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Veröffentlicht am 26.07.2024

Der Jäger und seine Beute

Trophäe
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Hunter White reist nach Afrika, um seine Big Five vollzumachen, indem er ein Nashorn tötet. Der reiche Amerikaner hat eine Lizenz gekauft und kann es kaum fassen, als Wilderer das Tier erschießen und verstümmeln. ...

Hunter White reist nach Afrika, um seine Big Five vollzumachen, indem er ein Nashorn tötet. Der reiche Amerikaner hat eine Lizenz gekauft und kann es kaum fassen, als Wilderer das Tier erschießen und verstümmeln. Die Enttäuschung ist riesig, zudem hat er diese besondere Trophäe seiner Frau versprochen. Als sein Gastgeber und Freund, der Jagdleiter und Berufsjäger Van Heeren, von den Big Six erzählt und ihm ein unmoralisches Angebot macht, überlegt Hunter nicht lange und sagt zu.

„Sein ganzer Körper ist in Alarmbereitschaft, alle Sinne sind bis zum Äußersten angespannt; all der Ballast der Zivilisation fällt von ihm ab. Das hier, das spürt er, bedeutet leben. Hier, die Gefahr zum Greifen nahe, kann er sein, wer er wirklich ist. Er, Hunter, Mann.“ (Seite 27)

Bereits nach wenigen Seiten bin ich im Buch versunken, vergesse die Zeit, vergesse alles um mich rum. Fasziniert und angewidert folge ich Hunter auf seiner Jagd, höre seine Gedanken und lausche seinem Atem. Ich bin mittendrin, der großartige Schreibstil macht es mir leicht, schleiche durch das Dickicht, halte die Luft an, erstarre und schaue mich voller Angst um. Da war doch ein Knistern, eine Bewegung, war da nicht gerade ein Ruf? Ein Heulen von hinten, ein Knurren von vorn, diese Büsche leben, dieser Ast ist gar nicht krumm. Um mich herum keucht und kreucht es, der Nervenkitzel bringt mich fast um, jetzt schnell nach den Fährtensuchern schauen und weiter gehts auf der Jagd nach ihm, dem Gejagten, der Beute, dem prähistorischen Wesen, das Hunter sucht.

Selten hat mich ein Protagonist so zerrissen, ich fühle mich von ihm angezogen und abgestoßen zugleich. Von Kindesbeinen an zum Jagen erzogen, liegt ihm diese förmlich im Blut. Er spricht von Respekt, von Bewunderung und von Mut, dabei geht es um nicht mehr als das sinnlose Töten einer wehrlosen Kreatur. Wie man es dreht und wendet, ist diese Jagd einseitig und unfair, nur mit Glück ist der Ausgang ein anderer, aber auch dann endet es mit dem Tod. Das Angebot von Van Heeren gibt der Geschichte eine Wendung, die ich nicht erwarte, ich bin im ersten Moment wie gelähmt ob der Versuchung, der Hunter erliegt. Das Für und Wider ist schnell abgehandelt, schließlich geht es doch um die Ehre, die Jagd, den Ruhm und die Männlichkeit. So denkt er, der Amerikaner, der Reiche, der Jäger mit den Fingern voller Blut. Na, dann ist ja alles gut.

Dieses Buch hat mich eingefangen, geschüttelt, aufgerüttelt und lässt mich ermattet zurück. Noch auf den letzten Seiten gab es eine Steigerung; diese Sätze, diese Worte, wie schön kann Literatur bitte sein. Bis zuletzt kämpfte ich mit mir, wollte nicht weinen und tat es doch. Das Ende war so großartig, etwas anderes hätte auch ich mir nicht vorstellen können, wenn auch gewünscht. Eine Meisterleistung und ein weiteres Highlight war dieses Werk für mich. Lest es!

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Veröffentlicht am 22.07.2024

Schmerzhaft intensiv

Die schönste Version
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Zwischen Jella und Yannick ist es die große Liebe, die gemeinsame Wohnung die Krönung, Jella träumt bereits von mehr. Bis zu einem Vorfall, der alles ändert. Jella zieht zurück zu ihrem Vater, in ihrem ...

Zwischen Jella und Yannick ist es die große Liebe, die gemeinsame Wohnung die Krönung, Jella träumt bereits von mehr. Bis zu einem Vorfall, der alles ändert. Jella zieht zurück zu ihrem Vater, in ihrem früheren Kinderzimmer erinnert sie sich an ihre Kindheit und Jugend, geht Situationen noch einmal durch und fragt sich, wie es so weit kommen konnte, dass es dermaßen eskaliert. Erinnert sich an Yannicks Hände an ihrem Hals, denkt an ihre Todesangst und das folgende Gefühl.

„Ja, meine Güte, muss man jetzt nicht gleich überreagieren, kein Drama machen, nicht so hysterisch sein, wegen dieser Sache, die irgendwie schiefgegangen ist, also reiß dich mal zusammen, das war doch nichts. Wird schon wieder werden.“ (Seite 117)

Dieses Buch ist so schonungslos ehrlich, dass es wehtut. Aber nicht nur das, es macht mich auch wütend. So viele Situationen aus Jellas Jugend habe ich wiedererkannt, viele schmerzhafte Momente selbst erlebt. Glücklicherweise ist mir nie etwas ähnliches zugestoßen, dennoch konnte ich mitfühlen und nachvollziehen, wie es ihr geht. Der schreckliche Übergriff führt dazu, dass Jella endlich darüber nachdenkt, wie sie an einen Punkt in ihrem Leben kommen konnte, an dem es für sie nicht mehr weitergeht. Dies ist schmerzhaft, dies ist traurig und brutal, aber unumgänglich, denn ansonsten geht ihre Seele kaputt.

„Ich hatte alles unter Kontrolle. Und während ich alles so sehr unter Kontrolle hatte, zog gleichzeitig alles an mir vorüber und ich: so taub, dass ich kaum etwas spürte.“ (Seite 128)

Dieser Mix aus Coming of Age, Liebesgeschichte und Drama lässt mich tief berührt zurück. Der großartige Schreibstil und die manchmal unvollständigen Sätze, die umso mehr ins Schwarze treffen, weil man weiß, was die Autorin damit sagen will, bescherten mir ein intensives Leseerlebnis voller emotionaler Momente, die einen großen Eindruck hinterlassen haben. Danke dafür.

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Veröffentlicht am 18.07.2024

Schweigen ist Gold

Kleine Monster
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Pia und Jakob werden in die Schule ihres siebenjährigen Sohnes Luca bestellt, es gab einen Vorfall mit einem Mädchen. Während Jakob schnell davon überzeugt ist, dass es sich nur um ein Missverständnis ...

Pia und Jakob werden in die Schule ihres siebenjährigen Sohnes Luca bestellt, es gab einen Vorfall mit einem Mädchen. Während Jakob schnell davon überzeugt ist, dass es sich nur um ein Missverständnis handeln kann, ist Pia alarmiert, weiß sie doch, dass Kinder auch anders sein können. Sie lässt Luca nicht mehr aus den Augen, will die Wahrheit förmlich aus ihm herauspressen. Währenddessen kommt ihre eigene Kindheit hoch, die alles andere als einfach war.

„Ich bin gut darin, die Fassade aufrechtzuerhalten. So gut, über weite Strecken glaube ich mir selbst. Und doch.
Die Liebe ist keine Selbstverständlichkeit für mich. Die Mutterhaut, die ich trage, passt nicht wie angegossen.“ (Seite 57)

Dieses emotionale Familiendrama lässt mich aufgewühlt und tief berührt zurück. Das Ereignis, das der Auslöser für die folgenden Geschehnisse ist, steht nur augenscheinlich im Vordergrund, Mittelpunkt der Geschichte ist die Aufarbeitung der Kindheit von Pia, die durch den Vorfall in der Schule getriggert und dadurch zu Handlungen getrieben wird, die mich an manchen Stellen erschüttert, um nicht zu sagen angewidert haben. Erst allmählich wird aufgedeckt, wie es in der Familie zuging, welche Kämpfe ausgefochten wurden und Gemeinheiten ausgeheckt. Dies alles nicht offen, nach außen hin war alles perfekt. Manchmal sind die subtilen Grausamkeiten schlimmer, schädigen eine Seele so sehr, dass diese sich schützt, bevor sie zukünftig jemand verletzt.

Auf zwei Zeitebenen wird die Geschichte erzählt, beide bieten Zündstoff und lassen sich nicht so leicht vergessen für mich. Die Schatten der Vergangenheit schüttelt man nicht ab, man muss sich ihnen stellen, den Schmerz zulassen, auch wenn er einen zerreißt. Selten wurde das so gut dargestellt wie hier. Eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

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Veröffentlicht am 15.07.2024

Begrenzte Zeit zum Überleben

Hast du Zeit?
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Seit Wochen fühlt sich die Krankenschwester Conny Goldmann verfolgt, hat Angst und vertraut sich ihrer besten Freundin Michelle an, die ihren Vater einschaltet, der früher Polizist war. Lars Erik Grotheer ...

Seit Wochen fühlt sich die Krankenschwester Conny Goldmann verfolgt, hat Angst und vertraut sich ihrer besten Freundin Michelle an, die ihren Vater einschaltet, der früher Polizist war. Lars Erik Grotheer war bei der Bundestagspolizei, hat keinerlei Ermittlungserfahrung, und so passiert es, dass bei seiner ersten Beschattung alles schiefläuft und Conny stirbt. Kurze Zeit später verschwindet die Schornsteinfegerin Felicitas Möller, wird während eines Telefonats mit ihrer Freundin Lilly Costanzo aus ihrem Wagen entführt. Ihre Partnerin setzt alle Hebel in Bewegung, um sie zu finden, es fehlt jedoch jede Spur. Grotheer gibt nicht auf und findet Hinweise darauf, dass weitere Personen verschwunden sind, die allerdings nichts miteinander zu tun haben. Die einzige Verbindung finden weder Grotheer noch Lilly, aber die Zeit drängt, denn wieder verschwindet eine Person und die Uhr tickt.

Fast sofort wurde ich mitten ins Geschehen geworfen, wurde Zeugin eines Verbrechens, hielt den Atem an und folgte den beteiligten Personen angespannt auf ihrem Weg. Viele falsche Fährten legte der Autor aus, köderte mich mit kleinen Bröckchen an Informationen, lenkte meine Aufmerksamkeit mal hierhin, mal dorthin, hielt sich dabei aber bedeckt und verriet kein Wort zu viel. Lediglich auf die Zeitangaben am Anfang jedes Kapitels konnte ich mich verlassen, auf meinen Spürsinn leider lange nicht, denn egal wie sehr ich überlegt habe, auf die Täterperson kam ich einfach nicht. Spannende und unerwartete Wendungen machten die Geschichte zu einem kriminellen Genuss, raffiniert gelegte Spuren brachten Rätselspaß, der Nervenkitzel war nicht ohne, Spannung gab es zudem in Übermaß. Dieser Thriller war genau nach meinem Geschmack, zu beanstanden gibt es wirklich nichts. Lesenswert!

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Veröffentlicht am 11.07.2024

Diese eine Sehnsucht

Wir sehen uns im August
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Vor acht Jahren starb die Mutter von Ana Magdalena Bach und wurde gemäß ihrem letzten Wunsch auf einer Karibikinsel begraben. An jedem 16. August fährt die Tochter dahin, besucht das Grab und legt einen ...

Vor acht Jahren starb die Mutter von Ana Magdalena Bach und wurde gemäß ihrem letzten Wunsch auf einer Karibikinsel begraben. An jedem 16. August fährt die Tochter dahin, besucht das Grab und legt einen Strauß Gladiolen darauf. Sie bleibt über Nacht und fährt am nächsten Tag zu Mann und Kindern zurück. In diesem Jahr ist da ein Mann, der sie auf einen Drink einlädt, sie umgarnt, bis eines zum anderen führt und Ana Magdalena ihn mit auf ihr Zimmer nimmt.

Liebe im reifen Alter, diese Überschrift könnte die Erzählung tragen, würde der Geschichte damit aber nicht gerecht. Eine Situation wird ausgenutzt, Verlangen entsteht und das prickelnde Gefühl von etwas Verbotenem liegt in der Luft. Innerhalb von Minuten entscheidet sich Ana Magdalena, etwas zu tun, was sie nie gereizt hat, und sie kommt auf den Geschmack, zumindest bis am nächsten Morgen eine bestimmte Tat den schalen Nachgeschmack einer Erniedrigung hinterlässt. Die folgenden Jahre reduziert der Autor auf die Besuche der Karibikinsel und ich bin fasziniert vom Gefühlschaos, das dieses Erlebnis bei der auf die Fünfzig zugehenden Frau hinterlässt.

Das bisher unveröffentlichte Werk aus dem Nachlass des Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez wollte dieser zu Lebzeiten nicht veröffentlichen, dessen Erben entschieden sich Jahre später dafür und erläutern dies im Vorwort. Für mich war es die erste Begegnung mit einem seiner Bücher, aber sicherlich nicht die letzte, das kann ich versprechen, nachdem ich fertig geworden bin. Ich freue mich darauf.

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