Profilbild von giannadanarosa

giannadanarosa

Lesejury Star
offline

giannadanarosa ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit giannadanarosa über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.08.2024

The Rachel Incident

Die Sache mit Rachel
0

Als Buchliebhaber*in konnte man die Werbekampagne rund um „Die Sache mit Rachel“ kaum verpassen, sowohl in den Buchhandlungen als auch in den Sozialen Medien bin ich selten daran vorbei gekommen.

Dabei ...

Als Buchliebhaber*in konnte man die Werbekampagne rund um „Die Sache mit Rachel“ kaum verpassen, sowohl in den Buchhandlungen als auch in den Sozialen Medien bin ich selten daran vorbei gekommen.

Dabei schwirrt der allgegenwärtige und in der Vergangenheit bereits sehr oft bemühte Vergleich mit Sally Rooney (deren Bücher ich sehr liebe) immer wieder durch den Raum.

Das Thema, dem sich Caroline O“Donoghue in ihrem Roman nun annimmt, ist tatsächlich sehr Rooney’esk. Eine junge Schwangere erzählt in der Retrospektive aus ihrer Studienzeit. In diesen Jahren lernt sie bei einem Nebenjob homosexuellen James kennen. Die beiden werden schnell unzertrennlich, teilen sich später sogar eine Wohnung. Als Rachel sich in ihren Literaturprofessor verliebt, versucht James sie in ihren Verführungsabsichten zu unterstützen. Doch dann kommt alles ganz anders.

Die Geschichte wird erzählt vor dem Hintergrund der irischen Finanzkrise. Politische Themen, soziale Diskurse wie z.B. das irische Abtreibungsrecht werden aufgegriffen, in einer Weise, in der sie sich nicht zu sehr in den Vordergrund drängen. Das hat dem Text in meinen Augen gut getan. Dieser ist grundsätzlich sehr charaktergetrieben. Es dreht sich vieles um das Spannungsfeld zwischen Rachel, James und Dr. Byrne. Aber auch andere zwischenmenschliche Verhältnisse, wie z.B. Rachels Beziehung zu James Carey, dem anderen James in ihrem Leben, spielen immer wieder eine Rolle. Leider bin ich gerade mit den Hauptcharakteren anfangs nur schwer warm geworden. An sich ist das nicht schlimm - auch die so viel besungene Rooney schreibt oft keine likeable protagonists - aber hier hatte ich zu kämpfen. Es ist mir schwergefallen Empathie aufzubauen. Im Verlauf bessert sich das glücklicherweise. Gerade Rachel macht eine spürbare Entwicklung durch. Und es lohnt sich an ihrer Geschichte dranzubleiben. Der große Plottwist hat mir gut gefallen. Ich fand es spannend wie die einzelnen Fäden im Beziehungsgeflecht der Figuren zusammen- und auseinander gelaufen sind. Das zentrale Thema wurde klug und vielschichtig behandelt.

Fazit: „Die Sache mit Rachel“ wird nicht mein Lieblingsbuch. Dafür habe ich mit Rachel selbst zu viel gekämpft. Aber es ist ein gutes und unterhaltsames Buch, das sich wirklich lohnt gelesen zu werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.07.2024

Schneeweisschen, Rosenrot und der Bär

Cascadia
0

Julia Philipps hat ihrem zweiten Roman ein Zitat aus Grimms Märchen "Schneeweißchen und Rosenrot" vorangestellt. Es ist nicht der letzte Bezug auf die Märchenwelt, der im folgenden Text zu finden ist.
Zwei ...

Julia Philipps hat ihrem zweiten Roman ein Zitat aus Grimms Märchen "Schneeweißchen und Rosenrot" vorangestellt. Es ist nicht der letzte Bezug auf die Märchenwelt, der im folgenden Text zu finden ist.
Zwei Schwestern und ein Bär. Zwei Frauen, deren Leben durch das Eintreffen eines wilden Tieres auf ungeahnte Weise aus den Fugen gerät.
Sam und Elena leben gemeinsam mit ihrer pflegebedürftigen Mutter in der Isolation und Einsamkeit einer Inselgruppe im Nordwesten der USA. Die finanziellen Verhältnisse der Familie sind prekär. Das Geld, das Sam mit Gelegenheitsjobs verdient, wird von den medizinischen Rechnungen verschlungen. Sie träumt vom Weggehen. Davon irgendwo gemeinsam mit ihrer Schwester ein neues Leben anzufangen. Ihre eingefahrenen Routinen werden gestört, als ein Grizzlybär auftaucht und eine unmittelbare Bedrohung für die Familie darstellt.

Obwohl es sich um ein ganz und gar anderes Buch handelt, habe ich Julia Philipps Eigenart zu schreiben und die Motive, zu denen sie sich hingezogen fühlt, aus ihrem Vorgängerroman wiedererkannt.
Das Buch ist durchsetzt on einer ätherisch bis tristen Atmosphäre. Manchmal ist der Text beinahe unwirklich, bei genauerem Hinsehen verschwimmen die unmittelbaren Grenzen zur Realität. Ich mochte den Bezug zur Märchenwelt, der immer wieder in Ansätzen durchschimmert. In Kombination mit der grauen Welt der Armen und Sozialschwachen entsteht so ein interessantes Spannungsfeld. Der Bär selbst ist dabei klar als Symbol oder Metapher erkennbar, also ebenfalls ein Stilmittel, das stark an Märchen erinnert.
Inhaltlich konzentriert sich der Roman im Kern auf die Beziehung der Schwestern Sam und Elena. Genau diese hat sich mir jedoch nicht in all ihren Facetten erschlossen. Teilweise hat man beim Lesen das Gefühl, die beiden (inklusive der Handlung) drehen sich viel zu lange um sich selbst. Ich gehe davon aus, dies ist genauso beabsichtigt. Dieses "Feststecken" miteinander und in diesem ungewollten, eigentlich verabscheuten Lebensentwurf.
Das Ende, das die Autorin konzipiert hat, ist hingegen furios und dramatisch. Ähnlich wie der Bär die Schwestern reißt es die Leser aus dem Rhythmus des Romans. Ich bin am Schluss überrascht worden und das hat mir sehr gut gefallen.
Fazit:
Julia Philipps hat einen sehr eigensinnigen, einzigartigen, in Teilen zähen, aber doch sehr lesenswerten Roman geschrieben. Wer atmosphärisch dominiertes Erzählen gepaart mit komplizierten innerfamiliären Konflikten und Sozialkritik mag, wird hier fündig werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.03.2024

Moderne Mystik

Elyssa, Königin von Karthago
0

Der trojanische Held Aeneas strandet als Schiffbrüchiger mit seiner Mannschaft und seinem Sohn an der Küste Karthagos. Elyssa, die Königin dieses Landes, nimmt sie bei sich auf. Was mit Gastfreundschaft ...

Der trojanische Held Aeneas strandet als Schiffbrüchiger mit seiner Mannschaft und seinem Sohn an der Küste Karthagos. Elyssa, die Königin dieses Landes, nimmt sie bei sich auf. Was mit Gastfreundschaft beginnt, wird schon bald zu einer tiefen leidenschaftlichen Liebe. Als Anführer ihrer beiden Völker sind Elyssa und Aeneas jedoch nicht nur sich selbst verpflichtet, sodass die Verbindung der beiden unter keinem guten Stern zu stehen scheint.

Es ist einige Jahre her, dass ich von Vergills Mythos um die Königin Karthagos, zum ersten Mal in einem Lateinbuch gelesen habe. Was damals noch eher Mittel zum Zweck gewesen ist, habe ich dank Irene Vallejos Roman nun wieder entdecken dürfen. Verschiedenste Protagonisten, u.a. der Dichter Vergill selbst, oder der berühmte Liebesgott Eros, werfen in den einzelnen Kapiteln aus ihrer Perspektive einen Blick auf das schicksalhafte Kennenlernen von Aeneas und Elyssa. Die Neurerzählung des Mythos beschränkt sich jedoch nicht nur auf Romantik, sondern stellt auch das politische Gefüge, in dem sich Elyssa als Königin immer wieder neu gegen machthungrige Männer behaupten muss, in den Vordergrund. Mir gefällt die Ausarbeitung ihres Charakters, diese sanfte Balance zwischen starker Regentin und träumerischer Liebhaberin. Noch mehr gefällt es mir, dass in diesem Text nicht etwa Aeneas, der Held, im Mittelpunkt der Geschichte steht, sondern Elyssa als Frau und Königin.

Der Trend der letzten Jahre, antike Geschichten in modernen Romanen, neues Leben einzuhauchen, wurde von Irene Vallejo mit "Elyssa. Königin von Karthago." mutig fortgesetzt. Für mich ist diese Art von Büchern immer noch nicht alt geworden, wird es vielleicht nicht. Die Gestaltung der deutschsprachigen Ausgabe aus dem Diogenesverlag ist außerdem ausgesprochen schön.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.03.2024

Brandmale

Leuchtfeuer
0

In ihrem Roman "Leuchtfeuer" erzählt die US-amerikanische Autorin Dani Shapiro in Rückblenden die Geschichten zweier benachbarter Familien, die durch verschiedene Schicksalsschläge miteinander verbunden ...

In ihrem Roman "Leuchtfeuer" erzählt die US-amerikanische Autorin Dani Shapiro in Rückblenden die Geschichten zweier benachbarter Familien, die durch verschiedene Schicksalsschläge miteinander verbunden und sich in ihrer Nähe doch seltsam fremd sind.
Es ist das Jahr 1985, als Sarah ihren fünfzehnjährigen Bruder Theo zu einer Autofahrt herausfordert. Als er den Wagen gegen einen Baum, direkt vor dem Haus der Eltern setzt, stirbt die Nachbarstochter Misty. Obwohl der Vater der Geschwister, der selbst Arzt ist, heran eilt und versucht sie zu retten. Die Familie behält im Nachgang des Unglücks ein Geheimnis zurück.
Vierzehn Jahre später schafft es der Vater dem kleinen Waldo, einem anderen Nachbarskind, das Leben zu retten. Wiederum Jahre später werden die beiden Freunde. Doch der Schatten der Schuld wirft sich seit der Nacht des Unfalls fortwährend über die Leben der Beteiligten. (Dramatische Musik Ende)
Tatsächlich ist es gar nicht so leicht, den Inhalt von "Leuchtfeuer" in wenigen Sätzen zusammenfassen. Der Unfall und Mistys Tod sind nicht das einzige Thema, mit dem sich der Roman auseinandersetzt. Unabhängig von Schuld und Gewissen setzt sich der Roman auch mit Themen wie Trauer, Krankheit, Sprachlosigkeit, Entfremdung etc. auseinander. Es ist ein vielschichtiges, emotionales Buch, das entsprechend der bearbeiteten Themenfelder, auch mit einer gewissen Schwermut daherkommt. Die Geschwister Sarah und Theo schlagen beide einen erfolgreichen Lebensweg ein, doch auch als Erwachsene lassen sie Mistys Tod und die in der Vergangenheit lauernde Lüge nicht los. Es geht auch um diese unterschiedlichen Lebenswege, und wie einzelne Begebenheiten oder die schiere Gleichgültigkeit des Zufalls sie so leicht in völlig verschiedene Richtungen lenken können. Man könnte sagen: Das Leben macht mit seinen Höhen und Tiefen vor niemandem Halt. Manche Dinge entwickeln sich zu ungeahnt tiefen Brandmalen (in Theos Fall im wahrsten Sinne des Wortes), die wir stets mit uns tragen.
"Leuchtfeuer" ist ein feinsinniger Familienroman, typisch amerikanisch und gleichzeitig universell. Während ich das Gefühl hatte, dass manche Zusammenhänge oder menschlichen Verhaltensweisen auf den Punkt gebracht wurden, hatte ich an anderer Stelle, das Gefühl den Lauf der Dinge logisch betrachtet nicht ganz nachvollziehen zu können. So hat mich zum Beispiel die anfängliche Fremdheit zwischen Dr. Wilf und Waldo irritiert. Später ist es aber auch die Beziehung der Beiden, die ein "Leuchtfeuer" zwischen all der Melancholie darstellt.

Fazit:
"Leuchtfeuer" ist schöner, sprachlich ansprechender und inhaltlich tiefsinniger, sowie vielfältiger Lesestoff. Kein Glücklich-Macher-Buch, aber eines, das dazu einlädt, sich auf sanfte Art und Weise, mit den Herausforderungen des Lebens auseinanderzusetzen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.12.2023

Schwarz weiß grau

Endstation Malma
0


"Endstation Malma" ist mein erstes Buch von Alex Schulmann, dem schwedischen Autor, der mir in den vergangenen Jahren durch überschwänglich begeisterte Rezensionen zu seinen Romanen ein Begriff geworden ...


"Endstation Malma" ist mein erstes Buch von Alex Schulmann, dem schwedischen Autor, der mir in den vergangenen Jahren durch überschwänglich begeisterte Rezensionen zu seinen Romanen ein Begriff geworden ist. Malma ist eine fiktive Kleinstadt. Auf einer Zugreise dorthin befinden sich unterschiedliche Menschen: Harriet, Oskar, Yana. Nach und nach zeigt sich, dass sie durch Raum und Zeit miteinander verbunden sind.

In seinen Büchern verarbeitet Schulmann immer auch autobiographische Erfahrungen. Da ich nicht gerne Biographisches lese, kommt es, dass ich erst so spät zu einem von ihnen gegriffen habe. "Endstation Malma" wird dem Ruf seiner Vorgänger gerecht. Der Text verhandelt komplexe zwischenmenschliche Beziehungen. Es geht um das Konstrukt Familie - von einer düsteren Perspektive betrachtet. Inhaltlich ist das nicht immer leicht verdaulich. Über verschiedene Zeitebenen hinweg ergründet der Autor die große Frage, wie die Vergangenheit unsere Gegenwart und Zukunft formt. Und vor allem: Welche Verantwortung, die Menschen, die uns geprägt haben - oder besser gesagt, wie unser Blick auf diese Menschen - unser Handeln in Gegenwart und Zukunft bestimmt. Es ist ein Buch, das seine Finger in Wunden legt, die man viel zu oft vernarben lässt. Es stellt Fragen, die sich wohl die wenigsten Menschen tatsächlich stellen. Weil schmerzhaft. Weil es Kraft kostet, sich mit dem Schmerzhaften auseinanderzusetzen.
So hat auch das Lesen mich mehr oder weniger viel Kraft gekostet. Zwischenzeitlich fehlte mir der Silberstreif in der transgenerationalen Ödnis. Nichtsdestotrotz ist "Endstation Malma" ohne Frage ein sehr gutes, fein ausgearbeitetes Buch, welches das Schwarz-Weiß des Zwischenmenschlichen gekonnt eruiert.

(4,5 Sterne)

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere