologisch erläutert. Daher erscheinen die Protagonisten oft unentschieden, mutlos und passiv. Sind sie vielleicht gar nicht, aber das wird nicht deutlich. Das Lesen ist mir zwischendurch sehr schwer gefallen, denn scheinbar ging nichts voran. Allerdings muss ich ehrlicherweise sagen, dass dem Autor die Charaktere dadurch sehr menschlich und realistisch gelungen sind. So ist das Leben, so sind die Menschen. Manchmal hätte ich als Leser:in gerne mehr Mut, mehr Entscheidungen, mehr Neubeginn und vor allem mehr Erklärungen. Aber die bleibt uns der Autor weitgehend schuldig. Genauso, wie wir auch bei unseren Mitmenschen nie so ganz genau wissen, warum diese jenes tun und anderes lassen.

Leider bleibt vieles unklar und leider liest sich das Ende wie das Ende des Mittelteils einer Trilogie. Allerdings ist dabei nicht sicher, ob es überhaupt einen dritten Teil geben wird. Fazit: Sprachlich gelungen, interessante Konstellationen und lebensnahe Charaktere. Aber so richtig begeistert bin ich diesmal nicht von Colm Toibin.

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Veröffentlicht am 18.06.2024

Unterhaltsame Suche nach den familiären Wurzeln in Mexiko

Die Blumentöchter (Die Blumentöchter 1)
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Dieses Buch ist ideal als Ferienlektüre, nicht nur dann, wenn die Reise nach Mexiko gehen soll. Die junge Dalia ist in der Gärtnerei ihrer Großeltern in Cornwall aufgewachsen, mit Tanten, Onkeln ...

Dieses Buch ist ideal als Ferienlektüre, nicht nur dann, wenn die Reise nach Mexiko gehen soll. Die junge Dalia ist in der Gärtnerei ihrer Großeltern in Cornwall aufgewachsen, mit Tanten, Onkeln und Cousinen. Ihre Mutter ist bei der Geburt gestorben und der Vater war unbekannt. Allerdings taucht nach dem Tod der Großmutter ein Brief des Vaters auf, der ein völlig neues Licht auf die Geschichte wirft. Und Dalia macht sich auf nach Mexiko City und Chitzen Itza, um das Geheimnis um ihre Eltern zu lüften. Sie hat nur den Vornamen des Vaters "Ricardo" (ein wirklich sehr weit verbreiteter Name in Mexiko) und sie weiß, dass ihr Mutter als Studentin bei Ausgrabungen an den Maya Stätten war....
Es folgt eine unterhaltsame und stimmungsvolle Reise durch Mexiko auf der Suche nach Ricardo. Natürlich mit viel Flair, einigen hübschen Anekdoten und natürlich darf die Liebe nicht fehlen. Die Autorin schreibt gut und flüssig und hat anscheinend recht gut recherchiert (wenn ich auch persönlich den Eindruck hatte, das sie nicht vor Ort war, das kann aber täuschen... aber egal). Sehenswürdigkeiten, Lebenslust und Familienzusammenhalt in Mexiko werden recht realistisch dargestellt. Unrealistisch war allerdings die Tatsache, dass Dalia erst einmal mit Kriminellen mitgeht. Angehörige der Generation von Dalia nehmen ein Uber und lassen sich zu einem vorher gebuchten AirBnB fahren! Aber gut, wir lesen einen Unterhaltungsroman und der ist weitgehend gelungen, ich habe das Buch an einem Tag am Strand ausgelesen. Nein, nicht in Mexiko, ich war aber schon zweimal dort.

Der Roman ist der Auftakt einer mehrbändigen Saga über fünf Cousinen, die alle nach Blumen benannt sind. So ein wenig nach dem Rezept der "Schwestern-Reihe" von Lucinda Riley. Jedes Mal wird es einen anderen Schauplatz geben, denn die Familie ist sehr international. Außerdem geht es zwischendurch immer mal zurück zur beschaulichen Gärtnerei in Cornwall, also auch ein wenig Rosamunde-Pilcher-Feeling. Wird sicherlich erfolgreich. Ich werde in den nächsten Band auch hineinschauen.

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Sprachlich sehr gelungen, atmosphärisch sehr bleiern und diffus

Krummes Holz
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Krummes Holz, so heißt der inzwischen heruntergewirtschaftete Bauernhof, auf dem Jirka (der eigentlich Georg heißt, wie sein Vater) und seine Schwester Malene aufwuchsen. Es war keine glückliche ...

Krummes Holz, so heißt der inzwischen heruntergewirtschaftete Bauernhof, auf dem Jirka (der eigentlich Georg heißt, wie sein Vater) und seine Schwester Malene aufwuchsen. Es war keine glückliche Kindheit, kein Bullerbü auf dem Land, sondern es gab Verlust, Lieblosigkeit und Gewalt.
Die Mutter starb früh, da war Jirka sechs Jahre alt. Vorher war sie psychisch krank und in der Heilanstalt. Die Großmutter übernahm den Haushalt, sie war aber kein Mutterersatz, sondern kaltherzig und distanziert. Der Vater war sowohl ein schlechter Bauer als auch ein schlechter Vater. Dafür gab es wohl Gründe, die werden auch angedeutet - es bleibt jedoch alles ein wenig im Nebel. Wie vieles in diesem Buch. Jirka kehrt jedenfalls am Anfang des -Romans nach mehreren Jahren im Internat auf den Hof zurück und trifft auf eine demente Großmutter, einen abwesenden Vater und eine verbitterte Schwester. Nur der Sohn des ehemaligen Gutsverwalters, Leander, wirkt gesprächsbereit. Es passiert vordergründig zumindest am Anfang nicht so sehr viel, wie Blei die Atmosphäre. Dies wird sprachlich sehr gut dargestellt, die Autorin ist eine Meisterin darin, die passenden Worte und Beschreibungen zu finden. Allerdings macht es die Lektüre nicht gerade leicht. Mir persönlich war vorher bewusst, dass dies kein Unterhaltungsroman wird. Ich musste trotzdem öfter als gedacht unterbrechen, ruhen lassen, neue Kraft tanken. Obwohl es durchaus ein paar wenige schön-skurrile Szenen und etwas Hoffnungsschimmer gibt, muntert die Geschichte nicht gerade auf.
Allerdings zeigt sie sehr bildhaft, wie sich eine lieblose, schwierige Kindheit auf das spätere Leben und auf die Fähigkeit zu Liebe und Beziehungen auswirken kann.
Obwohl ich den Roman nicht ganz "rund" fand, würde ich 3,5 Sterne vergeben. Und auf jeden Fall ein neues Buch der Autorin lesen. Da gibt es ein riesiges Potential.

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Veröffentlicht am 10.07.2023

Toller Schreibstil - Mir persönlich aber zu viel Gewalt

Angst um Alafair
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"Wir haben Montana immer den 'letzten guten Ort genannt". Jetzt ist es wie überall anders auch. " (S. 37).

Diesmal spielt das Buch nicht im schwül-heißen Louisiana, wie die frühen Dave-Robicheaux-Krimis, ...

"Wir haben Montana immer den 'letzten guten Ort genannt". Jetzt ist es wie überall anders auch. " (S. 37).

Diesmal spielt das Buch nicht im schwül-heißen Louisiana, wie die frühen Dave-Robicheaux-Krimis, sondern im imposanten, landschaftlich wunderschönen Montana. Aber auch hier ist der Niedergang der USA offensichtlich. So wirkt es jedenfalls in diesem Roman (und es wird durch die Nachrichten nicht gerade widerlegt). Eine Gesellschaft voller Gewalt, Exzesse, Alkoholsucht, Rauschgift und voller kaputter Typen, die mit ihrem Leben nicht klarkommen und noch mehr kaputt machen. Dazu gewissenlose Superreiche und Polizisten, die auch nur Menschen sind bzw. tendenziell korrupt oder komplett frustriert von der ganzen Gewalt in ihrem Alltag.

So liest sich dieser Band der Krimireihe "Angst um Alafair" von James Lee Burke. Alafair ist die Adopivtochter des Kriminalpolizisten Dave Robicheaux, der selbst ein äußerst bewegtes Leben als Alkoholiker hinter sich hat. Normalerweise ermittelt er in Louisiana, diesmal ist er auf Urlaub bei einem Freund in Montana, mit Tochter und seinem Freund Clete sowie dessen Tochter Gretchen, die ebenfalls eine komplett kaputte Kindheit hatte.

Schon mal keine guten Voraussetzungen für einen Cosy-Crime. Das hatte ich auch nicht erwartet. Ich kenne ein paar der früheren Robicheaux-Romane und einen Texas Roman von James Lee Burke und weiß, dass hier harte Sachen passieren und der Kern immer die Sozialkritik ist. Dazu schreibt Burke phantastisch gut, plastisch, bildhaft und irgendwie zieht mich das normalerweise in einen Sog. Diesmal hat das nicht funktioniert. Dazu war vieles zu hart, zu gewalttätig und irgendwie war nicht genügend Positives da. Sozialkritik in Krimis soll eigentlich auf Missstände hinweisen, um damit Dinge zu ändern, Besserungen zu erreichen.

Das habe ich hier nicht gespürt. Der Autor hat die USA als komplett verrohte Gesellschaft dargestellt. Besserung? Ziemlich unwahrscheinlich. Wahrscheinlich hat der Autor recht. So ergeht es Staaten und Gesellschaften, die zu wenig soziale Absicherung, zu viel Ellbogenmentalität und ein seltsames Verständnis von "Freiheit" haben, die hier meist eher die Freiheit des Scheiterns bedeutet.

Habe ich mich die ersten 200 Seiten noch in den Sog der Erzählung ziehen lassen, habe ich die nächsten 250 dann nur noch quergelesen und dann aufgegeben. Ich konnte es nicht mehr ertragen. Es war mir zu negativ. Dafür kann der Autor ja eigentlich nichts, da es sicherlich realistisch ist. Aber mit den ganzen Problemen, die der Alltag in Deutschland so bringt, konnte ich mir das nicht antun. Und nein, die Auflösung wollte ich icht wissen. Die ist bei den James-Lee-Burke-Krimis nämlich gar nicht so wichtig.

Ich werde weiter Burke lesen, allerdings zunächst einmal die früheren Romane aus Louisiana. Mit ihrem schwül-heißen-stimmungsvollen Setting der Südstaaten. Als Dave Robicheaux zwar schon ziemlich gezeichnet war, sich aber noch wirklich für Lösungen einsetzte oder an die Menschlichkeit (zumindest ein wenig) glaubte.

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