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Veröffentlicht am 21.07.2024

Lügen und Geheimnisse

Die Sache mit Rachel
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Im Mittelpunkt von Caroline O´Donoghues Roman “Die Sache mit Rachel“ steht eine Frau namens Rachel Murray - als 21jährige Studentin und später in den 30ern als verheiratete Frau. Rachel studiert englische ...


Im Mittelpunkt von Caroline O´Donoghues Roman “Die Sache mit Rachel“ steht eine Frau namens Rachel Murray - als 21jährige Studentin und später in den 30ern als verheiratete Frau. Rachel studiert englische Literatur bei Dr. Fred Byrne, einem Spezialisten für viktorianische Literatur. Sie hat sich in den attraktiven verheirateten Mann verliebt und hofft, ihn bei einer Buchvorstellung in der Buchhandlung in Cork für sich zu gewinnen, wo sie einen Job angenommen hat, um ihr Studium zu finanzieren. Dort hat sie auch James Devlin kennengelernt, mit dem sie eine immer engere Freundschaft verbindet. James ist schwul, will es aber nicht zugeben. Fred Byrne stellt sein Buch über die irische Hungersnot im 19. Jahrhundert vor, aber die Dinge entwickeln sich nicht so, wie Rachel es sich gewünscht hätte. Sie lernt James Carey kennen und lieben, aber die Beziehung zerbricht bald wieder. Erst Jahre später werden sie sich in London wiederbegegnen.
Der Roman erzählt von Komplikationen und personellen Verflechtungen zwischen den zentralen Personen. Als zeitweilige Assistentin von Fred Byrnes Ehefrau muss Rachel mehrere Geheimnisse wahren und wird Opfer einer Verleumdung, die ihren Ruf ruiniert und sie zwingt, Cork zu verlassen. Niemand glaubt ihr, dass sie keine Affaire mit dem Professor hatte. Es geht in dieser Geschichte jedoch nicht nur um das ausschweifende Leben von jungen Studenten, sondern auch um Liebe und Freundschaft, Lügen und Verrat und nicht zuletzt um die Spätfolgen der großen Hungersnot, die Rezession von 2009/2010 und den langen Kampf irischer Frauen um das Recht auf Abtreibung. Es ist eine brillant erzählte Geschichte, die mich sehr beeindruckt und gefesselt hat. Eine absolute Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 06.05.2024

Jäger und Beute

Trophäe
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Ein durch Spekulationen sehr reich gewordener Amerikaner namens Hunter White reist nach Afrika, um durch das Abschießen eines Spitzmaulnashorns die Big Five vollzumachen. Dafür hat er seinem Freund Van ...


Ein durch Spekulationen sehr reich gewordener Amerikaner namens Hunter White reist nach Afrika, um durch das Abschießen eines Spitzmaulnashorns die Big Five vollzumachen. Dafür hat er seinem Freund Van Heeren eine beträchtliche Summe bezahlt. Paradoxerweise dient der Abschuss eines solchen Tiers dem Artenschutz, denn der Jagdführer Van Heeren investiert in den Tierschutz und bietet indigenen Stämmen Lebensraum. Die Buschmänner wurden einst von den Kolonialmächten von ihrem Land vertrieben und sind noch immer entrechtet und gefährdet. Die Jagdgesellschaft verfolgt das ausgewählte Tier, nur um schließlich festzustellen, dass ihnen Wilderer zuvorgekommen sind. Hunter ist wütend und frustriert. Dann bietet ihm sein Freund die Big Six an, d.h. gegen Bezahlung darf er einen jungen Einheimischen jagen. Hunter akzeptiert das Angebot, denn der Wunsch zu töten ist übermächtig. Dann wird die Geschichte spannend wie ein Krimi, denn Hunter wird durch einen Skorpion verletzt und selbst mit der Möglichkeit eines baldigen Todes konfrontiert.
Schoeters Roman ist packend geschrieben und hat mich sehr angesprochen, obwohl ich eigentlich kein Fan von Jagen und Töten bin. Ihr Buch ermöglicht einen ganz neuen Blick auf Afrika, seine Geschichte und seine aktuelle Situation und zeigt, dass wir uns endlich von postkolonialem Denken lösen müssen. Obwohl „Trophäe“ teilweise finster und brutal ist, ein Blick in menschliche Abgründe eben, sind die Naturschilderungen sehr anschaulich und beeindruckend, und auch die Charakterisierung der Figuren, vor allem von Hunter White, ist sehr gelungen. Selten hat ein Roman auf mich einen solchen Sog ausgeübt. Ich empfehle das Buch ohne Einschränkung.

Veröffentlicht am 05.05.2024

Eine Punjabi geht ihren Weg

Zuckerbrot
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In Balli Kaur Jaswals Roman “Zuckerbrot“ geht es um eine Sikh-Familie, die im Vielvölkerstaat Singapur lebt. Die 10jährige Pin besucht mit Hilfe eines Stipendiums eine christliche Schule, obwohl sie keine ...


In Balli Kaur Jaswals Roman “Zuckerbrot“ geht es um eine Sikh-Familie, die im Vielvölkerstaat Singapur lebt. Die 10jährige Pin besucht mit Hilfe eines Stipendiums eine christliche Schule, obwohl sie keine Christen sind. Pin liebt ihre Eltern und hat ein besonders gutes Verhältnis zum Vater, der in einem Hotel arbeitet. Sie müssen mit wenig Geld auskommen. Nur am Essen will die Mutter, eine hervorragende Köchin, nicht sparen. Die Einkäufe von Mutter und Tochter inklusive sorgfältiger Prüfung der Ware und Feilschen sind ein regelrechtes Ritual. Pins Mutter Jini leidet seit ihrer Jugend an einer rätselhaften Hautkrankheit, die sich unter Stress verschlechtert. Deshalb bezahlt sie als Vierzehnjährige einen Guru, den die Mutter verehrt und der sie heilen soll. Es kommt anders. Die Mutter spricht nie darüber, was damals geschah, aber hier scheint die Ursache für das schlechte Verhältnis zwischen der Mutter und der Großmutter zu liegen, die eines Tages bei der Familie einzieht. Von dem Tag an hat sie das Sagen, und mit dem häuslichen Frieden ist es vorbei. Auch das Verhältnis zum älteren Bruder der Mutter und seiner Frau, dem Fetten Tantchen, ist seit damals gestört. Er musste auf Vermittlung des Gurus eine unattraktive Frau heiraten, um die Familie zu entlasten. Auch die Schwägerin behandelt die Mutter ohne jeden Respekt. Pin will endlich erfahren, was zu diesem Familienzwist geführt hat.
Der Roman ist jedoch nicht nur eine Familiengeschichte über drei Generationen von Frauen, sondern zeigt auch, wie das Leben in Singapur 1967 und Anfang der 90er Jahre aussah. Da gab es allgegenwärtigen Rassismus, Ausgrenzungen durch das Kastensystem, ein dominantes Patriarchat und soziale Ungerechtigkeit. Auch Pin wird wegen ihrer dunklen Haut in der Schule gemobbt und schämt sich für ihre Armut. Sie zeigt jedoch trotz ihrer schwierigen Lebenssituation Stärke und ist entschlossen, ihren Weg zu gehen. Eine sehr lohnende Coming-of-Age-Geschichte mit einem exotischen Ambiente.

Veröffentlicht am 01.05.2024

Sehnsuchtsort Bretagne

Der Sommer, in dem alles begann
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In Claire Léosts Roman stehen drei Generationen von Frauen im Mittelpunkt, die in einem kleinen Dorf im Innern des Landes leben. Der Leser erfährt, was ihnen von 1944 bis in die Gegenwart widerfährt. ...


In Claire Léosts Roman stehen drei Generationen von Frauen im Mittelpunkt, die in einem kleinen Dorf im Innern des Landes leben. Der Leser erfährt, was ihnen von 1944 bis in die Gegenwart widerfährt. Da ist die 16jährige Schülerin Hélène, gerade zum ersten Mal verliebt in Yannick, der sich schon in jungen Jahren als Aktivist für die Erhaltung der bretonischen Sprache und Kultur einsetzt. Ihre Mutter kümmert sich um ihren schwerkranken Mann. Die Großmutter hat noch die Zeit des Zweiten Weltkriegs miterlebt, als die Bretagne von deutschen Truppen besetzt war und viele Männer starben oder verschwanden. In der Gegenwart tritt eines Tages Marguerite, eine Lehrerin aus Paris, ihre Vertretungsstelle im Ort an. Sie ist mit einem bekannten Schriftsteller verheiratet, der gerade unter einer Schreibblockade leidet. Sie sucht heimlich nach ihrer unbekannten Mutter, von der sie annimmt, dass sie in der Gegend lebt. Auch eine Frau aus dem Ort, die Witwe Tanguy, hat ein Geheimnis, über das sie nicht spricht. Sie war in Paris als Dienstmädchen beschäftigt, als sie von ihrem Arbeitgeber vergewaltigt wurde. Sie bekam ein Kind, das man ihr sofort nach der Geburt wegnahm, weil es angeblich gestorben war. Die Autorin führt diese Handlungselemente zu einer Geschichte zusammen, die zeigt, dass die traumatischen Erfahrungen der Vergangenheit für immer nachwirken.
Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, vor allem, weil es eine Bretagne zeigt, die man als Tourist oder als Leser der Krimis von Jean-Luc Bannalec nicht kennenlernt, denn hier geht es nicht um die malerischen Küsten, sondern um die touristisch weniger erschlossenen Teile der Provinz. Auch mit der sorgfältigen Charakterzeichnung, der sprachlichen Qualität und der Einbeziehung der kulturellen Aspekte hat mich der Roman überzeugt. Sehr empfehlenswert.

Veröffentlicht am 24.04.2024

Mit dem Fuchs fing alles an

Notizen zu einer Hinrichtung
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Der Serienmörder Ansel Packer wurde wegen seiner Taten zum Tode verurteilt und wartet auf seine Hinrichtung. Der Leser erlebt die letzten zwölf Stunden seines Lebens mit und erfährt seine Geschichte, ...


Der Serienmörder Ansel Packer wurde wegen seiner Taten zum Tode verurteilt und wartet auf seine Hinrichtung. Der Leser erlebt die letzten zwölf Stunden seines Lebens mit und erfährt seine Geschichte, auch aus seiner Perspektive. Daneben kommen auch Frauen zu Wort, die in seinem Leben eine Rolle spielten, zum Beispiel seine Mutter, die ihren gewalttätigen Mann verließ und ihre beiden kleinen Söhne zurückließ. Die Brüder wurden getrennt und sahen sich nie wieder. Ansel lebte in einer Pflegefamilie auf dem Land, der kleine Bruder wurde adoptiert. Außerdem lernt der Leser seine Ehefrau Jenny und ihre Zwillingsschwester Hazel kennen sowie die Polizistin Saffy, die als Kind ebenfalls auf der Farm lebte und von seinen Tierquälereien in Angst und Schrecken versetzt wurde. Sie hat frühzeitig erkannt, dass er als 17jähriger drei junge Mädchen getötet hat, deren Leichen lange nicht gefunden wurden. 20 Jahre später begeht er einen weiteren Mord und wird schließlich aufgrund ihrer Informationen überführt.
Die Geschichte wird auf verschiedenen Zeitebenen und aus wechselnden Perspektiven erzählt. So erfahren wir auch, dass der Täter ein Manuskript hinterlässt, in dem er sich Gedanken über das Gute und das Böse und die Vielzahl von Entscheidungen macht, die bestimmen, wie unser Leben verläuft und die zugleich alternative Lebenswege unmöglich machen. Diesen Ausführungen folgt der Leser mit großem Interesse genauso wie der Kritik der Autorin an der Tatsache, dass wir diese Bücher über Serienmörder lesen und davon fasziniert sind. Kukafka kritisiert auch die Todesstrafe und die Art und Weise, wie sie vollzogen wird. Mir gefällt, dass die Autorin auf detaillierte Gewaltdarstellungen verzichtet und ihr Roman sich dennoch spannend liest. Ich möchte nicht versäumen darauf hinzuweisen, wie gelungen in diesem Fall das Cover mit dem Fuchs ist, denn mit der Tötung des Fuchses und anderer Tiere auf der Farm fing alles an. Ich empfehle “Notizen zu einer Hinrichtung“ ohne Einschränkung.