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Veröffentlicht am 02.09.2024

Gelungener Fantasy-Auftakt – mit starker Protagonistin und kleinen Schwächen

One Dark Window - Die Schatten zwischen uns
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Der hochinfektiöse Nebel in Blunder breitet sich immer weiter aus und droht, den ganzen Landstrich zu verschlingen. Um ihn zu stoppen, muss die bereits infizierte Elspeth ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Der hochinfektiöse Nebel in Blunder breitet sich immer weiter aus und droht, den ganzen Landstrich zu verschlingen. Um ihn zu stoppen, muss die bereits infizierte Elspeth mit dem scheinbar grausamen Hauptmann der königlichen Garde zusammenarbeiten und gemeinsam mit ihm die zwölf Karten eines magischen Decks wiedervereinen. Doch Elspeth hat ihre ganz eigenen Geheimnisse – wie zum Beispiel, dass ein finsteres Wesen in ihrem Geist wohnt, das immer stärker wird…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band 1/2
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: weibliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: Gewalt (auch gegen Frauen und Kinder), Blut, Krankheiten, Alkoholmissbrauch, Selbstverletzung für magisches Ritual, Mobbing (erwähnt)
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: Weib

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- originelle Magiesysteme
- gute Mischung aus Fantasy und Liebesgeschichte (= Romantasy)
- Slow-burn-Geschichte
- männlicher Love Interest = Green Flag
- Consent wird thematisiert
- düsteres Setting (Nebel, Wälder, Krankheiten)
- Leben der adeligen/königlichen Familien
- Erwachsenwerden
- Geheimnisse
- Found Family (Trope)
- Enemies to Lovers (Trope)
- starke Frauen
- Freundschaft
- Familie

Lieblingszitate

„Widmung: Auf die stillen Mädchen mit Geschichten in den Köpfen. Auf ihre Träume – und ihre Albträume. “ E-Book, Position 55

„Die Infektion hatte mich nicht verschont. Ich besaß Magie. Absonderliche, grauenvolle Magie.“ E-Book, Position 347

„Die Herrin, die nun keine Verehrung mehr erfuhr, verfiel in Rachedurst und Heimtücke. […] Sie erschuf den Nebel, um die Menschen zurück in den Wald zu locken.“ E-Book, Position 508

„Mit ihren schmutzigen Fingernägeln und den Krähenfüßen in den Augenwinkeln wirkte Opal Whitebeam längst nicht so kultiviert und grazil wie die anderen Damen von Blunder. […] Ich liebte die wilde Schönheit meiner Tante.“ E-Book, Position 541

Meine Rezension

Ohne @mariekekessler (Bookstagram), die mich auf diese Neuerscheinung aufmerksam gemacht hat, hätte ich „One Dark Window“ vermutlich gar nicht entdeckt – also danke dafür! Der Klappentext hat mich aufgrund des düsteren Settings sofort an „Wie man einen Prinzen tötet“ von T. Kingfisher erinnert, das 2023 sogar eines meiner Jahreshighlights war. Dass das Buch eine Bewertung von 4,30 auf Goodreads hatte, machte mich nur noch neugieriger…

Doch war es auch hier wieder Liebe auf den ersten Blick (bzw. ersten Satz)? Nicht wirklich, tatsächlich hätte der Start in die Geschichte besser sein können, denn am Anfang passiert sehr wenig und die Handlung kommt nur langsam in Schwung. Außerdem hatte ich meine Probleme mit dem Schreibstil. Dieser lässt sich zwar sehr flüssig und schnell lesen, ist aber leider auch sehr einfach gehalten und glänzt nicht gerade mit Wortgewandtheit und Abwechslungreichtum. Was ich damit meine: ständig gleiche (simple) Satzstrukturen, ständig gleiche Satzanfänge, ständig „Ich“ und „Er“ als erstes Wort. Seit ich Deutsch-Lehrerin bin, bin ich davon sehr schnell genervt, weil ich mir dann immer denke: Meinen Schüler:innen würde ich das nicht durchgehen lassen, sondern ordentlich Punkteabzug beim Ausdruck geben – aber erwachsene Autor:innen veröffentlichen sogar Bücher in solch einem Stil? Die gute Nachricht: Mein Eindruck war, dass die Sprache im Laufe der Geschichte besser wird und die Autorin dazugelernt hat – aber vielleicht habe ich mich auch einfach nur daran gewöhnt… Gestört hat mich auch, dass sich Elspeth nicht immer nachvollziehbar, sondern an ein, zwei Stellen (zum Glück nur selten) sogar ziemlich unlogisch verhält.

Insgesamt hat mich Rachel Gillig mit ihrem Fantasy-Auftakt aber trotzdem überzeugt, denn es gab viele Dinge, die mir hier richtig gut gefallen haben: Das Setting ist vielleicht nicht so düster und atmosphärisch wie bei „Wie man einen Prinzen tötet“, aber zusammen mit dem gelungenen Worldbuilding und dem originellen Magiesystem entsteht hier eine interessante Welt, die ich als Leserin sehr gerne erkundet habe. Die meisten Figuren werden zudem sehr liebevoll gezeichnet und machen eine glaubwürdige Entwicklung durch. Manche wachsen einem sogar richtig ans Herz, wie zum Beispiel der sarkastische Prinz Elm (mein heimlicher Favorit ♥). Wer übrigens die Trope „Found Family“ (dt. Wahlfamilie) mag, kommt hier voll auf seine:ihre Kosten!

„One Dark Window“ bietet Leser:innen eine stellenweise humorvolle, spannende und wendungsreiche Geschichte mit einer unglaublich süßen und „wholesomen“ Lovestory, die sich angenehm langsam entwickelt. Besonders schön fand ich aus feministischer Sicht nicht nur die starken Frauenfiguren, sondern auch, dass der Love Interest eine echte Green Flag ist, der sich von einer starken Frau (die ihm bei der ersten Begegnung gleich mal die Nase blutig schlägt, haha) nicht einschüchtern lässt und sehr viel Wert auf Consent legt. Für all das gibt es natürlich auch aus feministischer Sicht einen Daumen nach oben. Außerdem werden die Liebesszenen (ins Detail gehen diese nicht, also zur Abwechlsung mal kein wirklicher Spice vorhanden – erfrischend!) sehr schön und voller Wärme und Emotionen be- und umschrieben – man erkennt hier deutlich den Female Gaze (dt. weiblichen Blick), lieben wir! Während Verhütung leider nicht thematisiert wird (schade!), wird uns hier dafür ein sehr selbstbestimmtes erstes Mal ohne Schmerzen und das längst überholte Konzept vom gerissenen Jungfernhäutchen präsentiert. Auch das gefällt!

Das Ende fand ich dann sehr konsequent, düster und gelungen (mehr wird hier natürlich nicht verraten!) und es macht sehr neugierig auf Band 2, der Ende Oktober auch schon auf Deutsch erscheint. Da mir „One Dark Window“ so gut gefallen hat, steht natürlich fest, dass ich auch die Fortsetzung (= Abschluss der Dilogie) lesen werde – ich MUSS nämlich einfach wissen, wie die Geschichte weitergeht und schlussendlich endet...

Mein Fazit

Mich hat „One Dark Window“ nach einem eher holprigen Einstieg doch noch überzeugt – das lag hauptsächlich am innovativen Magiesystem, am düsteren Setting, der liebevollen Figurenzeichnung, den unterwarteten Wendungen, der Spannung und der sehr süßen, gesunden Liebegeschichte. Von mir gibt es eine Empfehlung für alle, die bei Wortwiederholungen am Satzanfang und gelegentlich unlogischem Verhalten der Hauptfigur ein Auge zudrücken können. Wer demnächst anfängt, sollte dann auch pünktlich zum Erscheinungstermin von Band 2 (Ende Oktober) fertig und bereit für das Finale sein. Also – worauf wartet ihr noch?

Bewertung (in Schulnoten)

Cover / Aufmachung: 1+ ♥
Idee: 1-2
Inhalt, Themen, Botschaft: 2
Umsetzung: 2
Worldbuilding: 2
Einstieg: 3
Ende: 1+ ♥
Schreibstil: 3
Protagonistin: 1+ ♥
Figuren: 1
Spannung: 2
Pacing/Tempo: 2-3
Wendungen: 1+ ♥
Atmosphäre: 2
Emotionale Involviertheit: 1-2
Feministischer Blickwinkel: 1-2
Einzigartigkeit: 2

Insgesamt:

Note 2+

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.08.2024

Langsamer Start, berührendes Ende – und dazwischen sehr schön illustriert!

The Many Deaths of Laila Starr
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eines Tages wird der Todesgöttin einfach gekündigt. Ihre Arbeit passe nicht mehr ins Konzept, außerdem wird ein Mann in Zukunft die Unsterblichkeit erfinden. Sie soll ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Eines Tages wird der Todesgöttin einfach gekündigt. Ihre Arbeit passe nicht mehr ins Konzept, außerdem wird ein Mann in Zukunft die Unsterblichkeit erfinden. Sie soll stattdessen als Sterbliche leben und so die Menschheit besser verstehen lernen. Eines steht fest: Diesen Mann, der den Tod abschaffen wird, wird sie vorher töten, immerhin hat sie schon so viele Leben genommen, da macht das doch keinen Unterschied mehr. Oder?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Sammelband 1 einer Comic-Serie (Hefte 1-5)
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präteritum
Perspektive: männliche + weibliche Perspektive + aus Sicht von Gegenständen + Tieren
Kapitellänge: Einteilung in Kapitel bzw. in die einzelnen Comic-Hefte, die in diesem Band enthalten sind
Triggerwarnung: Tod, Alkoholmissbrauch, Trauer, Verlust, Krankheit, Krebs, psychische Krankheiten, Suizid, Geburt
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden, aber nur sehr knapp!

Lieblingszitate

„Ich werde da runter gehen und sterblich sein. Ich werde alt werden und Wehwehchen kriegen. Ich werde Leuten trauen, denen ich nicht trauen sollte. Ich werde Leute enttäuschen, die an mich glauben. Mein Herz wird gebrochen werden.“ Seite 15

„Wir sind stark, wir menschlichen Wesen. Wir leben, weil wir es wirklich wollen. […] Jeder Herzschlag, jeder Atemzug… weist den Tod zurück.“ Seite 115

Meine Rezension

Graphic Novels haben eine ganz eigene Art, Geschichten zu erzählen – und genau das fasziniert mich an ihnen. Deshalb greife ich immer wieder gerne zu diesem Genre. Als ich das Cover von „The Many Deaths of Laila Starr“ – übersetzt von Jörg Faßbender – gesehen habe, hat mir der Zeichenstil sofort gefallen und mich sehr neugierig gemacht.

Tatsächlich hat dieser Comic-Sammelband es geschafft, mich zu überzeugen – und das obwohl ich mich eigentlich für Götter und Göttinnen und deren Probleme nicht wirklich interessiere. Doch da die Todesgöttin hier recht schnell keine Göttin mehr ist, ging es. ;) Hauptverantwortlich für die Comics zeigt sich der indische Autor Ram V, der bereits einige Preise für seine Werke erhalten hat und sogar für den hochkarätigen amerikanischen Eisner-Award nominiert war.

Im Fokus der während der Corona-Pandemie entstandenen Geschichte stehen Menschlichkeit, Vergänglichkeit, Tod und Trauer bzw. der Umgang damit. Mir hat die Themenwahl sehr gut gefallen – und auch wenn die Handlung nur langsam ins Rollen kommt und es ein paar Seiten dauert, bis man ins Buch gefunden hat, wachsen einem die Figuren doch nach und nach irgendwie ans Herz. Das Ende empfand ich als sehr gelungen und berührend – auch wenn es mir eigentlich zu offen war und zu viele Fragen unbeantwortet bleiben. Unklar ist, ob die Comicreihe noch weitergeht – im Internet habe ich dazu keine eindeutigen Informationen gefunden, auch wenn es aufgrund der großen Pause seit der letzten Folge (die immerhin 2021 veröffentlich wurde) leider unwahrscheinlich scheint.

Interessant fand ich auch die verschiedenen Perspektiven: Eine Szene wird sogar aus der Sicht einer brennenden (und somit sterbenden) Zigarette erzählt, wie originell ist das denn!? Noch besser haben mir nur Filipe Andrades liebevoll angefertigte Illustrationen gefallen, die wirklich sehr schön anzuschauen sind. Die außergewöhnliche Farbpalette ähnelt einem Sonnenuntergang – Orange, Lila, Pink, Violett, Blau – und kombiniert kräftige Farben mit Pastelltönen.

Aus feministischer Sicht bin ich im Großen und Ganzen ebenfalls zufrieden – immerhin steht eine starke und mächtige Frau im Mittelpunkt –, auch wenn mir das Geschlechterverhältnis zu unausgeglichen war. Denn fast alle anderen wichtigen Figuren im Buch sind männlich. Da geht noch mehr! Die visuelle Darstellung der weiblichen Charaktere ist ebenfalls in Ordnung, würde ich sagen, sie werden hier weder stark s_xualsisiert noch objektifiziert. Trotzdem ist hie und da ein leichter Male Gaze (dt. männlicher Blick) vorhanden (z. B. unrealistische / perfekte weibliche Körper im Gegensatz zu denen der Männer, eher knappe Kleidung, „verführerisches“ Auftreten), der aber zum Glück nicht allzu störend für mich war.

Für fünf Sterne hat es am Ende aber trotzdem nicht gereicht: Für meinen Geschmack kommt die Geschichte ZU langsam ins Rollen, es hat viele Seiten gedauert, bis sie mich auch emotional erreicht hat. Zudem fehlen sowohl der Story als auch den Figuren (durch die vielen Perspektivwechsel und Handlungsstränge) Tiefe. Auch die Hauptfigur Laila Starr lernt man nicht gut und vor allem lange genug kennen, um wirklich eine starke Bindung zu ihr aufzubauen und mit ihr mitzufühlen. Außerdem habe ich aus irgendeinem Grund nicht das Gefühl, dass mir diese Graphic Novel allzu lange in Erinnerung bleiben wird…

Mein Fazit

„The Many Deaths of Laila Starr” ist für mich eine Graphic Novel, an die ich keine hohen Erwartungen hatte, die mich (trotz kleiner Schwächen) aber positiv überrascht, mit ihren Illustrationen verzaubert und am Ende sogar berührt hat. Von mir gibt es deshalb eine Empfehlung für alle, die sich von ernsten Themen wie Tod, Trauer und Vergänglichkeit nicht abschrecken lassen.

Bewertung (in Schulnoten)

Idee: 2
Inhalt, Themen, Botschaft: 1+ ♥
Umsetzung: 2
Worldbuilding: 2
Einstieg: 3
Ende: 1-2
Schreibstil: 2
Illustrationen: 1-2
Figuren: 2-3
Spannung: 4
Wendungen: 2-3
Atmosphäre: 2
Emotionale Involviertheit: 2
Feministischer Blickwinkel: 2-
Einzigartigkeit / Chance, dass ich das Buch nie vergessen werde: 4

Insgesamt:

Note 2

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.08.2024

Witzig und kurzweilig, wenn auch zu oberflächlich und zu viele Klischees

Pi mal Daumen
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Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Unerwarteterweise trifft der 16-jährige adelige und hochbegabte Autist
Oscar bei einer Mathematik-Einführungsvorlesung auf Moni, eine über 50-jährige Großmutter mit ...

Spoilerfreie Rezension!

Inhalt

Unerwarteterweise trifft der 16-jährige adelige und hochbegabte Autist
Oscar bei einer Mathematik-Einführungsvorlesung auf Moni, eine über 50-jährige Großmutter mit vielfältigen familiären Aufgaben und mehreren Jobs, die sich heimlich an der Universität eingeschrieben hat, um sich einen Lebenstraum zu erfüllen. Für Oscar steht fest: Diese Frau ist hier eindeutig fehl am Platz. Oder? Es ist der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Erzählweise: Ich-Erzählweise, Präteritum
Perspektive: männliche Perspektive
Kapitellänge: mittel

Inhaltswarnung: psychische Krankheiten, Autismus, Misogynie, S+xismus, Klassismus, Tod, toxische Beziehung, Mutterschaft, Trauer, Diskriminierung
Bechdel-Test (zwei Frauen mit Namen sprechen miteinander über etwas anderes als einen Mann): bestanden!
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: B+tch

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Universität & Leben als Studierende:r
- Autismus & Hochbegabung
- Mathematik
- Gegensätze ziehen sich an
- ungewöhnliche Freundschaft
- Milieustudie („Ober- und Unterschicht“)
- LGBTQAI+-Repräsentation (M|M)
- Mental Load & Care-Arbeit (als Großmutter)
- strukturelle Diskriminierung an der Uni
- Familie
- Humor

Lieblingszitate

„Im Mathestudium mit Schulwissen anzukommen war, als wollte man mit einer Sandkastenschaufel versuchen, einen See auszugraben.“ Seite 12

„In der U-Bahn wusste ich sofort wieder, warum ich öffentliche Verkehrsmittel mied. Es waren nicht nur die seltsamsten Leute darin, sie schauten mich auch noch an, als hätten sie noch nie eine Person mit Gummihandschuhen gesehen.“ Seite 58

„‘Wenn ich jetzt auch noch anfange, Ansprüche zu stellen…‘
[…]
„‘Es geht nicht um Ansprüche, sondern um Lebensrealitäten.‘“ Seite 67

„Irgendwann hörte ich auf, den Fliederduft wahrzunehmen. Was nur bedeuten konnte, dass ich dabei war, mich an sie zu gewöhnen.“ Seite 31

Meine Rezension

Eigentlich hatten mich Titel und Klappentext auf den ersten Blick gar nicht angesprochen, doch als ich in die Leseprobe hineinlas, war es um mich geschehen und mein Interesse geweckt! Und wenn mir der Schreibstil gefällt, stimmt für mich schon einmal viel bei einem Buch – aber war auch der ganze Rest überzeugend?

Ja, durchaus! Für mich war es das erste Buch von Alina Bronsky und ich war sofort begeistert und sehr angetan von ihrer leichtfüßigen, unglaublich angenehm lesbaren Sprache voller treffender, schöner und witziger Vergleiche. Die Autorin ist definitiv eine sehr gute Geschichtenerzählerin und hat das Schreibprinzip „show, don’t tell“ verstanden! Zu sagen, dass die Mathematik nie zu meinen großen Leidenschaften gehört hat, wäre eine maßlose Untertreibung – trotzdem empfand ich die hier geschilderten und meiner Einschätzung nach (vielleicht liege ich aber auch vollkommen daneben!) gut recherchierten mathematischen Probleme und Themen als faszinierend und interessant, sodass SOGAR ICH ihnen etwas abgewinnen und die Begeisterung für dieses Fach nachvollziehen konnte. In den Beschreibungen des Uni-Lebens habe ich mich (zumindest teilweise, die enge Beziehung zu den Professor:innen ist etwas unglaubwürdig) wiedergefunden und mich an meine eigene Zeit als Studentin zurückerinnert. Nach der Lektüre habe ich übrigens auch so viel Lust wie nie zuvor auf ein Zweistudium!

„Pi mal Daumen“ handelt von einer ungewöhnlichen Freundschaft, von Familie und Gegensätzen, die sich anziehen, aber die Autorin traut sich auch noch an ein weiteres, sehr wichtiges Thema heran: Chancengleichheit und fehlende Familienfreundlichkeit im Studium. Denn leider werden durch das jetzige, oft „lernfeindliche“ System jene benachteiligt, die in einer Familie die Care-Arbeit leisten, Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder nebenher noch andere Verpflichtungen (z. B. einen Vollzeitjob) haben. So müssen viele dieser Leute (meist leider immer noch Frauen) trotz Potential und Interesse irgendwann aufgeben und abbrechen und können nicht das leisten, wozu sie eigentlich fähig wären – wodurch uns als Gesellschaft viele kluge Köpfe verloren gehen.

Großartig fand ich die schlagfertigen, schnellen Dialoge, den Humor und die Situationskomik, die genau meinen Geschmack getroffen und mich immer wieder zum Lachen gebracht haben – und das will schon etwas heißen, denn ich bin diesbezüglich sicher ein schwieriges Publikum. Überzeugt haben mich auch der Spannungsbogen, durch den mir nie langweilig wurde, und die teilweise doch ziemlich unerwarteten Wendungen. Positiv überrascht war ich davon, dass es im Buch sogar eine LGBTQAI+-Repräsentation (M|M) gibt. Am Ende wird es dann sogar noch etwas übernatürlich und rätselhaft – muss man mögen, aber mich hat es nicht wirklich gestört.

Für fünf Sterne und den Lieblingsbuchstatus hat es dann aber doch nicht gereicht. Dafür blieb die Geschichte, die stellenweise durchaus als Milieustudie gesehen werden kann, insgesamt doch ein wenig zu oberflächlich, waren mir die Figuren zu überzeichnet (wodurch sie weniger „echt“ und dreidimensional wirkten) und die Darstellung sowohl der privilegierten, reichen, gebildeten „Oberschicht“ als auch der sozial benachteiligten, armutsgefährdeten, ungebildeten „Unterschicht“ zu klischeehaft. Deutlich kritischer ist hier natürlich Letzteres zu betrachten, weil so natürlich diverse Vorurteile befeuert werden und neue Nahrung bekommen: Monis Familie wird überwiegend als laut, chaotisch, ungebildet bis dumm, schlecht gekleidet, faul, dick (Fatshaming inklusive!) und überfordert von der eigenen (großen) Kinderschar dargestellt.

Auch aus feministischer Sicht haben mich die vielen Klischees gestört: Moni studiert zwar als Frau Mathe, ja, aber sie ist AUCH der INBEGRIFF der „multitaskenden“, sich selbst für alle aufopfernde, sich um alle kümmernde Großmutter (die laut Buch alle Leute sofort „adoptiert“), auch sonst sind es in diesem Buch fast immer die weiblichen Figuren, die für die Care-Arbeit und Mental Load zuständig sind, die Matheprofessoren sind natürlich männlich, die Schulsekretärin weiblich, es wird auch der Eindruck vermittelt, dass eine Frau im mittleren Alter ohne Make-up unerträglich anzusehen sei usw. Eine gewisse unterschwellige Kritik an dieser ungleichen Verteilung der unbezahlten Arbeit kann man herauslesen, wenn man will, aber sie ist so subtil, dass die meisten Leser:innen (die dafür nicht sensibilisiert sind und sich mit dem Thema noch nie näher beschäftigt haben) drüberlesen und nicht weiter darüber nachdenken werden. Das ist schade, hier hätte ich mir klarere Worte gewünscht!

Außerdem hatte der Protagonist ein paar Seiten an sich, die mich abgestoßen haben: Er ist zwar irgendwie sympathisch, aber gleichzeitig auch unendlich privilegiert, teilweise sehr egozentisch (was sich auch im Schreibstil durch die stellenweise gehäufte Verwendung von „Ich…“ am Satzanfang spiegelt) und arrogant (anderen Studienrichtungen und Menschen gegenüber) und äußert immer wieder s+xistische und misogyne Sätze, ohne es zu merken. Beispiel: Monika spricht in einer Szene mit einer anderen Mathestudentin und er vermutet, dass sie wohl über ein Kuchenrezept reden – denn über was sonst sollten zwei Frauen sich unterhalten? Ihr hört mich seufzen. Auch sonst sind Frauen im Mathestudium wenig sichtbar – es mag aktuell noch der Realität entsprechen, aber hier sollte man doch zumindest in der Literatur gegensteuern und nicht vorhandene Geschlechterstereotype weiter zementieren (was hier passiert), oder? Man merkt, dass der 46-jährigen Autorin teilweise noch das Bewusstsein für schädliche Rollenklischees, Stereotype und S_xismus fehlt, dass sie vieles einfach nicht hinterfragt, sondern als gegeben hinnimmt. Dass sie sich dieses Bewusstsein vor dem nächsten Buch aneignet, würde ich mir wünschen!

Mein Fazit

„Pi mal Daumen“ ist ein kurzweiliger, witziger, leichtfüßiger Roman, der zwar wichtige Themen anspricht, aber dabei etwas zu oberflächlich bleibt und nicht frei von (schädlichen) Klischees und Geschlechterstereotypen ist – dafür ziehe ich einen Stern ab. Wenn man weiß, was man hier erwarten darf (und was eben nicht), kann mensch mit diesem Buch aber trotzdem (wie ich) ein paar unterhaltsame Lesestunden verbringen. Von mir gibt es daher eine Empfehlung!

Bewertung (in Schulnoten)

Cover / Aufmachung: 3 ♥
Idee: 1+ ♥
Inhalt, Themen, Botschaft: 2
Umsetzung: 2
Worldbuilding: 1+ ♥
Einstieg: 1+ ♥
Ende: 2-3
Schreibstil: 1+ ♥
Protagonist: 2-3
Figuren: 2
Spannung: 2
Pacing/Tempo: 2
Wendungen: 1
Atmosphäre: 2
Emotionale Involviertheit: 2
Feministischer Blickwinkel: 3-4
Einzigartigkeit: 2

Insgesamt:

Note 2

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.08.2024

Vielfältige Rezeptideen und einfache Anleitungen

Lieblingsrezepte aus deinem Airfryer
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Inhalt

Viele haben einen zuhause, aber nutzen ihn nur für Tiefkühlkost: einen Airfryer. Doch kann der nicht eigentlich so viel mehr? „Ja“, sagt Tanja Dusy. In diesem Buch findet man eine Mischung aus ...

Inhalt

Viele haben einen zuhause, aber nutzen ihn nur für Tiefkühlkost: einen Airfryer. Doch kann der nicht eigentlich so viel mehr? „Ja“, sagt Tanja Dusy. In diesem Buch findet man eine Mischung aus wichtigen Informationen, praktischen Tipps und verschiedenen Rezeptideen (Snacks, Süßes, Gemüse, Fisch und Fleisch).

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Rezeptbuch, Einzelband
Tiere im Buch: - Buch leider nicht vegetarisch/vegan. Fisch, Fleisch und andere Tierprodukte sind häufig Bestandteile der Rezepte.

Dieses Kochbuch solltest du lesen, wenn dir folgende Themen gut gefallen:

- bunte Rezeptmischung
- Rezepte bis ins kleinste Detail erklärt
- zu jedem Rezept ein Bild
- wichtige Informationen für Anfänger:innen
- viele praktische Tipps
- KEIN Fokus auf vegetarische/vegane Speisen (keine Alternativen für Tierprodukte)

Lieblingszitate

„Es gibt kaum etwas, was er nicht kann: Frittieren, Backen oder Grillen – das alles schafft ein Airfryer mühelos. “ E-Book, Position 29

Meine Rezension

Seit einiger Zeit habe ich nun schon einen Airfryer, doch vor der Lektüre dieses Rezeptbuchs wurde dieser hier tatsächlich nur verwendet, um Tiefkühlkost zu frittieren, wenn es einmal schnell gehen musste (Pommes, Frühlingsrollen, Pizza). Irgendwie hatte ich schon im Hinterkopf, dass die Heißluftfritteuse eigentlich noch viel mehr können muss – so richtig an dieses Thema herangetraut hatte ich mich aber bis dahin nicht, denn ich wusste einfach nicht, wie ich anfangen sollte… Dann erblickten meine Augen jedoch das Kochbuch „Lieblingsrezepte für den Airfryer“ von Tanja Dusy – und ich wusste, ich muss es lesen!

Genau das, was ich mir von dem Kochbuch erhofft habe, hat dieses auch abgeliefert: Es hat die Hemmschwelle gesenkt, meine Berührungsängste neutralisiert, mir eine breit gefächerte Übersicht vermittelt, was mit einem Airfryer wirklich alles möglich ist, und mich zu vielen Rezeptideen inspiriert, die ich in nächster Zeit ausprobieren möchte. Daher bin ich insgesamt wirklich zufrieden. Die kurze Einleitung am Beginn des Buches, die sich auf das Wichtigste beschränkt, fand ich zudem sehr gelungen und besonders für Anfänger:innen (wie mich) äußerst hilfreich und praktisch. Tanja Dusy bietet uns hier eine bunte Mischung aus verschiedenen Rezepten aus den vier großen Bereichen: Snacks, Gemüse, Fisch und Fleisch, Süßes. Von knusprigen, selbst gemachten Pommes über würzigen, frittierten Tofu und saftige Spinat-Käse-Taschen bis hin zu leckeren Tassenküchlein für spontanen Besuch ist hier (fast) alles abgedeckt. Die Anleitungen sind dabei so verfasst, dass auch die untalentiertesten Köch:innen ihnen folgen können sollten. Ich beschwere mich ja oft, dass in Rezepten zu viel Wissen vorausgesetzt wird – das ist hier definitiv nicht der Fall! Im Gegenteil, es wird sogar noch darauf hingewiesen, dass man bei einer Paprika das Kerngehäuse entfernen muss – wenn da beim Kochen also noch etwas schiefgeht, liegt es höchstwahrscheinlich an dir! 😉

Gut gefallen hat mir auch, dass es zu jedem Gericht ein sehr appetitliches, aber trotzdem einfach gehaltenes Bild gibt – ich hasse es nämlich, wenn ich mir das Ergebnis eines Rezepts selbst im Kopf zusammenreimen und vorstellen soll. Die Vorteile, die der Airfryer im Vergleich zum Backofen, zur normalen Fritteuse und dem Anbraten in der Pfanne hat, liegen nach der Lektüre dieses Kochbuchs klar auf der Hand: Die Heißluftfritteuse erreicht schneller die erforderliche Temperatur, braucht weniger Energie, ermöglicht ein gleichmäßiges Garen von allen Seiten und kommt mit sehr wenig bis gar keinem Fett aus, wodurch das Essen schlussendlich (obwohl es sehr knusprig wird) auch gesünder ist. Außerdem kann man sie (wenn man die Garzeiten kennt) alleine lassen und muss nicht – wie bei der Pfanne – ständig danebenstehen.

Selbstverständlich habe ich nach der Lektüre dieses Koch- und Backbuchs und vor dem Verfassen dieser Rezension 2 Rezepte selbst ausprobiert, damit ich euch an dieser Stelle berichten kann, wie es mir damit ergangen ist. Gericht 1 war der „Sticky Tofu mit Ingwer“, den ich mit Reis serviert habe und der mir sehr gut geschmeckt hat. Dem Rezept konnte ich problemlos folgen und die Zutaten habe ich alle im Supermarkt bekommen, was ebenfalls ein Pluspunkt ist. Auch der Heidelbeer-Tassenkuchen hat mich überzeugt – er ist perfekt, wenn spontan Besuch vorbeikommt oder man Lust auf etwas Süßes hat. Eine Stelle war etwas zweideutig formuliert, sodass es zu einem kleinen Missverständnis kam, aber ansonsten gibt es keine Beschwerden von meiner Seite. Bei mir wird der Airfryer in nächster Zeit definitiv öfter und auf vielfältigere Weise zum Einsatz kommen, das steht fest!

Einen Stern Abzug gibt es von mir nur dafür, dass der Fokus auf tierische Produkte recht groß war – hier hätte ich mir mehr Vielfalt und Alternativen (die direkt im Rezept angegeben werden, sodass man sie sich nicht selbst zusammensuchen muss) gewünscht. Viele Rezepte lassen sich glücklicherweise aber mit wenigen Änderungen/Handgriffen schnell veganisieren, sollte das gewünscht sein (was es in meinem Fall ist). Zudem fand ich die Rezeptmenge noch ausbaufähig, mehr wäre hier definitiv besser gewesen!

Mein Fazit

Das Koch- und Backbuch „Lieblingsrezepte aus dem Airfryer“ bietet eine gute Mischung aus wichtigen Infos für Anfänger:innen und bunten Rezeptideen, die sehr einfach und verständlich erklärt werden. Lediglich weniger Fokus auf Tierprodukte und eine größere Rezeptanzahl hätte ich mir noch gewünscht. Von mir gibt es dementsprechend einen Daumen nach oben und eine Empfehlung!

Bewertung

Rezeptmenge: 3 Sterne
Rezeptauswahl: 4 Sterne
Schreibstil und Verständlichkeit: 4,5 Sterne
Bilder: 4 Sterne

Insgesamt:

☆★☆★ Sterne

Dieses Buch bekommt von mir vier Sterne!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.07.2024

Gutes Kinderbuch, das sich für Vielfalt und Toleranz einsetzt!

Das alles ist Familie
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Inhalt

Eines Tages findet das Kind Lars ein Paket vor seiner Tür, doch der Regen hat einen Teil der Adresse weggewaschen. Jetzt steht dort nur noch „Familie …“. Der Bub macht sich sofort auf den Weg ...

Inhalt

Eines Tages findet das Kind Lars ein Paket vor seiner Tür, doch der Regen hat einen Teil der Adresse weggewaschen. Jetzt steht dort nur noch „Familie …“. Der Bub macht sich sofort auf den Weg durch die Nachbarschaft, um herauszufinden, wem das Päckchen gehört. Dabei trifft er auf ganz unterschiedliche Familien…

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Altersempfehlung: 4+
Erzählweise: Figurale Erzählweise, Präsens
Tiere im Buch: + Im Buch werden keine Tiere verletzt oder getötet.
Inhaltswarnungen: -
Frauenfeindliche / gegenderte Beleidigungen: ---

Diese Geschichte solltest du lesen, wenn dir folgende Themen/Dinge in Büchern gut gefallen:

- Diversität
- Vielfalt
- Familie
- Freundschaft

Lieblingszitat

„Vielleicht ist Familie sein einfach nur, wenn man sich liebt.“ E-Book, Seite 24

Meine Rezension

Als ich den Klappentext zu „Das alles ist Familie“ gesehen hatte, war mir sofort klar, dass ich dieses Kinderbuch, das ganz offensichtlich gegen einengende Heteronormativität und Vorurteile ankämpft, lesen muss. Und ich habe es nicht bereut – auch wenn es für mich kein Highlight war…

Die Geschichte handelt vom Kind Lars, das ein Paket findet, von dem der Regen den Namen gewaschen hat, sodass dort nur noch „An Familie…“ steht. Aus diesem Grund macht er sich auf den Weg durch die Nachbarschaft, um die rechtmäßigen Besitzer_innen zu finden. Das ist meiner Meinung nach der perfekte Aufhänger dafür, Kindern ab 4 Jahren verschiedene Familientypen und Konstellationen vorzustellen. Hier wird auch so gut wie alles abgedeckt, es bleiben keine Wünsche offen: verschiedene Hautfarben, Nationalitäten, es gibt alleinerziehende Väter, lesbische Eltern, adoptierte Kinder, Kinder mit Behinderung, Patchwork-Familien, verheiratete und unverheiratete Elternpaare, große und kleine Familien, Mehrgenerationenhaushalte, verschiedene Körperformen und sogar über kinderlose Familien wird gesprochen. Lars lernt, dass hier nur eines zählt: dass sich alle lieb haben. (Gut, dysfunktionale Familien werden hier also doch ausgeklammert, aber das ist auch gut so in einem Kinderbuch für 4-Jährige. 😉) Am Ende werden die Familien in Lars‘ Nachbarschaft noch einmal kurz mit Bild und Steckbrief vorgestellt, danach ist sogar noch Platz für ein Foto der eigenen Familie, was ich ganz süß gemacht fand. Der Schreibstil ist flüssig, neutral gehalten (= wenig emotional, nicht besonders fesselnd) und leicht verständlich – ich fand ihn okay, er wird mir aber nicht in irgendeiner Weise besonders positiv in Erinnerung bleiben.

Besonders Kinder, die in einem sehr heteronormativen Umfeld aufwachsen und außer der typischen Kernfamilie und vielleicht der einen oder anderen alleinerziehenden Mutter noch nicht viel gesehen haben, können von diesem Buch profitieren. Es kann nämlich dabei helfen, Vorurteile abzubauen, offener und toleranter zu werden und zu zeigen, dass Vielfalt/Diversität etwas Normales und Bereicherndes ist! Hierfür bietet es Eltern und Pädagog:innen viele Anknüpfungspunkte für Gespräche über verschiedene wichtige Themen. Aus feministischer Sicht gibt es hier ebenfalls nichts auszusetzen, weil sowohl Väter als auch Mütter gleichwertig in der Elternrolle gezeigt werden und z. B. auch die Kleidung frei von stereotypischen Farben ist.

Jene Kinder, die Diversität aber bereits leben und jeden Tag erleben – für die das bereits etwas ganz Normales ist –, könnten an der einen oder anderen Stelle etwas irritiert sein (wie ich). So gibt es im Buch beispielsweise eine Stelle, an der Lars die Tochter eines gleichgeschlechtlichen Pärchens fragt: „Sagst du zu der einen Mama Mama und zur anderen Papa?“ Das ist meiner Meinung nach eine Frage, die sehr konstruiert wirkt und doch eher einem erwachsenen heteronormativ geprägten Weltbild entspringt (wie sehr wir alle diese Anschauung verinnerlicht haben, scheint dem Autor hier nicht bewusst zu sein). Ich bezweifle, dass unter Kindern überhaupt diese Frage aufkommen würde… Außerdem wird am Ende des Buches noch kurz das Thema „Samenspende“ angesprochen – da frage ich mich, ob dieses Thema (mit allem, was dazugehört, wenn man es erklären möchte) nicht noch zu komplex für 4-Jährige ist.

Nun noch kurz zu den Zeichnungen und zum Layout: Die Wasserfarben-Illustrationen von Julianna Swaney haben mir ganz gut gefallen, sie sind in zarten Pastellfarben gehalten, was sehr gut zum Regenwetter im Buch passt. Allerdings waren sie mir stellenweise auch etwas zu beige und zu blass und ich hätte mir mehr Details im Hintergrund zum Entdecken gewünscht. Außerdem enthalten manche Seiten für meinen Geschmack etwas zu viel Fließtext – diesen hätte man noch etwas besser aufteilen können.

Mein Fazit

„Das alles ist Familie“ ist ein Kinderbuch, das sich für Vielfalt und gegen einengende Heteronormativität einsetzt, was mir als Feministin natürlich sehr gut gefallen hat und wovon (die meisten) Kinder nur profitieren können. Aufgrund der etwas detailarmen, blassen Illustrationen, des mittelmäßigen Schreibstils und der einen oder anderen problematischen oder nicht altersgemäßen Stelle reicht es zwar nicht für ein Jahreshighlight, aber doch zumindest für vier Sterne. Von mir gibt es also eine Empfehlung – besonders für Kinder ab 4 Jahren, die in einem sehr heteronormativen Umfeld aufwachsen.

Bewertung

Idee: 5 Sterne ♥
Geschichte / Inhalt: 5 Sterne ♥
Ausführung: 4 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Hauptfigur: 3 Sterne
Figuren: 4 Sterne
Illustrationen: 3,5 Sterne
Rollenbilder/Feminismus: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

☆★☆★ Sterne

Dieses Buch erhält von mir vier Sterne!

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