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Veröffentlicht am 10.11.2017

Tolles Thrillerdebüt

Angstmörder
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Das Debüt des deutschen Autors Lorenz Stassen hat mich bereits ab der ersten Seite in Atem gehalten. Es geht spannend los, wobei der Leser dem Mörder direkt über die Schulter blickt und Zeuge eines eiskalten ...

Das Debüt des deutschen Autors Lorenz Stassen hat mich bereits ab der ersten Seite in Atem gehalten. Es geht spannend los, wobei der Leser dem Mörder direkt über die Schulter blickt und Zeuge eines eiskalten Mordes wird.
Danach lernen wir den ziemlich erfolglosen Anwalt Nicholas Meller kennen, der seine Arbeitstage in seinem Ein-Mann-Büro mehr an seiner Playstation, als mit aktuellen Fällen verbringt. Seine eher zwielichten Klienten stammen großteils aus Russland, da Meller deutsch-russisch-stämmig ist. Erst als sich Nina Vonhoegen bei ihm als Referendarin bewirbt, stellt sich auch bei Nicholas der Ehrgeiz ein. Nina ist eine toughe junge Studentin mit einem zurückgebildeten Arm. Sie kommt mit ihrer Behinderung relativ gut zurecht und beichtet Nicholas gleich zu Beginn, dass sie sich für seine Kanzlei entschieden hat, weil ihr Wohnort nicht weit entfernt ist und sie Zeit zum Lernen benötigt, die sie in der wenig frequentierten Kanzlei wohl zur Genüge haben wird. Doch die gewünschte Ruhe stellt sich nicht ein, denn die Beiden haben bald ihren ersten Mordfall. Meller soll als Pflichtverteidiger einen Mandanten übernehmen, den er schon einmal verteidigt hat. Dieser wird des Mordes an seiner Frau beschuldigt. Die Indizien sind eindeutig, doch er beteuert seine Unschuld. Nicholas und Nina versuchen mit Hilfe der Staatsanwältin Franka Naumann die Polizei zur Wiederaufnahme der Ermittlungen zu bewegen und die Beweislage zu entkräften. Dabei kommen sie der Wahrheit immer näher....

Nicht nur der Einstieg ist gelungen, sondern der gesamte Plot. Der Thriller ist temporeich, spannend und kann ein außergewöhnliches Duo vorweisen. Der Anwalt und seine Referendarin sind untypische "Ermittler" und auch die Behinderung Ninas ist für mich ein neues Thema. Die Charaktere haben Ecken und Kanten. Nicholas ist ein sympathischer, selbstironischer Mann, der zwischen Ehrgeiz und Faulheit hin- und herschwankt. Trotzdem versucht er immer alles was möglich ist für seine Mandaten herauszuholen. Zuhilfe kommen ihm dabei seine Kontakte zur russischen Mafia.
Nina hat trotz ihrer Behinderung Selbstvertrauen, viel Humor und bringt Nicholas auf die richtige Spur des Täters. Die anbahnende Liebesgeschichte hätte ich in einem Thriller nicht unbedingt gebraucht, passt aber für das letzte Drittel der Story hervorragend, um noch mehr Spannung zu erzeugen.
Der Täter ist äußert gewitzt und plant sehr vorausschauend. Er beobachtet seine Opfer lange, bevor er zuschlägt. Er ist ein Perfektionist und doch unterläuft ihm eines Tages ein Fehler...

Der Autor kann in seinem Debütroman mit überraschenden Wendungen und einem ansteigenden Spannungsbogen punkten. Zum Ende hin gibt es noch einen finalen Showdown, der mich das Buch nicht mehr aus der Hand legen ließ.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Lorenz Stassen ist packend und temporeich, die Kapitel sind eher kurz gehalten. Es wird größtenteils aus der Sicht von Nicholas in der Ich-Perspektive erzählt. Man erhält aber auch in einigen Kapiteln Einsicht in die Gedanken des Täters, als auch der Opfer. Letzteres hatte ich bis jetzt erst einmal bei einem Thriller und hat mit sehr gut gefallen, da man auch die zukünftigen Opfer besser kennen lernt und eine "Beziehung" zu ihnen aufbaut.

Fazit:
Ein neuer Autor am Thrillerhimmel, der mich überzeugen konnte. Für einen Debütroman große Klasse! Ich warte mit Spannung auf den nächsten Thriller aus der Feder von Lorenz Stassen und hoffe auf eine weitere spannende Geschichte mit Nicholas und Nina. Ich gebe 4 1/2 Sterne und lass noch Luft nach oben für den Nachfolger, der hoffentlich folgen wird.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Wiener Pendant zu Miss Marple

Tod an der Wien
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Von Beate Maly habe ich bereits viele ihrer historischen Romane gelesen. Im letzten Monat wurde nun ihr zweiter historischer Krimi "Tod an der Wien" veröffentlicht.

Obwohl ich den ersten Band "Tod am ...

Von Beate Maly habe ich bereits viele ihrer historischen Romane gelesen. Im letzten Monat wurde nun ihr zweiter historischer Krimi "Tod an der Wien" veröffentlicht.

Obwohl ich den ersten Band "Tod am Semmering" (noch) nicht kenne, fand ich ohne Probleme in die Geschichte.
Der Prolog, der zwanzig Jahre zuvor spielt, gibt tiefe Einblicke in das Schulsystem zur Jahrhundertwende. Im Internat werden die Jungen aus der Oberschicht für ihr späteres Leben ausgebildet und abgehärtet. Einige Lehrer greifen dabei jedoch zu unmenschlichen und grausamen Methoden. Bis es zu einem Unglück kommt...

Danach sind wir wieder in den Zwanzigern und begegnen der pensionierten Lehrerin Ernestine Kirsch und ihrem Freund, dem Apotheker Anton Böck. Ernestine ist ein großer Fan der Operettensängerin Hermine Egger, die am Theater an der Wien bei der Premiere der Operette "Die gelbe Jacke" (heute bekannt unter dem Titel: "Das Land des Lächelns") die Hauptrolle singen wird. Gemeinsam mit Anton möchte sie die Veranstaltung besuchen und zuvor für die kleine Rosa noch ein Autogramm holen. In den Garderoben angekommen wird Ernestine Zeugin eines Streites zwischen Hermine Egger und ihrer Zweitbesetzung. Kurze Zeit später ist Hermine Egger tot.....

Die beiden Hauptcharaktere sind einfach wundervoll. Sie besitzen den typischen Wiener Charme und in ihrer Neugierde erinnerte mich Ernestine Kirsch an ihr englisches Pendant, Miss Marple. Die quirlige ehemalige Lehrerin steckt ihre Nase mit oft entwaffneten Charme in Dinge, die sie eigentlich gar nichts angehen. So erfährt sie immer wieder Einzelheiten, die ihr bei ihren Nachforschungen behilflich sind. Denn Ernestine ist davon überzeugt, dass Hermine Eggers Tod kein Unfall war. Als auch die Hausmeisterin des Theaters umkommt, beginnt sie auf ihre eigene Weise zu ermitteln. Ernestine hält die beiden Todesfälle keineswegs als Zufälle, wie die zuständige Polizei, die die beiden Unfälle bereits ada acta gelegt hat. Zwischen Apfelstrudel und Wiener Melange ermitteln Ernestine und Anton im Umfeld des Theaters und die Verdächtigen sind gar nicht so wenige.

Das Wiener Ambiente hat die Autorin atmosphärisch und identisch eingefangen. Die Örtlichkeiten des alten Wiens sind sehr detailreich und bildhaft beschrieben. Man spürt das Lebensgefühl der damaligen Zeit zwischen den Zeilen. Es ist die Nachkriegszeit und die Menschen suchen Zerstreuung. Theater und Operetten gaukeln ihnen eine heile Welt vor, in die sie sich gerne flüchten, während das Geld immer mehr an Wert verliert. Kriegswitwen versuchen über die Runden zu kommen, während die gehobene Schicht bereits wieder in Luxus schwelgt. Ebenso lässt uns die Autorin an der damaligen Schulreform eines Otto Glöckels, sowie die ersten Ansätze einer Maria Montessori, die die im Prolog erwähnten Zustände ersetzen sollen, teilhaben.
Hungrig sollte man das Buch ebenfalls nicht lesen, denn Anton ist ein Genussmensch. Er liebt es zu kochen und zu essen. Und so werden einem Torten, Kuchen und andere Wiener Spezialitäten rund um die Uhr vorgesetzt. Meinem Guto auf Apfelstrudel bin ich spätestens nach der ersten Hälfte erlegen...

Die Auflösung hat mir gut gefallen und ist logisch. Dabei stört es überhaupt nicht, dass einige Aspekte offen bleiben.

Schreibstil:
Beate Maly schreibt lebendig, kurzweilig und mit viel Wiener Charme. Die Kapitel sind kurz gehalten und man fliegt nur so durch die Seiten. Überraschende Wendungen erhalten die Spannung.
Der Krimi lebt hauptsächlich von den großartigen Figuren mit ihren unverwechselbaren Charakteren. Die Krimihandlung bleibt deswegen manchmal ein bisschen auf der Strecke, was allerdings nicht stört. Auch die Nebencharakrtere sind wunderbar gezeichnet und ich konnte mir alle Figuren bildhaft vorstellen.

Cover:
Ein paar Worte muss ich noch zum eleganten Cover verlieren, das hervorragend zum ersten Teil passt und genauso wunderschön mit Jugendstilelementen verziert ist. Hier hat sich der Emons Verlag selbst übertroffen.

Fazit:
Ein klassischer Krimi mit viel Wiener Flair und einer charismatischen Schnüfflerin, die Miss Marple in nichts nachsteht. Kurzweilig und mit viel Lokalkolorit hat mich Beate Maly auch im Krimi-Genre überzeugt!

Veröffentlicht am 03.11.2017

Wenn Unrecht geschieht

Blutföhre
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Bewertung: 4 1/2 Sterne

"Im Schloss in Friedberg überdauert ein 800 Jahre alter Baum die Zeit: Die Blutföhre. Sie wächst, wenn großes Unrecht sich ereignet – wie einst im Jahre 1268" - Monika Pfundmeier

Rund ...

Bewertung: 4 1/2 Sterne

"Im Schloss in Friedberg überdauert ein 800 Jahre alter Baum die Zeit: Die Blutföhre. Sie wächst, wenn großes Unrecht sich ereignet – wie einst im Jahre 1268" - Monika Pfundmeier

Rund um diese Legende hat die Autorin ihren Roman aufgebaut. Dabei verwendet sie historische Personen, wie Herzog Ludwig II. von Bayern, der auch "der Strenge" genannt wurde, wie auch fiktive Figuren.
Den Beinamen hat Ludwig nicht umsonst erhalten, denn er ließ einst seine erste Gemahlin hinrichten. Sein Plan seinen Neffen Konstantin, der Letzte aus dem Geschlecht der Staufer, zum Königstitel zu verhelfen, möchte er mit einem Feldzug nach Italien durchsetzen. Natürlich erhofft auch er sich einige Vorteile davon.
Graf Ulrich von Mehring, sein Vasalle und Berater, rät ihm vom Vorhaben ab und lässt in dem cholerischen Ludwig den Verdacht aufkommen, dass Ulrich gegen ihn intrigiert. Doch Ulrich hat ganz andere Probleme. Ein Raubritter mordet sich durch die Wälder und Dörfer der Gegend und überfällt immer wieder Fremde, aber vorallem die Dörfler, die ihren Pachtzins abgeben müssen. Dieser Strauchdieb sinnt allerdings auf Rache, die sich gegen Ulrich wendet.
Doch Ludwig will weder auf seinen Berater hören, noch ihn unterstützen. Er misstraut ihm immer mehr. Seine eigenen Ziele sind dem Wittelsbacher wichtiger und lässt ihn blind werden gegenüber den Nöten der Menschen im Umland. Ulrich hingegen möchte sein Land sichern und stellt sich gegen den Feldzug. Außerdem ist auch seine zukünftige Braut Agnes mit ihrer Familie auf den Weg durch die Wälder, die zu den Feierlichkeiten auf Schloss Friedberg unterwegs sind. Ulrichs Feind hat bereits einen fiesen Plan....

Der Einstieg gestaltete sich auch für mich als Liebhaber historischer Romane zuerst ein bisschen schwierig. Der außergwöhnliche Schreibstil war anfangs doch etwas gewöhnungsbedürftig. Doch bald war ich mitten in der Geschichte und gefangen von den Ränkespielen um Macht, Rache und Liebe.
Die widerspenstige Agnes, deren erster Ehemann noch in der Hochzeitsnacht verstarb und der Mehringer, denken beide nicht daran sich wiederzuverheiraten. Doch die Befehle Ludwigs sind unumstößlich. Die intrigante Hofdame Cäcilia, die auch bei Ludwig ihre Vorzüge gekonnt einsetzt und der verstoßene Hans von Eurasburg, ein verarmter Adeliger, kämpfen ebenfalls darum, ihre eigenen Pläne druchzusetzen. Da geschieht ein Mord...

Die letzten 200 Seiten hatte ich einem Rutsch durch, denn ich konnte nicht aufhören zu lesen. Der Spannungsbogen steigt so rasant an, dass ich den Roman nicht mehr aus der Hand legen konnte. Hat man sich an den außergewöhnlichen Schreibstil gewöhnt und in die atmosphärische Geschichte gefunden, möchte man nicht mehr aufhören zu lesen.

Schreibstil:
Monika Pfundmeier verwendet für ihren Roman rund um die Legende der Blutföhre die Sprache der damaligen Zeit. So wirkt die Geschichte besonders authentisch und man fühlt sich wie inmitten dieser dunklen Zeit. Bereitet der altertümliche und anspruchsvolle Schreibstil anfangs noch ein paar Probleme, ist man sehr schnell gefangen von der Atmosphäre und dem Leben im Mittelalter. Die Charaktere sind sehr lebendig und bildhaft beschrieben. Besonders die aufgeweckte Agnes habe ich sehr schnell ins Herz geschlossen. Der Spannungsbogen rund um den Raubritter und seiner Rache an Ulrich steigt immer mehr an. Das tragische Ende lässt einem sprachlos zurück....aber eine Legende kann man leider nicht umschreiben.

Fazit:
Ein sehr spannender und außergewöhnlicher historischer Roman über eine Legende, die Jahrhunderte überdauert. Eine Geschichte über Macht, Intrigen und Rache, die ein ganz besonderes Flair besitzt. Für Liebhaber des historischen Genres eine Leseempfehlung! Für Anfänger eher ungeeignet...

Veröffentlicht am 03.11.2017

Die Vorboten des Krieges

Das letzte Jahr
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In diesem kleinen Büchlein mit 152 Seiten steckt sehr viel Inhalt. Man erlebt die Gedanken eines neunjährigen Mädchens, während sich die Welt im Umbruch befindet.

1938: Für Elfi ist es ganz normal in ...

In diesem kleinen Büchlein mit 152 Seiten steckt sehr viel Inhalt. Man erlebt die Gedanken eines neunjährigen Mädchens, während sich die Welt im Umbruch befindet.

1938: Für Elfi ist es ganz normal in ihrem kleinen Dorf in Mähren gemeinsam mit Tschechen, Juden und Deutschen aufzuwachsen. Vor nicht allzu langer Zeit gehörte Mähren noch zu Österreich. Jetzt ist in Wien Hitler einmarschiert und Österreich gehört zur Ostmark und ihr Dorf Tarowitz wurde böhmisch. Marschenka, das Dienstmädchen der Familie stammt aus dem Nachbardorf Klein Tarowitz (Tarowitschky), wo großteils nur Tschechen leben. In Groß Tarowitz leben wiederum mehr Deutsche. Für die Kinder der Region ist dies kein Problem und man verständigt sich auch ohne große Probleme. Auch ihre Eltern sind liberal eingestellt und vermitteln Elfi, dass es egal ist. welcher Herkunft man ist. So kauft auch die Mutter ihren Lieblingsschinken bei Frau Hirsch, einer Jüdin und das Brot bei der Bäckerei Plicha, die einen Deutschen gehört.

Ilse Tielsch beschreibt in wunderbar authentischer Sprache aus der Ich-Perspektive über das Leben der neunjährigen Elfi. Dabei ist die Sprache angepasst, aber nicht zu kindlich. Man hat das Gefühl das Mädchen erzählt in einer Art Tagebuch von ihren Gedanken, Wünschen und Zielen. So sieht der Leser die Welt mit den Augen eines Kindes. Oft musste ich schmunzeln über ihren Ideenreichtum oder die Gedankengänge, die sie hat. Ich fühlte mich wieder als Kind und habe auch einige Parallelen aus meiner Kindheit zu der von Elfi entdecken können.
Noch ist ihr Leben in Ordnung. Sie wächst behütet auf und hat keinerlei Vorurteile. Am liebsten fährt sie mit ihrem roten Fahrrad hügelauf- und abwärts und versucht sich an diversen Kunststücken. Elfi träumt vom Zirkus oder davon mit dem Schiff über den Ozean zu fahren und nach Amerika auszuwandern. Durch ihre Liebe zu Bücher und den Romanen von Karl May interessiert sie sich für das Leben der Indianer. Mit ihren Freundinnen Lilli, einer Jüdin und Alenka, einer Tschechin, erlebt sie noch einen unbeschwerten Sommer. Und doch gibt es bereits dunkle Wolken am Himmel. Lilli und ihre Familie sind eines Tages verschwunden. Auch die jüdischen Geschäfte sind plötzlich geschlossen. Deutsche und Tschechen kaufen nur mehr bei ihresgleichen ein. Die Eltern verhalten sich immer ängstlicher und seltsamer und ihre Mutter beachtet sie kaum mehr. Elfi ist verwirrt und fühlt sich einsam. Warum sind ihre Eltern nicht mehr fröhlich? Warum kommt Lilli nicht zurück? Es wird das letzte Jahr einer unbekümmerten Kindheit sein...

Ilse Tielsch hat in diesem wunderbaren Roman einige Erlebnisse aus ihrer Kindheit verarbeitet und in einem bezaubernden Schreibstil, der einem direkt in die kindliche Seele blicken lässt, wiedergegeben. Trotz des eher beklemmenden Themas schreibt die Autorin mit viel Humor und sehr identisch aus kindlicher Sichtweise.

Fazit:
Trotz der wenigen Seiten ein berührendes Buch mit viel Inhalt. Man erlebt die tiefbewegenden Gedanken eines Kindes, das den Umbruch der Gesellschaft bis zum Kriegsbeginn miterlebt. Durch den authentischen Schreibstil und einer kleinen Prise Humor wird das schwierige Thema aus kindlicher Sichtweise leichtfüßiger beschrieben.

Veröffentlicht am 16.10.2017

Glaubst du an das Schicksal?

Der Herzschlag deiner Worte
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Glaubst du an das Schicksal? Nein? Nach der Lektüre von Susanna Ernsts neuem Roman denkst du sicherlich anders darüber!
Gleich zu Beginn der Geschichte gibt es einen Knalleffekt. Vincent erleidet am Golfplatz ...

Glaubst du an das Schicksal? Nein? Nach der Lektüre von Susanna Ernsts neuem Roman denkst du sicherlich anders darüber!
Gleich zu Beginn der Geschichte gibt es einen Knalleffekt. Vincent erleidet am Golfplatz einen Herzinfarkt. Doch er ist (noch) nicht tot, sondern beobachtet von oben die Vorgänge rund um ihn herum. Mehr jedoch verwirrt ihn, dass er weder ins Leben zurückkehrt, noch endgültig stirbt, sondern fortan seinen Sohn Alex begleitet...sozusagen als eine Art Geist, der über ihm schwebt.
Ich mag übersinnliche Geschichten nicht wirklich, aber mit diesem "Blick von oben" und einzelnen Rückblenden in Vincents Vergangenheit bis hin zum überraschenden Schluss, ist dieses Stilmittel von der Autorin perfekt gewählt.
Nach dem Vorfall am Golfplatz schwenken wir vom Jahr 2015 zurück ins Jahr 2013. Alex steht vor einer großen Karriere als Musiker, als ihm das Schicksal ein Ei legt und er seinen Platz in der Band - just als diese Erfolge zu feiern beginnt - für einen anderen Gitarissten freigeben muss.
Auch Maila hat ein großes Geheimnis und verarbeitet ihre Probleme in ihren Romanen, die ziemlich erfolgreich sind. Bis sich die Beiden treffen werden, dauert es allerdings etwas.

Beim Begräbnis seines Vaters lernt Alex seine Tante Jane endlich persönlich kennen. Sie ist seine Patentante, aber als Alex heranwuchs, verlor sich der Kontakt. Jane ist schwerkrank. Sie leidet seit Jahren an ALS. Trotz ihrer unheilbaren Krankheit strahlt Jane eine Lebensfreude aus, die einfach imponiert.
Nach und nach lernen wir auch Alex, Jane, Maila und Alex Schwester Cassie, sowie seinen Vater Vincent, besser kennen. Die Zeiten wechseln dabei von der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück, was allerdings nicht verwirrt, sondern Stück für Stück das gesamte Puzzle zusammensetzt und letztendlich ein großes Geheimnis offenbart. Das Ende hält noch eine überraschende Wendung bereit.
Der Roman ist aber nicht nur eine Geschichte über die Liebe zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen Eltern und ihren Kindern. Sie zeigt auf, wie schwierig es oft ist, die richtigen Entscheidungen zum Wohle des Kindes zu treffen, ohne Rücksicht auf sich selbst. Hier stellt sich auch die Frage, ob ich mein Leben von außen bestimmen lasse oder ob ich selbst Verantwortung übernehme. Obwohl hier viele traurige Themen aufgegriffen werden, ist der Roman voller Gefühl und Lebensfreude.

Die Charaktere sind liebenswert und authentisch. Gefallen hat mir, dass wir es hier mit einem männlichen Hauptprotagnisten zu tun haben, der allerdings aus der Feder einer Frau stammt. Da ich selbst kein Mann bin, kann ich jetzt nicht beurteilen wie identisch Susanne Ernst Alex geschaffen hat ;), aber ich fand ihn richtig toll. Man fühlt sich inmitten ihrer Figuren einfach wohl.

Schreibstil:
Wie auch schon in ihren anderen Romanen, die ich bereits von der Autorin gelesen habe, nahm mich der emotionale und bildhafte Schreibstil sofort gefangen. Man hat beim Lesen oft das Gefühl, dass man gar nicht so schnell lesen möchte, um den Roman einfach genießen zu können. Auch in diesem Buch erzählen die Protagonisten abwechselnd aus ihrer Sicht der Dinge. Dazu gibt es in kursiver Schrift noch Gedanken und Rückblenden von Vincent, Alex Vater.

Fazit :
Ein bewegender Roman voller Emotionen und Überraschungen, der aber auch zum Nachdenken anregt. Gefühlvoll, mit wunderbaren Charakteren und der Frage, ob das Schicksal unser Leben in den Händen hält...
Ein weiterer großartiger Roman der Autorin und eine Leseempfehlung!