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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.07.2024

Wehmut und Schönheit

Das Pfauengemälde
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„Ich starrte auf die Narbe und fühlte mich so voller fremder Geschichten, dass ich nicht wusste, wo noch Platz für meine eigene sein sollte.“ Anas Rückkehr nach Rumänien, um das Erbe ihres Vaters anzutreten, ...

„Ich starrte auf die Narbe und fühlte mich so voller fremder Geschichten, dass ich nicht wusste, wo noch Platz für meine eigene sein sollte.“ Anas Rückkehr nach Rumänien, um das Erbe ihres Vaters anzutreten, offenbart ihr viele Details, die ihr Leben ausmachen, ist sie doch geprägt worden von der Auseinandersetzung mit der politischen Situation des Landes, lokalen Gepflogenheiten und familiären Werten.
Die Handlung löst vielerlei Reaktionen aus - vom Kopfschütteln in Anbetracht der Bürokratie über das Mitfiebern mit der Besucherin bei ihrer Spurensuche bis zum Lachen ob der Herzlichkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Ana von ihrer Familie aufgenommen wird. Rückblenden gewähren außerdem einen Einblick in entscheidende Momente, wie die Flucht aus dem Land, die Grundlage für den aktuellen Handlungsstrang sind.
Rumänische Begriffe verleihen Authentizität in dem sprachlich eingängigen Text, der mich von der ersten Seite an in seinen Bann zog. Es war leicht, sich im Gewusel aus Familie und Freunden zu verlieren und mit der Protagonistin in die Atmosphäre ihres Heimatlandes einzutauchen. Der Roman vermittelt ein Gefühl von Wehmut und Schönheit, so ruhig und bedacht, wie die Puzzleteilchen zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden.

Veröffentlicht am 10.06.2024

Hin und weg

Man sieht sich
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Friederika, kurz Frie genannt, und Robert sind seit Schulzeiten befreundet. Während ihrer Begegnungen in den darauffolgenden dreißig Jahren fragen sie sich immer wieder, ob da mehr sein könnte.
Jede der ...

Friederika, kurz Frie genannt, und Robert sind seit Schulzeiten befreundet. Während ihrer Begegnungen in den darauffolgenden dreißig Jahren fragen sie sich immer wieder, ob da mehr sein könnte.
Jede der beiden Figuren erhält ihre eigene Stimme, mit der wir sie durch ihren Handlungsstrang begleiten. Wir sehen die beiden in Momentaufnahmen, durch die wir sie durchaus gut kennenlernen mit ihren Träumen und Problemen, in ihren Beziehungen und beim Umgang miteinander.
„In der Mitte zwischen den Schlüsselbeinen hat sie eine ausgeprägte Vertiefung, auf die sie stolz ist seit jenem Frühsommerabend vor hunderttausend Jahren, in der Robert plötzlich den Arm nach ihr ausgestreckt und sie berührt hat, nachdem sie in Pottloch baden waren.“
Der Roman ist lesenswert, weil er authentisch die verschiedenen Lebensphasen beleuchtet, weil er liebenswerte Charaktere bei ihrer Entwicklung begleitet, weil der passende Ton für eine ansprechende Lektüre gewählt wurde.

Veröffentlicht am 25.05.2024

Orte und Worte

An einem anderen Ort
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„An einem anderen Ort“ ist die Autorin schon, weil sie ihr Heimatland (die damalige Tschechoslowakei) verlassen hat und nun in Österreich lebt. Darüber hinaus kommt sie viel herum in der Welt. Zdenka Beckers ...

„An einem anderen Ort“ ist die Autorin schon, weil sie ihr Heimatland (die damalige Tschechoslowakei) verlassen hat und nun in Österreich lebt. Darüber hinaus kommt sie viel herum in der Welt. Zdenka Beckers Essays handeln vom Aufbrechen und Ankommen, vom Reisen und Verweilen, vom Zuhören und Kommunizieren.
Das Buch bietet einen bunten Blumenstrauß an Episoden aus vergangenen Zeiten, alltäglichen Begegnungen und Situationen aus dem Schriftstellerleben. So lese ich gespannt von verbotenen Treffen zwischen Slowaken und Österreichern „vor vielen Jahren“, von Gesprächen mit Mitreisenden im Flugzeug oder Lesungen in Asien und der Anpassung an lokale Gegebenheiten.
Die Autorin versteht es, mich mit ihrer Weltoffenheit und Beobachtungsgabe mitzureißen. „Ich schreibe in einer fremden Sprache, die für mich zur zweiten Haut geworden ist. Gern spiele ich mit neuen Worten, verleihe ihnen Eigenschaften, entlocke Gefühle. Ich spaziere durch die Sprachen und erlebe Geschichten, ernste und lustige Geschichten, die mich vereinnahmen.“ Ihre Begeisterung für Sprache ist dem Text und den Wortspielen anzumerken und tut ihr Übriges, um mich für dieses Buch brennen zu lassen. Es ist zudem hochwertig verarbeitet und mit Fotografien von Nikolaus Korab angereichert, die das Gefühl vermitteln, mittendrin zu sein „an einem anderen Ort“.

Veröffentlicht am 19.05.2024

Nur Mut!

Sorry not sorry
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„Sorry not sorry“ ist ein Buch über das Kleinhalten von Frauen und die Scham, die die Gesellschaft ihnen für gewisse Umstände eingetrichtert hat. Die Autorin will aufzeigen, „dass das Patriarchat und der ...

„Sorry not sorry“ ist ein Buch über das Kleinhalten von Frauen und die Scham, die die Gesellschaft ihnen für gewisse Umstände eingetrichtert hat. Die Autorin will aufzeigen, „dass das Patriarchat und der Kapitalismus mitsamt aller durch sie etablierter Diskriminierungsformen der perfekte Nährboden sind, um Scham erblühen zu lassen - und sie für sich zu nutzen.“
Es geht um die Darstellung der Frau in den Medien, um Klischeedenken und Verurteilung bei weiblichen „Problemen“, wie einer ungewollten Schwangerschaft. Es geht um eine patriarchale Gesellschaft, in der immer noch antiquierte Denkweisen vorherrschen, wenn man mal genau hinsieht. Dies tut die Autorin mit ihren Recherchen und anhand persönlicher Beispiele auf bewundernswerte Weise.
Natürlich ist dies nicht das erste Buch über Feminismus, aber es gibt dem Thema eine frische persönliche Stimme, die gehört werden sollte. Es rüttelt an einem überholten Weltbild und macht Frauen Mut, die Scham über ihre Weiblichkeit abzulegen.

Veröffentlicht am 28.04.2024

Vom Fliehen und Ankommen

Der Wind kennt meinen Namen
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Samuel gelangt mit einem Kindertransport von Wien nach England, damit er vor den Nazis sicher ist. 80 Jahre später wird Anita nach der Einwanderung aus El Salvador in die USA von ihrer Mutter getrennt. ...

Samuel gelangt mit einem Kindertransport von Wien nach England, damit er vor den Nazis sicher ist. 80 Jahre später wird Anita nach der Einwanderung aus El Salvador in die USA von ihrer Mutter getrennt. Beides Geschichten einer Flucht aus der Hoffnung heraus zu überleben.
„Der Wind kennt meinen Namen“ erzählt von den Entbehrungen, der Furcht und dem Neubeginn. Das Buch gibt schonungslose Einblicke in die Gräueltaten der Täter und beleuchtet den unermüdlichen Einsatz der Helfer, die sich mit den Zuständen nicht abfinden wollen. Die kindlichen Protagonisten stehen für die vielen Menschen, die ihre Heimat verlassen, weil sie dort keine sichere Zukunft haben.
Die Struktur des Romans habe ich als ungewöhnlich empfunden, da er lange Zeit erst einem, dann einem anderen Handlungsstrang folgt, ohne dass mir klar wurde, was beide miteinander zu tun haben könnten. Natürlich findet Isabel Allende einen Weg, sie zu verbinden und zu einem beeindruckenden Ende zu führen.
Auf dem Weg dorthin entwickelt sich ein Sog durch die klare Sprache, in der immer auch ein Funken Magie mitschwingt. „Wir sind nicht verloren. Der Wind kennt meinen Namen und deinen auch. Alle wissen, wo wir sind. Ich bin hier mit dir, ich weiß, wo du bist, und du weißt, wo ich bin.“ Ich bin jedenfalls unter den Allende-Fans zu finden und habe auch diesmal wieder einen ergreifenden Roman von der Autorin zu lesen bekommen.