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Veröffentlicht am 07.05.2021

Geheime Wahrheiten

Das Gegenteil von Hasen
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"Das Gegenteil von Hasen" ist eigentlich ein Jugendroman, aber das hat mich nicht davon abgehalten, ihn zu lesen. Ganz im Gegenteil, denn mit ein bisschen Abstand zur Jugend ist er perfekt geeignet. Angesprochen ...

"Das Gegenteil von Hasen" ist eigentlich ein Jugendroman, aber das hat mich nicht davon abgehalten, ihn zu lesen. Ganz im Gegenteil, denn mit ein bisschen Abstand zur Jugend ist er perfekt geeignet. Angesprochen haben mich sowohl der Titel als auch das Cover, obwohl nicht auf den ersten Blick deutlich wird, worum es geht. Dafür musste ich schon den Klappentext bemühen. Und Zack hat mich nichts mehr abgehalten von der Geschichte um die 17-jährige Julia Nolde.

Sie ist die Hauptfigur des Buches, deren Leben sich von einem auf den anderen Tag schlagartig verändert. Ausgelöst durch einen Fall von Mobbing.  Denn jemand hat ihren PC gestohlen und geheime, nicht für die Allgemeinheit bestimmte Blogeinträge veröffentlicht.
Es sind intimste Geheimnisse, nie ausgesprochene Vorwürfe, verdrängte Erinnerungen, über die Julia geschrieben hat und die jetzt meterhohe Wellen schlagen. Mit all dem sieht sich eine Gruppe Jugendlicher rund um Julia konfrontiert. Allen voran ihre Mitschüler:innen Edgar Rothschild, Linda Overbeck sowie die Zwillinge Marlene und Leonard Meller. Sie alle haben eine ganz unterschiedliche Verbindung zu Julia, die im Laufe des Romans ihre Form immer wieder verändert.

Neben den Hauptfiguren tauchen in dem Roman weitere Personen auf, wie die Mitschüler:innen und Eltern der Betroffenen sowie die Schuldirektorin Dr. Kristina Ferchländer. Stück für Stück versuchen sie alle auf Ihre Art mit den Einträgen und der Suche nach der Person, die sie veröffentlicht hat, umzugehen. An den Figuren und Familien gefällt mir besonders die diverse Darstellung. Das macht es einem leicht, sich mit ihnen zu identifizieren. 

So wortgewandt wie Anne Freytag die Personen und Situationen schildert, fühlt man sich als Leser:in gut in die Situationen ein. Auch der Spannungsbogen der Geschichte ist ihr wirklich gelungen. Die Schilderungen wirken authentisch, sind logisch und durchdacht aufgebaut. Alles ist nachvollziehbar und das macht den Roman zu einem äußerst gelungenen Lesevergnügen.

Obwohl meine Schulzeit schon Jahre hinter mir liegt, habe ich das Buch mit Begeisterung gelesen und kann es nur jedem empfehlen. Denn es sensibilisiert auf verschiedenen Ebenen sowohl für den Umgang mit den Dingen, die wir online stellen als auch mit den Dingen, die unausgesprochen bleiben.

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Veröffentlicht am 20.04.2021

Vergänglichkeit trifft auf Alltägliches

So wie du mich kennst
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Zwei Schwestern, zwei grundverschiedene Lebensentwürfe und zwei Schauplätze, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Geschichte von Karla und Marie ist eine Geschichte, die von dem erzählt, was im ...

Zwei Schwestern, zwei grundverschiedene Lebensentwürfe und zwei Schauplätze, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Geschichte von Karla und Marie ist eine Geschichte, die von dem erzählt, was im Leben wirklich zählt: von Nähe und Verbindung, die jede Entfernung und alle Unterschiede überwinden.

Die Lokaljournalistin Karla lebt auf dem fränkischen Land, während ihre Schwester Marie, eine bekannte und erfolgreiche Fotografin, es in die große weite Welt gezogen hat und die Metropole New York ihr zu Hause nennt. Nannte, denn Marie ist tot. Sie kam bei einem Unfall ums Leben. Und damit beginnt die Geschichte. Karla hat nicht nur die Asche ihrer Schwester nach Hause geholt, sie hat sich auch bereit erklärt, sich um die Auflösung der Wohnung ihrer toten Schwester in New York zu kümmern.

In diesen Prozess nimmt uns die Autorin Anika Landsteiner mit. Sie gewährt Einblicke in das Innenleben der trauernden Schwester, aber auch in das ihrer Familie und Maries Freunden und zu meiner Überraschung auch in das Innenleben Maries in den letzten Wochen vor ihrem Tod. Denn die Erzählperspektiven wechseln sich ab. Sowohl Karla als auch Marie erzählen ihre Geschichten, die sich Seite für Seite zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen. Denn schon früh tauchen Fragen auf. Marie hatte ein erschütterndes Geheimnis, das erst durch ihre eigenen Schilderungen im Zusammenspiel mit den Erzählungen Karlas ans Licht kommt.

Es sind die Themen, über die viel zu selten gesprochen wird, die in dem Roman vollkommen zurecht besondere Aufmerksamkeit bekommen. Allen voran der Umgang mit dem Tod. Die Vergänglichkeit steht dem alltäglichen Leben gegenüber in seiner ganzen Bandbreite. Darunter fällt auch das Geheimnis, das Marie mit ins Grab nimmt. Ein Thema von enormer Wichtigkeit, ohne vorwegnehmen zu wollen, worum es sich handelt. Auch wenn sich schnell eine Vorahnung einstellt, so schafft es die Autorin durch ihre Beschreibung und das Abtauchen in die Gefühlswelt der Protagonisten, den Leser:innen eine besondere Perspektive zu bieten und das Gelesene nicht nur konsumieren, sondern auch reflektieren zu lassen.

Mit "So wie du mich kennst" ist Anika Landsteiner ein herausragender Roman gelungen, der hinter die Fassaden blicken lässt und die Frauen in dem Buch sowohl in ihrer Stärke als auch in ihrer größten Verletzlichkeit zeigt. Ihre Art zu Schreiben hat mich von der ersten Seite an gefesselt, denn ihr gelingt es, die Leser:innen mitten ins Geschehen eintauchen zulassen. Man riecht förmlich den frisch gebackenen Apfelkuchen der Mutter, schmeckt den Coffee to go, der zum hippen New Yorker Lebensgefühl gehört und fühlt gleichzeitig den tiefen Schmerz Karlas, wenn sie über den Verlust ihrer Schwester spricht. Die Charaktere beschreibt sie so authentisch, es könnten fast eigene Bekannte, Freunde oder Verwandte sein.

Das Buch regt zum Nachdenken an, über den Tod und das Leben. Ich konnte es nur schwer aus der Hand legen und hätte es am liebsten am Stück verschlungen. Aber aufgrund der emotional sehr stark aufgeladenen Geschichte bin ich froh, mir ein wenig mehr Zeit dafür genommen zu haben. Es hat sich gelohnt!

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Veröffentlicht am 23.07.2024

Schmerz und Wut

Die schönste Version
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Der Debütroman „Die schönste Version“ von Ruth-Maria Thomas handelt von der Beziehung zwischen Jella und Yannick und einer Liebe, die vom großen Glück ins komplette Gegenteil verkehrt. Wenn die ...

Der Debütroman „Die schönste Version“ von Ruth-Maria Thomas handelt von der Beziehung zwischen Jella und Yannick und einer Liebe, die vom großen Glück ins komplette Gegenteil verkehrt. Wenn die Geschichte ein Gefühl in mir ausgelöst hat, dann ist es Wut. Zum einen wegen der Dinge, die Yannick Jella angetan hat, zum anderen wegen der Art und Weise, wie Jella vom Mädchen zur Frau geworden ist und welche negativen Einflüsse sie dabei geprägt haben. Einflüsse, die für 1,50 € an jedem Kiosk in Form von Bravo, Mädchen und Co. zu bekommen waren.
Einiges davon kam mir sehr bekannt vor, denn viel von dem, was Frauen und Mädchen damals „geraten“ wurde, ist mir noch gut in Erinnerung und wird in diesem Buch noch einmal schmerzhaft genau am Beispiel von Jella beschrieben. Vielleicht ein extremes, dafür aber sehr deutliches Beispiel, denn Jellas Leben dreht sich zu einem großen Teil darum, Jungs und Männern zu gefallen. Sie definiert sich fast ausschließlich darüber, was dazu führt, dass sie mit Anfang 30 kaum weiß, wer sie abgesehen davon ist. Das hat mich bestürzt, ebenso, dass sie in einer toxischen, gewalttätigen Beziehung gefangen ist, die sie auf gewisse Art und Weise noch viel zu lange glorifiziert. Man möchte sie nehmen und wachrütteln und ihr sagen, dass es alles nicht ihre Schuld ist, sie so aber auf keinen Fall weitermachen kann.
„Die schönste Version“ ist ein Buch, das unbequem, aufwühlend und aufklärend zugleich ist. Klar sein sollte den Lesenden, dass es darin um diverse Formen von Gewalt geht, die Sprache stellenweise sehr derbe ist und manche Darstellungen sehr explizit sind. Also das komplette Gegenteil eines Wohlfühlromans, wie Cover und Titel auf den ersten Blick zunächst vermuten lassen.

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Veröffentlicht am 08.07.2024

Über Verletzungen und Verluste

Das Pfauengemälde
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„Du weißt ja, es gibt viele Legenden in der Familie, der eine weiß dies, der andere das. Es ist wichtig, die eigene Familiengeschichte zu kennen, um sich selbst zu verstehen.«
Dieses Zitat aus ...

„Du weißt ja, es gibt viele Legenden in der Familie, der eine weiß dies, der andere das. Es ist wichtig, die eigene Familiengeschichte zu kennen, um sich selbst zu verstehen.«
Dieses Zitat aus Maria Bidians Debütroman „Das Pfauengemälde“ beschreibt ziemlich gut, worum es in dem Buch geht: die Geschichte einer rumänischen Familie, der durch die Enteignung zu Zeiten des Kommunismus alles genommen wurde. Nach Jahren des Kämpfens und Prozesse Ausfechtens gelingt es ihr nun Stück für Stück ihren Besitz zurückzuerhalten, unter anderem das sagenumwobene Pfauengemälde, das von großer Bedeutung für Anas totem Vater Nicu war.
Um es sich zurückzuholen, reist die Erzählerin der Geschichte, Ana, die in Deutschland lebt und aufgewachsen ist, zu ihrer Familie nach Rumänien.
Mit ihrer Reise beginnt für mich das Eintauchen in eine vollkommen neue Kultur und Geschichte, was ich als sehr spannend und bereichernd empfunden habe.
An der Stelle muss ich auch direkt sagen, dass dieser Roman eher nichts für mal eben zwischendurch ist. Warum das so ist, lag bei mir vor allem daran, dass ich mich bislang noch nicht mit der rumänischen Geschichte auseinandergesetzt hatte. Dementsprechend fehlte mir einiges an Hintergrundwissen, was dazu geführt hat, dass ich mich nebenbei ein wenig darüber informiert habe.
Da ich mir durchaus vorstellen kann, damit nicht allein zu sein, ist ein kleiner Kritikpunkt, dass einige Erzählungen und Gedankensprünge der Hauptfigur Ana zusätzlich für etwas Verwirrung bei mir sorgten und ich betroffene Stellen wiederholt lesen musste, um sie zu verstehen. Ansonsten gefiel mir der Schreibstil der Autorin sehr gut, da Bidian eine schöne poetische Sprache gewählt hat, mit der sie sehr bildhafte Schilderungen präsentiert, die mich in rumänische Landschaften und Familienfeiern versetzt hat. Mir gefällt auch, dass sie immer wieder rumänische Begriffe einstreut, die im Kontext gut erklärt werden und zu diesem Gefühl „dort zu sein“ beitrugen. Die Charaktere, die den Lesenden in “Das Pfauengemälde“ begegnen werden - obwohl es sehr viele sind - dadurch ebenfalls gut porträtiert.
Insgesamt ein ausdrucksstarker Roman über die Verletzungen und Verluste eines Landes.

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Veröffentlicht am 18.04.2024

Syltsehnsucht mit Hochspannung

Mord unterm Reetdach
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„Mord unterm Reetdach“ von Eric Weissmann ist ein humorvoller und spannender Krimi, der bei mir eindeutig die Syltsehnsucht geweckt hat. Diese gepaart mit einem Kriminalfall hat das Buch zu einem ...

„Mord unterm Reetdach“ von Eric Weissmann ist ein humorvoller und spannender Krimi, der bei mir eindeutig die Syltsehnsucht geweckt hat. Diese gepaart mit einem Kriminalfall hat das Buch zu einem unterhaltsamen Leseerlebnis gemacht. Anders als bei den meisten Krimis ermittelt hier nicht nur die Polizei sondern auch noch der ortsansässige Makler Kristan Dennermann. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Mord an seinem Klienten Hinnerk Petersen aufzuklären, denn kurz nachdem er den Auftrag bekommen hat, sein sehr gefragtes Haus samt Grundstück zu verkaufen, verschwindet dieser und wird wenig später tot aufgefunden. Wer dafür verantwortlich ist und warum sich Kristan überhaupt auf die Suche nach dem Mörder macht, hat verschiedene Gründe, in erster Linie scheinen aber Immobilieninteressen ein Grund zu sein. Sylt ist schließlich ein beliebtes und lukratives Pflaster für Privatleute wie auch Investoren. Kristian verfolgt damit eine Spur, die zunächst einmal ja auch auf der Hand liegt. Allerdings beinhaltet sie viele Verdächtige, was die Sache sehr spannend macht. Letzten Endes kommt es aber anders als erwartet und das gibt dem Krimi noch mal einen ganz neuen Twist. Leider sind dennoch viele Fragen offengeblieben und manche Fährten im Nachhinein nicht weiter verfolgt worden, dadurch erschienen manche Gegebenheiten im Nachhinein als nicht ganz logisch, was dem Krimi von seiner Spannung und Unterhaltsamkeit allerdings nichts nimmt. Dass Eric Weissmann selbst im Maklergeschäft tätig ist bzw. war, macht die Geschichte noch interessanter und seine Erzählungen noch glaubwürdiger. „Mord unterm Reetdach“ ist deshalb definitiv eine Leseempfehlung wert.

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